Fast keine Woche verging im zweiten Halbjahr 2025 ohne ein neues Gerücht, wann das Bundesverfassungsgericht seine nächste Entscheidung zur Erbschaftsteuer fällen wird. Doch jedes Mal, wenn es hieß, dass es jetzt so weit sei – passierte nichts. Mittlerweile gilt als gesichert, dass es bis Ende des laufenden Jahres dabei bleibt. Zumindest erbschaftsteuerlich dürfte es damit wohl ein ruhiger Jahreswechsel werden.
Doch spätestens, wenn die Weihnachtsmärkte abgebaut und die letzten Böller gezündet sind, wird die Gerüchteküche wieder zu brodeln beginnen. Die erste Frage, die sich stellt, ist, ob das Gericht eine mündliche Verhandlung plant. Falls ja, gäbe es ab dem Bekanntwerden des Verhandlungstermins über die Verhandlung und – vermutlich einige Wochen oder Monate später – die Verkündung des Urteils einen ungefähren Zeithorizont. Falls das Gericht auf einen Verhandlungstermin verzichtet, würde die Entscheidung dagegen nur mit einer kurzen Vorankündigungsfrist „vom Himmel fallen“.
Die nächste Belastungsprobe für die Koalition?
So oder so hätte die ErbSt-Entscheidung aus Karlsruhe das Potenzial, die schwarz-rote Koalition in die nächste Krise zu stürzen. Seit Monaten trommelt die SPD dafür, Betriebsvermögen deutlich stärker zu besteuern. Die Union steht dagegen traditionell den familiengeführten Unternehmen nahe und sähe sich nach den jüngst eingegangenen Kompromissen an anderer Stelle und in Anbetracht der mehr als mauen Wirtschaftsaussichten kaum in der Lage, dieser Forderung nachzukommen. Schon die letzten Erbschaftsteuerreformen 2008 und insbesondere 2016 brachten die damaligen schwarz-roten Koalitionen an ihre Belastungsgrenze.
Sofern Karlsruhe entscheidet und nicht entgegen dem allgemeinen Erwarten die aktuellen Regelungen vollumfänglich akzeptiert, wird die große Modelldiskussion beginnen. Interessanterweise hat das in den vergangenen Jahren von verschiedenen Seiten unterstützte Modell einer Flat Tax mit einem Satz von z.B. 10 Prozent auf alle Erbschaften zuletzt Federn lassen müssen. Nach einer jüngst veröffentlichten DIW-Studie (1) wäre eine solche Steuer erst ab dem relativ hohen Steuersatz von 15 Prozent aufkommensneutral. Viele Familienunternehmen könnten diese Zusatzbelastung wohl nicht ohne weiteres stemmen.
Die Flat Tax verliert an Unterstützung
Außerdem rasiert eine Flat Tax jede Abstufung zwischen Steuerklassen (Verwandtschaftsnähe) und die Steuerprogression. Und selbst die heftigsten Kritiker der aktuellen Regelungen wollen eigentlich nicht, dass ein ererbtes Unternehmen, das Arbeitsplätze und vielerlei andere Steuer- und Abgabenzahlungen – mit anderen Worten: Wohlstand – sichert, genauso besteuert wird wie ein ererbtes Bankkonto. Am Ende dürfte es deshalb bei einer womöglich erzwungenen Reform der Erbschaftsteuer eher um eine Weiterentwicklung des bestehenden Systems als um einen radikalen Systemwechsel gehen.
Mit dem Näherkommen einer ErbSt-Entscheidung rückt daneben ein weiterer Aspekt in den Fokus: Erzwingt Karlsruhe eine (teilweise) Überarbeitung der Regeln zum Betriebsvermögen, könnte der Tag der Urteilsverkündung in gewissem Umfang bereits die Trennlinie zwischen dem bisherigen und einem möglichen neuen Recht markieren. Denn falls das Bundesverfassungsgericht bei bestimmten Einzelregelungen einen besonders gravierenden Verfassungsverstoß erkennen sollte, wäre nicht völlig auszuschließen, dass die Richter insoweit eine auf den Zeitpunkt der Verkündung des Urteils wirkende Neuregelung ermöglichen.
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