Aufreger des Monats Mai: Hat ein Berufssoldat am jeweiligen Standort seine erste Tätigkeitsstätte?

Wenn es um die steuerliche Beurteilung von beruflichen Fahrten geht, ist es üblicherweise von Vorteil, wenn diese nicht als Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte gewertet werden, da die Fahrtkosten dann nach Reisekostengrundsätzen geltend gemacht werden können. Das Hessische Finanzgericht hat nun zuungunsten eines Berufssoldaten entschieden, dass dieser seine erste Tätigkeitsstätte an seinem Dienstort hat, wenn der zuvor erteilten Versetzungsverfügung keine kalendermäßige Befristung entnommen werden kann. Die Entscheidung dürfte sicherlich viele tausend Berufssoldaten betreffen (Hessisches FG, Urteil vom 17.1.2025, 4 K 561/21).

Der Sachverhalt in aller Kürze:

Der Kläger war zunächst Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr und schlug währenddessen die Offizierslaufbahn ein. Im Anschluss wurde der Kläger zum Berufssoldaten ernannt, zum Leutnant befördert und mittels Verfügung versetzt. Die Fahrtkosten zum aktuellen Standort machte er nach Dienstreisegrundsätzen geltend. Er begründete dies damit, dass es sich bei der Tätigkeit an der Dienststätte um eine Auswärtstätigkeit handeln würde. Aufgrund der damaligen Versetzungsverfügung sei er für einen Zeitraum von unter drei Jahren versetzt worden. Da dieser Zeitraum nicht über 48 Monate hinausgehe, sei er auswärts tätig. Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrtkosten aber lediglich mit der Entfernungspauschale. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Die Begründung – ebenfalls in aller Kürze

Die erste Tätigkeitsstätte ist eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer durch dienstrechtliche Weisungen zugeordnet wurde und wo er dauerhaft tätig werden soll. Dauerhaft soll der Arbeitnehmer an einem Ort tätig werden, wenn er dort für unbestimmte Zeit, einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten oder für den gesamten Zeitraum eines Dienstverhältnisses tätig werden soll.

Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Kläger dem Standort zuzuordnen, war dauerhaft. Es erfolgte keine unbefristete Zuordnung zu der Dienststelle. Insbesondere kann der Versetzungsverfügung keine kalendermäßige Befristung entnommen werden. Der Umstand, dass in der in Verfügung als voraussichtliche Verwendungsdauer ein bestimmter Zeitpunkt genannt wird, spielt keine Rolle. Vielmehr ist es so, dass die (bloße) Voraussichtlichkeit der Verwendung schon nach dem Wortsinn keine feste Bindung der Bundeswehr an die betreffende Verwendungsdauer beinhaltet; sie beschreibt lediglich den nach der jeweiligen (gegenwärtigen) Sachlage geplanten Verwendungszeitraum.

Eine befristete Dauer der Zuordnung zu der neuen Tätigkeitsstätte ergibt sich im Streitfall auch nicht aus der Art, dem Zweck oder der Beschaffenheit der Tätigkeit. Dass der Kläger, wie im öffentlichen Dienst bei Soldaten und Beamten insbesondere im Zusammenhang mit der weiteren Karriere und einer Beförderung üblich, möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt – aus ex-ante-Sicht – an eine andere Dienststätte versetzt werden könnte führt nicht dazu, dass es sich bei der vorangegangenen Zuordnung nicht um eine dauerhafte Zuordnung handelt. Es existiert diesbezüglich nämlich weder ein Automatismus noch ist von vornherein festgelegt oder bestimmt, dass es zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu einer Änderung der Verwendung oder des Dienstortes des Beamten oder Soldaten kommt (Details s. NWB Online-Nachricht: Erste Tätigkeitsstätte eines Berufssoldaten)

Denkanstoß:

Der Kläger hat Nichtzulassungsbeschwerde erhoben (Az. des BFH: VI B 5/25). Es ist zu hoffen, dass der BFH zu dem Thema Stellung nimmt. Soweit ersichtlich steht eine höchstrichterliche Entscheidung zu Berufssoldaten nämlich noch aus – sieht man einmal von dem positiven Urteil vom 8.8.2013 (VI R 27/12) ab, das allerdings noch zur alten Rechtslage ergangen ist.

Zu Zeitsoldaten hatte der BFH hingegen erst im Jahre 2022 Stellung genommen und wie folgt entschieden: Ein Zeitsoldat kann an dem Bundeswehrstandort, dem er dauerhaft zugeordnet ist, eine erste Tätigkeitsstätte begründen. Der Umstand, dass ein Soldat (auf Zeit) unter Beachtung der dienstrechtlichen Vorschriften (jederzeit) auch einem anderen Bundeswehrstandort zugeordnet werden kann, steht einer dauerhaften Zuordnung nicht entgegen (BFH-Urteil vom 22.11.2022, VI R 6/21).

Warum ist das Urteil für mich der Aufreger des Monats?

Weil das FG die Revision nicht zugelassen hat, obwohl – wie erwähnt – eine höchstrichterliche Entscheidung noch aussteht und weil der BFH – wenn auch zur alten Rechtslage – in der Versetzungsverfügung durchaus eine Befristung gesehen hatte. Ganz zu schweigen von der Breitenwirkung des Urteils. Da haben viele Gerichte schon aus wesentlich geringerem Anlass die Revision zugelassen. Beachten Sie zu dem Thema „Erste Tätigkeitsstätte von Soldaten“ auch den Blog-Beitrag „Zeitsoldaten: Erste Tätigkeitsstätte bei Ausbildungsverhältnis zu einer Gemeinde„.

Ein Beitrag von:

  • Christian Herold

    • Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
    • Autor zahlreicher Fachbeiträge
    • Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe

    Warum blogge ich hier?

    Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.

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