Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Lebensmittel mit Werbe-Verpackung

Glücklicherweise finden nun wieder vermehrt Kongresse, Tagungen und Seminare statt. Und zu Fachveranstaltungen gehören Gummibärchen und Traubenzucker, deren Verpackungen mit dem Logo des Veranstalters oder eines Ausstellers bedruckt sind.

Aber Hand aufs Herz: Haben Sie sich schon einmal darüber Gedanken gemacht, ob der Veräußerer solcher Werbelebensmittel gegenüber dem Veranstalter/Aussteller den regulären oder den ermäßigten Umsatzsteuersatz berechnen muss? Zugegebenermaßen habe ich mir diese Frage bislang nicht gestellt, dabei ist sie durchaus von Interesse, wie ein aktuelles BFH-Urteil zeigt.

Zunächst die Antwort vorweg: Trotz des Werbecharakters der Verpackung ist der ermäßigte Umsatzsteuersatz zu gewähren oder kommt zumindest in Betracht (BFH-Urteil vom 23.2.2023, V R 38/21).

Nun der Sachverhalt:

Der Kläger betrieb einen Handel für Werbeartikel. Zu den Werbelebensmitteln, die er in seinem Sortiment führte, zählten zum Beispiel Fruchtgummis, Pfefferminz- und Brausebonbons, Popcorn, Kekse, Glückskekse, Schokolinsen, Teebeutel, Kaffee und Traubenzuckerwürfel, die jeweils in kleinen Abpackungen angeboten wurden. Die Kunden konnten die Waren nach ihren Wünschen individualisiert beziehen. Die Individualisierung erfolgte durch eine bestimmte Umverpackung sowie Aufdrucke, Gravuren oder Ähnlichem. Der Kläger bezog die Gegenstände nach den Kundenwünschen von seinen Lieferanten oder ließ sie von Dritten veredeln. Er versteuerte die Veräußerungen als Lieferungen von Lebensmitteln zum ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt hingegen ging davon aus, dass die Veräußerung der Werbelebensmittel eine sonstige Leistung in Form einer Werbeleistung sei, die dem Regelsteuersatz unterliege. Der Einspruch und die Klage blieben erfolglos, doch der BFH hat der Revision entsprochen.

Die Begründung ist nicht leicht verdaulich. Ich versuche, sie mit meinen eigenen Worten wiederzugeben: Weiterlesen

Außer Spesen nichts gewesen – Staat haftet nicht bei Corona-Schließungen

Der Staat haftet nicht für Einnahmeausfälle, die durch die vorübergehende landesweite Schließung von Betrieben im Frühjahr 2020 im Rahmen der Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus entstanden sind – damit bleibt der BGH (11.5.2023 – III ZR 41/22) bei seiner bisherigen Linie.

Worum ging es im Streitfall?

Die selbständige Klägerin betreibt einen Frisörsalon in gemieteten Räumlichkeiten. Durch Verordnungen vom 17. und 20.3.2020 untersagte das beklagte Land Baden-Württemberg vorübergehend den Betrieb zahlreicher Einrichtungen, auch Frisörgeschäfte. Der Betrieb der Klägerin war deshalb vom 23.3.2020 bis zum 4.5.2020 geschlossen, ohne dass die COVID-19-Krankheit zuvor dort aufgetreten war. Die Klägerin war auch nicht ansteckungsverdächtig. Die Klägerin machte geltend, das beklagte Land schulde ihr eine Entschädigung in Höhe von 8.000 € für die mit der Betriebsschließung verbundenen erheblichen finanziellen Einbußen (Verdienstausfall, Betriebsausgaben). Die Maßnahme sei zum Schutz der Allgemeinheit nicht erforderlich gewesen. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Wie hat der BGH entschieden?

Gewerbetreibenden, die im Rahmen der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie als infektionsschutzrechtliche Nichtstörer durch eine flächendeckende, rechtmäßig angeordnete Schutzmaßnahme, insbesondere eine Betriebsschließung oder Betriebsbeschränkung, wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, stehen nach Ansicht des BGH weder nach den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes noch nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht oder kraft Richterrechts Entschädigungsansprüche zu. Weiterlesen

DSGVO: Darf das Finanzamt überhaupt noch Mietverträge anfordern?

Der Datenschutz ist ein hohes Gut. Bürgerinnen und Bürger sollen sicher sein, dass mit ihren personenbezogenen Daten sensibel umgegangen wird. Zwar gab es das Thema “Datenschutz” selbstverständlich auch schon vor dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Jahre 2018, doch seitdem haben die Diskussionen darüber, was erlaubt ist und was nicht, besonders Fahrt aufgenommen. Auch die Behörden müssen die DSGVO beachten, wobei ihnen allerdings einzelgesetzlich weitreichende Rechte eingeräumt werden. Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Finanzbehörden ist in § 29b AO geregelt. Danach gilt: Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine Finanzbehörde ist zulässig, wenn sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgabe oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die ihr übertragen wurde, erforderlich ist.

Nun hat es in diesem Zusammenhang ein interessanter Fall vor den BFH geschafft. Vereinfacht ausgedrückt lautet die Frage: Ist das Finanzamt berechtigt, von einem Vermieter die Mietverträge mit seinen Mietern anzufordern oder sind deren Rechte nach der DSGVO höher zu gewichten als das öffentliche Interesse (der Finanzverwaltung)? Das Aktenzeichen der Revision lautet IX R 6/23. Weiterlesen

Kindergeld für Kinder mit Behinderung: Abermals Schlappe für die Familienkasse

Ist ein Kind wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, wird den Eltern Kindergeld auch über das 25. Lebensjahr des Kindes hinaus gewährt. Voraussetzung ist, dass die Behinderung bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Früher galt eine Altersgrenze von 27 Jahren. Im Jahre 2021 hat der BFH dargelegt, wie die Fähigkeit zum Selbstunterhalt rechnerisch zu ermitteln ist, also welche Einkünfte und Bezüge dem Kind als eigene Mittel für seinen Unterhalt zuzurechnen sind und welche Beträge abgezogen werden dürfen (BFH-Urteil vom 27.10.2021, III R 19/19). Insofern kann auf den Blog-Beitrag “Kindergeld für Kinder mit Behinderung: Wie der BFH den Selbstunterhalt prüft” verwiesen werden.

Nun war der BFH wieder an der Reihe. Dieses Mal ging es um die Frage, ob die Einzahlung der Eltern in einen privaten Versicherungsvertrag, der dem Kind zugutekommt, für das Kindergeld schädlich ist. Besser gesagt: Es war zu entscheiden, ob die Rente, die das Kind aus dem Vertrag bezieht, in voller Höhe oder nur mit dem Ertragsanteil für die Beurteilung des Kindergeldanspruchs anzusetzen ist. Weiterlesen

Bilanzkontrolle im einstufigen System– ein erstes Fazit der Arbeit der Bafin nach dem Wirecard-Skandal

Sicherlich erinnern Sie sich: Seit dem letzten Jahr ist die Bafin allein für die Bilanzkontrolle zuständig. Als Folge des Wirecard-Skandals war die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) abgeschafft worden. Was hat sich seither bei der Bilanzkontrolle getan? Ziehen wir ein erstes Fazit, denn seit kurzem liegt der Tätigkeitsbericht der Bafin aus dem letzten Jahr vor.

Ein Novum: Bekanntmachung von Prüfungsanordnungen und Teilfehlerfeststellungen

Neben der Abschaffung der DPR hat sich durch Wirecard noch etwas anderes geändert: Die Bafin kann bei öffentlichem Interesse bereits die Prüfungsanordnung veröffentlichen. Was das bedeutet? Die Öffentlichkeit erfährt nicht erst mit der Fehlerfeststellung von der Prüfung eines Unternehmens, sondern bereits zu Beginn der Bafin-Prüfung.

Von dieser neu geschaffenen Möglichkeit hat die Bafin unter anderem in der Causa Adler Immobilien Gebrauch gemacht. Doch damit nicht genug: Auch bereits während der Prüfung können sog. Teilfehlerfeststellungen veröffentlicht werden.

Hier gab es im August und November letzten Jahres zwei Meldungen der Bafin zur Adler Group. Dass der Immobilienriese mit den Fehlerfeststellungen nicht einverstanden war, ist bei der derzeitigen Lage von Adler wenig überraschend. Weiterlesen

Doppelte Haushaltsführung: Wann eine ausreichende Kostenbeteiligung vorliegt

Wenn Berufstätige weit entfernt von ihrem Lebensmittelpunkt arbeiten und dort eine Wohnung nutzen, dürfen sie die Kosten einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abziehen. Die Betonung liegt aber auf dem Wort “doppelte”, denn schon rein begrifflich setzt der Abzug das Vorliegen eines zweiten Hausstandes voraus. Die Finanzverwaltung verlangt zumindest bei Ledigen im Übrigen den Nachweis, dass der Steuerpflichtige nachweislich mehr als zehn Prozent der monatlich regelmäßig anfallenden laufenden Kosten der heimatlichen Haushaltsführung übernimmt (BMF-Schreiben vom 24.10.2014, BStBl 2014 I S. 1412; BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl 2020 I S. 1228).

Schaut man ins Gesetz, finden sich die Worte “monatlich regelmäßig anfallend” allerdings nicht. Das BMF hat insoweit neue Tatbestandsmerkmale geschaffen. Daher hatte das Niedersächsische FG entschieden, dass eine regelmäßige Beteiligung an den laufenden Wohnungs- und Verbrauchskosten nicht erforderlich ist, da weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien hierauf hindeuten (Urteil vom 18.9.2019, 9 K 209/18). Der BFH hat das Urteil nun bestätigt (BFH-Urteil vom 12.1.2023, VI R 39/19). Weiterlesen

Ende der Immobilienparty – wie die Zinswende die Bilanzen von Immobilienkonzernen zusammenschrumpfen lässt

„Leg muss Wohnungsbestand abwerten.“ – „Vonovia schreibt rote Zahlen und verkauft Immobilien.“  – „Schuldenschnitt soll Corestate retten.“

Schlagzeilen wie diese liest man nun immer häufiger. Ist dies überraschend? Absolut nicht. Die Immobilienparty ist nun zu Ende. Das wollte lange Zeit niemand hören, denn schließlich haben viele an den immer weiter steigenden Preisen kräftig mitverdient. Die drastische Zinswende sorgt nunmehr dafür, dass immer mehr über sinkende Immobilienpreise berichtet wird. Schockstarre, Erdbeben – diese Begriffe habe ich in den letzten Wochen in Gesprächen, u.a. auch mit Vorständen börsennotierter Immobilienkonzerne immer häufiger gehört.

Wie ist es soweit gekommen? Welche Risiken drohen uns? Schauen wir uns diese Fragen etwas genauer an. Weiterlesen

Erbfallkostenpauschale auch ohne Erbfallkosten – das geht!

Die Erbschaftsteuer kann mitunter recht hoch ausfallen. Besonders gilt dies, wenn die Erben nicht mit dem Erblasser in gerader Linie verwandt sind. Von daher sollten Erben möglichst alle Frei- und Pauschbeträge ausnutzen. Einer dieser Beträge ist die Erbfallkostenpauschale gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG.

Zunächst gilt: Von dem Erbe, das der Erbschaftsteuer unterliegt, sind abzuziehen die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal, die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer sowie die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Ohne Nachweis wird für diese Kosten insgesamt ein Betrag von 10.300 EUR abgezogen. Doch was gilt, wenn de facto nur 40 oder 50 Euro Erbfallkosten entstanden sind? Oder kein einziger Cent? Dürfen auch in diesem Fall 10.300 Euro abgezogen werden? Weiterlesen

BMF-Diskussionsentwurf zum Mindeststeuergesetz: Globale Mindesteuer gewinnt an Fahrt

Das Bundesfinanzministerium hatte am 20.03.2023 den lang erwarteten Diskussionsentwurf zur nationalen Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung veröffentlicht.

Hintergrund

Die Umsetzung der globalen Mindesteuer gewinnt in Deutschland deutlich an Fahrt. So hatte das BMF bereits am 20.03.2023 einen Diskussionsentwurf veröffentlicht. Er dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2523 – auf die sich die EU-Mitgliedstaaten am15.12.2022 geeinigt haben – zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union.

Anwendungsgrundlagen

Die Mindestbesteuerungsregelungen sollen erstmals für Geschäftsjahre anzuwenden sein, die nach dem 30.12.2023 beginnen. Große Gruppen von Unternehmen sollen dann verpflichtet sein sicherzustellen, dass das Einkommen aller Mitglieder der Gruppe in den Jurisdiktionen ihrer Ansässigkeitsstaaten einer Besteuerung von effektiv 15% unterliegt (effektiver Mindeststeuersatz). Wird dieser nicht erreicht, so wird auf Ebene der obersten Muttergesellschaft eine zusätzliche Steuer in Höhe der Differenz zu zahlen sein.

Anwendung wird diese Regelegung auf multinationale und nationale Konzerne finden, die einen Gesamtjahresumsatz von mindestens 750 Mio. Euro in mindestens zwei von vier vorangehenden Geschäftsjahren erwirtschafteten. Liegt eine Gesellschaft des Konzerns in Deutschland, so soll das sog. Mindeststeuergesetz greifen.

Umfassende Neuordnung in Konzernen erforderlich?

Mit dem vorgesehenen Gesetz wird ein zusätzliches, neues Besteuerungssystem für große Unternehmensgruppen geschaffen werden, welches passgenau in das bestehende deutsche Unternehmensteuerrecht eingefügt werden muss. Der Umfang und die Detailfragen, welche weiterhin offen sind, können etwa an der Stellungnahme der Verbände abgeschätzt werden, welche diese gegenüber dem BMF am 25.04.2023 abgegeben haben: Auf insgesamt 119 Seiten werden hier wichtige Punkte gegenüber dem BMF adressiert.

Etwa wird darauf hingewiesen, dass die Umsetzung der globalen Mindeststeuer in Deutschland einen erheblichen Zusatzaufwand für die betroffenen Unternehmen hervorruft und so weit wie möglich durch praxistaugliche Vereinfachungen und Übergangsregelungen begrenzt werden sollte. Dabei stellt die komplexe Datenerfassung gem. der Verbändestellungnahme eine der größten Herausforderungen dar, welche zur Durchführung des neuen Besteuerungsverfahrens erforderlich ist und bei Fehlern zu weitreichenden Sanktionen führen kann.

Es bleibt abzuwarten, inwiefern die wichtigen Hinweise der Verbände eine Berücksichtigung erfahren werden. Der nunmehr im BMF wohl gestartete formale Gesetzgebungsverfahren wird zeigen, inwiefern offene Fragen geklärt und Lücken geschlossen werden können.

Vorsorgeaufwendungen: Kein Abzug in Deutschland bei Tätigkeit in Drittstaat

Wenn Vorsorgeaufwendungen, insbesondere Beiträge zur Renten-, Kranken- oder Pflegeversicherung, mit steuerfreien Einnahmen zusammenhängen, sind sie in Deutschland grundsätzlich nicht als Sonderausgaben absetzbar. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Vorsorgeaufwendungen sind als Sonderausgaben in der deutschen Steuererklärung absetzbar, soweit

  • sie in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit Arbeitslohn stehen, der in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem EWR-Staat oder der Schweiz erzielt wurde,
  • diese Einnahmen nach einem Doppelbesteuerungsabkommen im Inland steuerfrei sind und
  • der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG).

Vor nicht allzu langer Zeit hat der Bundesfinanzhof in einer Serie von Urteilen entschieden, dass Beiträge zur Pflegeversicherung aus dem EU-Ausland in Deutschland auch dann als Sonderausgaben absetzbar sind, wenn der Steuerpflichtige im Ausland zwar eine Entlastung für die Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung erhalten hat, aber eben nicht für die Pflegeversicherung. Das bedeutet: Die Wörter “keinerlei steuerliche Berücksichtigung” sind für den jeweiligen Versicherungszweig gesondert zu prüfen. Beachten Sie dazu den Blog-Beitrag “Vorsorgeaufwendungen: Abzug in Deutschland auch bei Auslandstätigkeit?

Es wurden also einige Fragen rund um Beiträge im Zusammenhang mit Einkünften aus dem EU-Ausland geklärt. Aber wie sieht es mit Beiträgen aus, die im Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften aus Drittstaaten stehen? Weiterlesen