Das Sozialversicherungsrecht hält manche Kuriosität bereit – so etwa beim so genannten Phantomlohn. Dabei spreche ich nicht von Fällen des Missbrauchs oder der Benachteiligung von Arbeitnehmern. Nein, selbst wenn bestes Einvernehmen herrscht, sagt ihnen irgendjemand, dass der Arbeitslohn nicht X, sondern Y sein müsste und dieser Phantomlohn Y der Sozialversicherungspflicht unterliegt. So geschehen nun auch in zwei aktuellen Urteilen des BSG, die ich zum Aufreger des Monats gekürt habe (BSG-Urteile vom 13.11.2025, B 12 BA 8/24 R und B 12 BA 6/23 R).
Der Sachverhalt:
Den beiden BSG-Urteilen vorausgegangen sind Urteile des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.4.2023, L 5 BA 1846/22) und des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 19.6.2024, L 8 BA 111/20). Diese hat das BSG nun aufgehoben. Nachfolgend soll nur kurz der Fall aus NRW vorgestellt werden:
Die Klägerin beschäftigte zwei Mitarbeiterinnen zunächst in Vollzeit. Beiden wurde ein Barlohn gezahlt; zudem erhielten sie je ein Firmenfahrzeug mit der Möglichkeit der privaten Nutzung. Nach einiger Zeit wechselten beide Mitarbeiterinnen in eine Teilzeittätigkeit bei der Klägerin. Barlohn wurde nicht mehr geleistet, doch erhielten sie weiterhin das Firmenfahrzeug auch zur privaten Nutzung. Die Vergütungen lagen – wenn man die Sachleistungen in Geld umgerechnet hätte – jeweils über dem Mindestlohn. Der Sozialversicherungsträger verlangte dennoch hohe Beitragsnachforderungen. Der Mindestlohn werde als Geldbetrag geschuldet und könne nicht durch das Gewähren von Sachleistungen erfüllt werden. Entsprechend seien die den Teilzeitkräften in Form eines Pkw gewährten Sachbezüge nicht auf den Mindestlohn anrechenbar. Die Arbeitnehmerinnen hätten über den vereinbarten Sachbezug hinaus Anspruch auf weiteres Arbeitsentgelt nach dem Mindestlohngesetz, so dass sich die Sozialversicherungs- und Umlagebeiträge aus dem Sachbezug und dem darüber hinaus gehenden Arbeitsentgelt berechneten. Letztlich wurde also ein Phantomlohn der Sozialversicherung unterworfen – und zwar zurecht, wie das BSG nun entschieden hat.
Begründung:
Durch die Überlassung eines Firmenwagens wird der Mindestlohnanspruch nicht erfüllt. Mit seiner vom Gesetz angeordneten Entstehung werden hierauf Sozialversicherungsbeiträge fällig. Diese sind nicht durch die wegen der Überlassung des Firmenwagens bereits gezahlten Beiträge abgegolten. Dieser Auffassung steht nicht entgegen, dass bereits Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden. Ein die vereinbarte Vergütung übersteigender Zufluss durch die Überlassung des Firmenwagens ist gegebenenfalls zwischen den Arbeitsvertragsparteien rückabzuwickeln, führt aber nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Beitragsforderung.
Denkanstoß:
„Ein die vereinbarte Vergütung übersteigender Zufluss durch die Überlassung des Firmenwagens ist gegebenenfalls zwischen den Arbeitsvertragsparteien rückabzuwickeln“.
Diesen Satz aus der Pressemitteilung des BSG habe ich auch beim zweiten und dritten Lesen nicht verstanden. Ich kann natürlich Geld zurückgewähren. Ich kann auch eine Sache zurückgewähren. Aber wie soll ich denn – bitte schön – eine bereits erfolgte Pkw-Nutzung zurückgewähren?
Sollen die Arbeitnehmerinnen erst einmal einen Betrag in Höhe des geldwerten Vorteils zurückzahlen, den ihnen der Arbeitgeber dann sofort wieder in gleicher Höhe zurücküberweist? Welchen Sinn hätte das Ganze? Leider liegt die Urteilsbegründung noch nicht im Volltext vor. Ich hoffe, das BSG sorgt dann für Klarheit. Sozusagen „bis auf Weiteres“ gelten die Urteile daher für mich als Aufreger des Monats.