Angebliche Steuerhinterziehung des Sparkassenpräsidenten: Welche Risiken drohen bei verspäteter Steuererklärung?

In zahlreichen Medienberichten wird über ein Steuerstrafverfahren gegen den amtierenden Sparkassenpräsidenten berichtet. Dieser Vorwurf ist angesichts seiner dienstlichen Tätigkeit naturgemäß besonders delikat. Hier im NWB Experten-Blog möchte ich nun tiefer in das Thema einsteigen.

Denn trotz der Welle der Berichterstattung sollte gesehen werden, dass bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt. In der Praxis ist es jedoch zeit- und kostenaufwändig, eine einmal begonnene Medienlawine zu stoppen (wenn dies überhaupt gelingt). Der Sparkassenpräsident selbst bestreitet den Vorwurf und sieht insbesondere keinen Vorsatz. Gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts München hat er Einspruch eingelegt. Mangels genauer Kenntnis des Sachverhalts kann der Vorwurf „von außen“ im Moment nicht abschließend beurteilt werden. Die für eine Beurteilung maßgeblichen Gesichtspunkte sind jedoch von allgemeiner Bedeutung und der Sparkassenpräsident ist eine Person des öffentlichen Lebens mit Vorbildfunktion, so dass er sich eine öffentliche Diskussion gefallen lassen muss.

Wie lautet der Vorwurf genau?

Laut den Medienberichten soll der Sparkassenpräsiden Erklärungen zur Einkommensteuer verspätet abgegeben haben (Jahre 2012 bis 2014). Die verspätete Abgabe von Steuererklärungen kann strafbar sein, wenn die Verspätung den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 370 AO erfüllt. Für den objektiven Tatbestand des § 370 AO genügt es, dass die Steuern nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Denn eine Steuerverkürzung liegt nach der gesetzlichen Regelung des § 370 Abs. 4 AO insbesondere dann vor, wenn die Steuer nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt wird. Die Einkommensteuererklärung ist von steuerlich beratenen Steuerpflichtigen bis zum 31.12. des Folgejahres abzugeben (soweit nicht regionale oder sonstige Fristverlängerungen bestehen, z.B. sog. Kontingentierungsverfahren).

Wenn die verspätete Abgabe vorsätzlich geschieht (damit ist dann der subjektive Tatbestand erfüllt), handelt der Steuerpflichtige strafbar. Vorsatz liegt jedenfalls dann vor, wenn der Steuerpflichtige wissentlich oder willentlich die Erklärungen verspätet abgibt (zum Thema Vorsatz einschließlich des sog. Eventualvorsatzes vgl. Beyer, BBK 2017, 89). Die Strafbarkeit entfällt nicht automatisch dadurch, dass der Steuerpflichtige später tatsächlich die Steuererklärung abgibt (in Einzelfällen kann allerdings eine strafbefreiende Selbstanzeige gem. § 370 AO oder ein strafbefreiender Rücktritt gem. § 24 StGB vorliegen, siehe hierzu unten). Auch entfällt die Strafbarkeit nicht automatisch dadurch, dass das Finanzamt zuvor mehrere Jahre lang nicht an die Abgabe der Erklärung erinnert hat. Ob ein Vertrauensschutz entstehen kann, ist fraglich und hängt vom Einzelfall ab. Das gesetzliche Strafmaß beträgt bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe (bei einer besonders schweren Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 3 AO kann das Strafmaß bis zu zehn Jahren sein). Medien berichten, dass der nicht rechtskräftige Strafbefehl gegen den Sparkassenpräsidenten ein Strafmaß von 180 Tagessätzen vorsehe. Ein Tagessatz wird nach dem monatlichen Nettoeinkommen (geteilt durch 30) berechnet. Nettoeinkommen ist die Summe aus den Zuflüssen abzüglich der beruflichen und privaten Verpflichtungen (wie z.B. Unterhaltsverpflichtungen). Bei einem Jahresgehalt von z.B. 700.000 Euro ergibt sich ein Tagessatz von 700.000 Euro/12/30 = rund 1.900 Euro (Abzüge aus etwaigen Verpflichtungen müssten noch erfolgen, werden hier aus Vereinfachungsgründen nicht berücksichtigt). Bei einer Anzahl von 180 Tagessätzen kann dann somit eine Geldstrafe von 180 x 1.900 Euro (also mehr als 340.000 Euro) drohen.

Wie verteidigt sich der Sparkassenpräsident?

Gegenüber Medien führte der Sparkassenpräsident aus, dass er seinem Steuerberater erst in 2016 die erforderlichen Informationen zur Anfertigung der Erklärungen für 2012 bis 2014 gegeben hat. Zuvor sei er – so banal das klinge – mit anderen Verpflichtungen beschäftigt gewesen.

Unklar ist, ob der Sparkassenpräsident hiermit bereits den objektiven und/oder auch den subjektiven Tatbestand (Vorsatz). Sollte er bestreiten, dass er handeln konnte, so würde er sich bereits gegen eine objektive Pflichtverletzung und damit gegen den objektiven Tatbestand wenden. Bestreitet er, vor 2016 Kenntnis von den zutreffenden Besteuerungsgrundlagen zu haben, würde er dem Vorsatzvorwurf entgegentreten. Ob diese Einlassungen erfolgversprechend sind, kann mangels genauer Sachverhaltskenntnis im Moment nicht abschließend beurteilt werden. Jedenfalls dürften weitere Substantiierungen erforderlich sein, um den objektiven oder subjektiven Tatbestand auszuräumen.

Insbesondere müssten die sonstigen Verpflichtungen, auf welche sich der Sparkassenpräsident beruft, näher konkretisiert werden. Es dürfte ohne weitere Begründung nicht leicht nachvollziehbar sein, warum ein Steuerpflichtiger drei Jahre benötigt, um seinem Steuerberater die erforderlichen Informationen zu geben. Dies gilt jedenfalls für seinen Arbeitslohn als Angestellter des Sparkassenverbandes. Die Größenordnung war dem Sparkassenpräsidenten stets bekannt. Ungeklärt ist auch, ob dem Sparkassenpräsidenten z.B. Gewinneinkünfte zuzurechnen waren, die er der Höhe nach erst in 2016 konkretisieren konnte. Aber dann wäre es ihm möglich gewesen, diesen Punkt der Besteuerungsgrundlagen durch einen Hinweis in der fristgerechten Steuererklärung zu erläutern und so das Strafbarkeitsrisiko zu mindern. Die genaue Einlassung des Sparkassenpräsidenten und die exakte Ermittlung des Sachverhalts ist jedoch abzuwarten und im weiteren Verlauf können sich ggf. noch überraschende Wendungen ergeben.

Welche sonstigen Verteidigungsansätze bestehen für den Sparkassenpräsidenten?

Wenn eine Erklärung verspätetet abgegeben wurde und dies vorsätzlich geschah, kann sich im Einzelfall anbieten, die tatsächliche (aber verspätete) Abgabe als Selbstanzeige gem. § 370 AO zu prüfen. Dann müssten die strengen Voraussetzungen der Selbstanzeige vorliegen und dürften keine Sperrgründe vorliegen. Sperrgrund kann im vorliegenden Fall allerdings die Tatentdeckung gem. § 371 AO sein, wenn ein Beamter die Verspätung vor Abgabe der Erklärungen in 2016 entdeckte. Dies ist angesichts der langen Zeitdauer der Verspätung wohl wahrscheinlich.

Hinweis: Handelt ein Steuerpflichtiger „nur“ grob fahrlässig statt vorsätzlich, so sind die Voraussetzungen einer Selbstanzeige weitaus weniger streng (vgl. § 378 Abs. 3 AO). Insbesondere ist die Tatentdeckung dann kein Sperrgrund.

Mit etwas Geschick kann ein Steuerstrafverteidiger auch versuchen zu argumentieren, dass die tatsächliche spätere Abgabe der verspäteten Erklärung einen Rücktritt von der versuchten Hinterziehung (Verspätung) bedeutet. Allerdings hängt der Erfolg dieser Argumentation davon ab, ob der Strafrichter überhaupt noch das Versuchsstadium als gegeben ansieht oder die Verspätung als eigenständigen vollendeten Taterfolg wertet (vgl. § 370 Abs. 4 AO). Die Tatvollendung schließt einen Rücktritt aus. Auch wird mit dem Strafrichter zu diskutieren sein, ob die spätere Abgabe freiwillig geschieht und damit die Freiwilligkeit als Voraussetzung des Rücktritts überhaupt vorliegt. Diese Überlegungen zeigen die Rechtsunsicherheit, die mit diesem Verteidigungsansatz verbunden ist.

Welche Nebenfolgen drohen bei Steuerstrafverfahren?

Steuerstrafverfahren sind oft mit weiteren Nebenfolgen verbunden, die nicht selten mehr belasten als die Sanktion im Steuerstrafverfahren. So wird sich für den Sparkassenpräsidenten die Frage stellen, ob er für eine Wiederwahl zu Verfügung stehen kann. Auch wird zu prüfen sein, ob er den Sparkassenverband als seinen Arbeitgeber über das Steuerstrafverfahren informiert hat, ob er hierzu verpflichtet war und welche Folgen sich auch insoweit aus einer etwaigen Pflichtverletzung ergeben können. Die Bankenaufsicht prüft zudem die Fälle, in denen gegenüber Bankorganen steuerstrafrechtliche Vorwürfe erhoben worden sind.

Im Einzelfall können in Steuerstrafverfahren z.B. drohen: Fahrverbote von einem bis sechs Monaten (seit der Neuregelung des § 44 StGB im Juli 2017), Entzug von Waffenerlaubnissen, Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und Bewerbungsverfahren, Untersagung der Gewerbeausübung.

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