Berufskraftfahrer und die Tücken bei der Berechnung der Übernachtungspauschale

Berufskraftfahrern, die in der Schlafkabine ihres Lkw übernachten, entstehen Aufwendungen für die Benutzung der sanitären Einrichtungen auf Raststätten (Dusche, Toilette) sowie für die Reinigung der Schlafkabine im Lkw (Bettwäsche). Seit dem 1.1.2020 können Berufskraftfahrer immerhin eine Übernachtungspauschale geltend machen. Diese betrug bis zum 31.12.2023 pro Kalendertag 8 Euro. Zum 1.1.2024 wurde sie auf 9 Euro angehoben (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG). Die Pauschale gilt nach dem Gesetzeswortlaut „für Kalendertage .., an denen der Arbeitnehmer eine Verpflegungspauschale …. beanspruchen könnte“.

Der BFH muss in diesem Zusammenhang nun folgende Frage beantworten (Az. VI R 6/25): Steht Berufskraftfahrern bei mehrtägiger Auswärtstätigkeit die Übernachtungspauschale nur für tatsächlich im Lkw verbrachte Übernachtungen zu oder ist sie auch für den An- und Abreisetag zu gewähren? Die Vorinstanz, das Thüringer Finanzgericht, hat entschieden, dass die Pauschale nur für tatsächliche Übernachtungen zu gewähren ist (Urteil vom 18.6.2024, 2 K 534/22).

Der Sachverhalt:

Der Kläger ist Berufskraftfahrer im Fernverkehr und war oftmals mehrere Tage unterwegs. In der Steuererklärung für das Jahr 2020 machte er Verpflegungsmehraufwendungen für 220 Tage geltend; davon waren viele Tage reine An- und Abreisetage. Er beantragte auch die Übernachtungspauschale von 8 Euro für 220 Tage, obwohl er unstreitig nur 166 mal im Lkw übernachtet hatte. Er berief sich neben dem Gesetzeswortlaut auf das BMF-Schreiben vom 25.11.2020 (BStBl 2020 I S. 1228, Rz. 131), das seine Auffassung durchaus unterstützen würde. Das Finanzamt gewährte die Pauschale dennoch nur für die 166 tatsächlichen Übernachtungen. Hiergegen wandte sich der Kläger erfolglos.

Die Begründung:

Die Übernachtungspauschale ist zwar für die Kalendertage zu gewähren, für die ein Anspruch auf Verpflegungsmehraufwendungen besteht. Hinzukommen muss aber eine tatsächliche Übernachtung im Lkw. Aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG ergibt sich nichts anderes, da von notwendigen Mehraufwendungen gesprochen wird. Eine andere Auslegung widerspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der ausdrücklich die Gewährung des „neuen” gesetzlichen Pauschbetrages anstelle der tatsächlichen Mehraufwendungen nur dann zulässt, wenn dem Grunde nach tatsächlich Aufwendungen entstanden sind (BT-Drs. 19/13436).

Denkanstoß:

Das FG hatte die Revision nicht zugelassen. Diese wurde aber per Nichtzulassungsbeschwerde erreicht. Entweder war diese besonders gut begründet und/oder der BFH hält die Sache für sehr bedeutsam. Jedenfalls sollten entsprechende Fälle vorerst offengehalten werden. Ich wage keine Prognose zum Ausgang des Verfahrens.

Der Vollständigkeit halber: Es können auch höhere Aufwendungen als 8 Euro bzw. 9 Euro nachgewiesen und geltend gemacht werden. Die Entscheidung, die tatsächlichen Mehraufwendungen oder den gesetzlichen Pauschbetrag geltend zu machen, kann aber nur einheitlich im Kalenderjahr erfolgen.

Ein Beitrag von:

  • Christian Herold

    • Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
    • Autor zahlreicher Fachbeiträge
    • Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe

    Warum blogge ich hier?

    Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.

Kommentare zu diesem Beitrag:

Eine Antwort

  1. Ich halte die tagesbezogene Auslegung des Finanzgerichtes, dass auch am An- bzw. Abreisetag eine Übernachtung vorliegen muss, keineswegs für zwingend richtig. Ziel war eine Vereinfachung durch das Anknüpfung an die gesetzlichen Regelungen zu den Verpflegungspauschalen (so ausdrücklich in BT-Druck 19/13436, Seite 108).
    Die Gesetzesbegründung spricht von „üblicherweise während einer mehrtägigen beruflichen Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kraftfahrzeug des Arbeitgebers entstehenden Mehraufwendungen“. Und weiter:

    „Der Pauschbetrag in Höhe von 8 Euro pro Kalendertag kann zusätzlich zu den gesetzlichen Verpflegungspauschalen für folgende Tage beansprucht werden:
    – den An- oder Abreisetag sowie
    – jeden Kalendertag mit einer Abwesenheit von 24 Stunden (…)“

    Eine Vereinfachung erreiche ich jedoch nicht, wenn ich jeden An- bzw. Abreisetag untersuchen muss, ob der Fahrer nach oder vor der Fahrt noch im LKW geschlafen hat oder nicht. Aus der Gesetzesbegründung kann ich nicht herauslesen, dass das so gedacht war (und so legt es wohl auch kein Standard-Kommentar aus).

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