BGH verhandelt zum digitalen Nachlass

Im Zeitalter der digitalen Kommunikation stellt sich auch die Frage, was mit digitalen Inhalten passiert, wenn ein Erbfall eintritt. Diese Frage wurde in jüngerer Zeit kontrovers diskutiert. Bringt ein beim BGH anhängiger Fall endlich Klarheit?

Was ist geschehen?

Ein 15jähriges Mädchen wird von einer U-Bahn erfasst und stirbt. Der Fahrer verlangt von den Eltern, die Erben ihrer Tochter geworden sind, die Zahlung von Schmerzensgeld. Es habe sich nicht um einen Unfall gehandelt. Das Mädchen habe vielmehr Suizid begangen.

Die Eltern erhoffen sich Aufklärung über die Hintergründe des Geschehens durch Einsichtnahme in das Benutzerkonto ihrer Tochter bei Facebook. Sie hatte ihnen die Zugangsdaten bei Einrichtung des Benutzerkontos mitgeteilt. Der Zugriff ist den Eltern aber nicht mehr möglich, denn Facebook hat auf bis heute ungeklärte Weise Kenntnis vom Tod des Mädchens erlangt und ihr Benutzerkonto in den „Gedenkzustand“ versetzt, so dass es auch bei Eingabe der Zugangsdaten nicht mehr zugänglich ist.
Die Mutter der Verstorbenen klagt deshalb gegen Facebook auf Zugangsverschaffung zum Benutzerkonto und Einsichtnahme in alle dort vorgehaltenen Kommunikationsinhalte. Das LG Berlin gab der Klage statt, doch Facebook legte Berufung ein und das KG Berlin wies die Klage in zweiter Instanz ab. Gegen dieses Urteil legte die Mutter Revision beim BGH ein. Am 21.6.2018 fand nun die mündliche Verhandlung vor dem III. Zivilsenat statt, der voraussichtlich am 12.7.2018 seine Entscheidung verkünden wird.

Rechtliche Fragen

Es stellen sich insbesondere die folgenden Fragen:

  • Gehören digitale Hinterlassenschaften, insbesondere Kommunikationen in digitaler Form überhaupt zum vererbbaren Vermögen?
  • Muss man ggf. nach den Inhalten der Kommunikation differenzieren, etwa nach privaten und geschäftlichen Inhalten?
  • Kann eine Vererbbarkeit von dem jeweiligen Dienstanbieter wirksam ausgeschlossen werden, insbesondere durch AGB?
  • Stehen die Rechte der Kommunikationspartner der Verbbarkeit ggf. entgegen?

Die mündliche Verhandlung vor dem BGH

In der mündlichen Verhandlung hat der III. Zivilsenat durch seinen Vorsitzenden recht deutlich zu erkennen gegeben, wie er diese Fragen wohl beantworten wird.

Die Rechtsnachfolge in Verträge über digitale Dienstleistungen richtet sich, wie der Senat klarstellte, grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften, also insbesondere nach § 1922 BGB. Einer Differenzierung nach privaten und geschäftlichen Inhalten erteilte der Senat eine eindeutige Absage. Auch sei der Nutzungsvertrag mit Facebook nicht so sehr an die Person des Vertragspartners gebunden, als dass sich hieraus ein Ausschluss der Vererbbarkeit ergeben könnte (Rechtsgedanke der §§ 38, 399 BGB).

Ein Ausschluss der Vererbbarkeit, so der Senat weiter, könne zwar auch vertraglich vereinbart werden. Allerdings sei die Gedenkzustandsrichtlinie von Facebook nicht wirksam gem. § 305 BGB als AGB in den Nutzungsvertrag einbezogen worden, da sie im Hilfebereich und nicht bei den Nutzungsbedingungen von Facebook zu finden ist. Zudem, so der Senat weiter, dürfte es nach § 307 BGB (Inhaltskontrolle) schon grundsätzlich unzulässig sein, in AGB den Ausschluss der Vererbbarkeit zu vereinbaren.

Schließlich können die Nutzer von Facebook auch nicht erwarten, dass ihre Kommunikation mit dem Erblasser einer absoluten Vertraulichkeit unterliegt. Zum einen seien die Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers nicht „andere“ im Sinne des § 88 Abs. 3 TKG (Fernmeldegeheimnis). Zum anderen sei es im Bereich der analogen Kommunikation gerade die Regel, dass bspw. die Briefschaften des Erblassers Teil des Nachlasses sind (§§ 2047 Abs. 2, 2373 S. 2 BGB). Darüber hinaus, so der Senat weiter, sei die Kommunikation bei Facebook auch nicht so ausgestaltet, dass man mit der Geheimhaltung rechnen könne.

Bewertung

Das vom Senat angedeutete Urteil ist sowohl vom Ergebnis als auch von den Begründungen her zu begrüßen. Insbesondere zeigt sich, dass die Probleme des digitalen Nachlasses mit den bekannten Wertungen des BGB sachgerechten Lösungen zugeführt werden können. Der Senat hält offensichtlich eine gesetzliche Regelung des digitalen Nachlasses, wie sie bspw. der Deutsche Anwaltverein und auch so mancher Fachautor noch kürzlich gefordert haben, für nicht erforderlich. Dogmatischen Irrwegen in der Diskussion um den digitalen Nachlass hat der Senat zudem eine deutliche Absage erteilt. Die Nachlassgestaltung darf nicht von den Entscheidungen der Anbieter digitaler Dienstleistungen abhängen, sondern muss weiter in den Händen der Erblasser verbleiben.

Weitere Informationen:


Produktempfehlung:

Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechtspraxis
 


 

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