Immer wieder liest und hört man, dass ältere Mitbürger auf den so genannten Enkeltrick hereinfallen. Dabei wird ihnen am Telefon vorgegaukelt, dass sich ihr Enkel in einer Notlage befindet und ganz schnell Geld benötigt, um sich hieraus zu befreien. Das Geld wird dann – wenn sich die Senioren haben überzeugen lassen – von einem Boten abgeholt, der im Anschluss über alle Berge verschwunden ist.
Das FG Münster hat nun entschieden, dass das Opfer eines Trickbetrugs den Vermögensverlust nicht einmal als außergewöhnliche Belastung geltend machen kann (FG Münster, Urteil vom 2.9.2025, 1 K 360/25 E).
Der Sachverhalt
Eine 77 Jahre alte Dame erhielt einen Telefonanruf von einem vermeintlichen Rechtsanwalt, der angab, ihre Tochter habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht. Die deshalb drohende Untersuchungshaft könne durch Zahlung einer Kaution von 50.000 Euro vermieden werden. Da die Seniorin angab, nicht mobil zu sein, bot der Anrufer an, einen Boten zu schicken, der das Geld bei ihr zu Hause abholen könne. Im Anschluss meldete sich bei ihr ein angeblicher Polizeioberkommissar, der sie aufforderte, niemandem von dem Vorfall zu erzählen. Die Klägerin fuhr daraufhin mit dem Taxi zur Bank und hob dort 50.000 Euro ab. Diesen Betrag übergab sie später dem Boten. Nachdem sie den Trickbetrug durchschaut hatte, erstattete sie Strafanzeige. Das Strafverfahren wurde jedoch eingestellt, weil die Täter nicht ermittelt werden konnten. Ihren Schaden wollte die Dame als außergewöhnlich Belastung absetzen. Doch dies wurde vom Finanzamt und nun auch vom Finanzgericht versagt.
Die Begründung:
Die Aufwendungen seien zunächst nicht außergewöhnlich, da sich bei der Klägerin ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht habe. Sie sei Opfer einer Betrugsmasche geworden, die potenziell jeden treffen könne, auch wenn viele Angerufene den Betrugsversuch schnell durchschauten. Der Vermögensverlust sei auch nicht deshalb ausnahmsweise abzugsfähig, weil es sich um einen Gegenstand des lebensnotwendigen Bedarfs gehandelt hätte. Vielmehr habe die Klägerin den Betrag als liquide Mittel zur Verfügung gehabt und sei hierauf aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse auch nicht lebensnotwendig angewiesen gewesen.
Darüber hinaus fehle es auch an der Zwangsläufigkeit. Insoweit sei eine zweistufige Prüfung vorzunehmen. Danach scheide eine Zwangsläufigkeit von vornherein aus, wenn sich das Opfer durch strafbares oder sozialwidriges Verhalten selbst erpressbar gemacht habe. Dies sei bei der vorliegend von den Tätern zufällig ausgewählten Klägerin nicht der Fall. Daher sei weiter zu prüfen, ob zumutbare Handlungsalternativen vorlagen, die den Erpressungsversuch mit einiger Sicherheit wirkungslos gemacht hätten. Die Klägerin hätte den Anruf beenden und durch Rückruf bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft in Erfahrung bringen können, ob ihre Tochter tatsächlich verhaftet wurde. Auch hätte sie versuchen können, ihre Tochter zu erreichen oder eine andere Vertrauensperson zu kontaktieren. Bei der Verhaftung eines nahen Angehörigen wäre es objektiv auch naheliegend, einen Rechtsanwalt zu konsultieren, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Dass die Klägerin all diese Möglichkeiten subjektiv in der von den Betrügern aufgebauten Stresssituation nicht erkannt und wahrgenommen hat, ist aufgrund des allein objektiven Beurteilungsmaßstabs nicht von Bedeutung.
Denkanstoß:
„Bei der Klägerin hat sich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, Opfer eines Trickbetrugs zu werden.“ Die Aufwendungen sind daher nicht außergewöhnlich. Das muss man erst einmal sacken lassen. Ich möchte dann umgekehrt fragen: Wann sich Aufwendungen denn außergewöhnlich? Eine Überschwemmung? Kommt häufig vor. Ein Brand? Ist ebenfalls nicht selten.
Kommen wir nun zur Zwangsläufigkeit: Das FG unterscheidet zwischen einer objektiven und einer subjektiven Zwangsläufigkeit. Objektiv habe sich die Klägerin nicht in einer Zwangslage befunden. Aber auch hier möchte ich fragen. Was ist denn überhaupt eine objektive Zwangslage? Um es auf die Spitze zu treiben: Selbst Schmerzen empfinden Menschen subjektiv anders. Sollen deshalb Krankheitskosten nicht mehr abziehbar sein, weil Schmerzen nicht verobjektiviert werden können?
Das Urteil mag gerade auch angesichts der rigorosen BFH-Rechtsprechung rechtens sein – gerecht ist es sicher nicht. Immerhin hat das Gericht die Revision zugelassen. Die Frage der steuerlichen Behandlung von Betrugsopfern bei Schockanrufen betreffe eine Vielzahl von Steuerpflichtigen und ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Ob die Revision tatsächlich eingelegt wurde, ist mir leider noch nicht bekannt.
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