DSGVO: Darf das Finanzamt überhaupt noch Mietverträge anfordern?

Der Datenschutz ist ein hohes Gut. Bürgerinnen und Bürger sollen sicher sein, dass mit ihren personenbezogenen Daten sensibel umgegangen wird. Zwar gab es das Thema „Datenschutz“ selbstverständlich auch schon vor dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Jahre 2018, doch seitdem haben die Diskussionen darüber, was erlaubt ist und was nicht, besonders Fahrt aufgenommen. Auch die Behörden müssen die DSGVO beachten, wobei ihnen allerdings einzelgesetzlich weitreichende Rechte eingeräumt werden. Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Finanzbehörden ist in § 29b AO geregelt. Danach gilt: Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine Finanzbehörde ist zulässig, wenn sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgabe oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die ihr übertragen wurde, erforderlich ist.

Nun hat es in diesem Zusammenhang ein interessanter Fall vor den BFH geschafft. Vereinfacht ausgedrückt lautet die Frage: Ist das Finanzamt berechtigt, von einem Vermieter die Mietverträge mit seinen Mietern anzufordern oder sind deren Rechte nach der DSGVO höher zu gewichten als das öffentliche Interesse (der Finanzverwaltung)? Das Aktenzeichen der Revision lautet IX R 6/23.

Der Fall ist – im Kern – schnell erzählt: Der Kläger erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus mehreren Objekten. Das Finanzamt hätte dazu gerne die aktuellen Mietverträge und Nebenkostenabrechnungen gesehen. Der Vermieter kommt der Aufforderung aber nur teilweise nach. So übersendet er dem Finanzamt zwar bestimmte Aufstellungen, doch die Namen der Mieter hat er geschwärzt. Die angeforderten Mietverträge und Nebenkostenabrechnungen reicht er erst gar nicht ein. Er teilt mit, dass die Offenlegung dieser Unterlagen im Hinblick auf die Grundsätze der DSGVO ohne vorherige Einwilligung der Mieter nicht möglich sei. Zudem sei eine Berechtigung zur Unterlagenanforderung nicht ersichtlich, da die Mietverträge zur Prüfung der tatsächlichen Einkünfte untauglich seien. Gegen die Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen erhebt der Vermieter Einspruch.

Sein Rechtsbehelf und die anschließende Klage vor dem FG Nürnberg bleiben erfolglos (Urteil vom 1.2.2023, 3 K 596/22). Die Urteilsbegründung möchte ich hier nicht weiter ausführen. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass eine Interessensabwegung „DSGVO versus öffentliches Interesse“ zugunsten des Fiskus ausfällt. Das ist wenig überraschend. Aber: Da eine höchstrichterliche Entscheidung zu einem Vorlageverlangen des Finanzamts unter Berücksichtigung der Grundsätze des DSGVO noch nicht vorliege, sei die Revision zuzulassen. Diese liegt zwischenzeitlich vor.

Denkanstoß:

Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass die Revision erfolgreich sein wird, doch wer weiß. Im Übrigen könnte ein eventuelles Urteil darauf hinauslaufen, dass entsprechende Anforderungen der Finanzämter zwar zulässig sind, doch jedes Mal eine ausführliche Begründung erforderlich wird und die Angemessenheit dargelegt werden muss. Das würde die Finanzämter enorm belasten.

Nun habe ich an die Leser dieses Blogs einen Punkt, den ich gerne zur Diskussion stellen würde: Müssen Vermieter angesichts der „schwebenden Revision“ derzeit stets Einspruch einlegen, wenn sie vom Finanzamt zur Vorlage der Mietverträge aufgefordert werden? Oder anders ausgedrückt: Machen sie sich gar schadenersatzpflichtig, wenn sie der Aufforderung des Finanzamts nachkommen, ohne zuvor alle Rechtsmittel ausgeschöpft zu haben? Ich freue mich auf zahlreiche Kommentare.


3 Gedanken zu “DSGVO: Darf das Finanzamt überhaupt noch Mietverträge anfordern?

  1. Mit großer Faszination habe ich die vorgestellte juristische Problematik bezüglich des Konfliktes zwischen dem Datenschutz (DSGVO) und den Befugnissen der Finanzbehörden aufmerksam verfolgt. Insbesondere die Rolle des Steuerrechts, welches durch kontinuierliche Weiterentwicklungen gekennzeichnet ist, spielt eine entscheidende Rolle in diesem Spannungsfeld. Die detaillierten Ausführungen des Autors unterstreichen die Komplexität dieser Angelegenheit. Daher könnte eine Rücksprache mit einem spezialisierten Steuerrechtler, deren fundiertes Know-how in diesem Bereich, von großem Wert sein. Um tiefer in die Thematik einzusteigen, würde mich interessieren, ob der Autor eine Einschätzung darüber hat, wie sich das Verhältnis von Datenschutz und Steuerrecht in der Zukunft weiterentwickeln könnte? Letztendlich zeigt Ihr Beitrag eindrucksvoll auf, wie vielschichtig und dynamisch die juristischen Aspekte rund um Steuerrecht und Datenschutz sind.

  2. Spannende Fragestellung! Die Balance zwischen Datenschutz und dem öffentlichen Interesse der Finanzverwaltung ist in der Tat ein zentraler Punkt, der noch klare rechtliche Richtlinien erfordert. Es ist interessant zu sehen, wie sich die Grenzen im digitalen Zeitalter ständig verschieben. Vor dem Hintergrund des Medizinrechts in Berlin stellt sich mir die Frage, ob auch medizinische Institutionen oder Dienstleister in ähnlicher Weise durch die DSGVO herausgefordert sind?
    Vielleicht könnten hier parallele Debatten und Erfahrungen hilfreich sein. Herr Herold, haben Sie bereits ähnliche Diskussionen im medizinrechtlichen Kontext erlebt oder wissen Sie von Fällen, bei denen der Datenschutz im Gesundheitswesen ähnliche Fragen aufwirft?

  3. Vielen Dank für Ihren Hinweis: Leider kann ich als Steuerberater zum Thema „Datenschutz im Gesundheitswesen“ nicht allzu viel beitragen. Als Steuerberater ist man allerdings dann gefragt, wenn es im Rahmen von Betriebsprüfungen bei Berufsgeheimnisträgern zu Konflikten zwischen dem Auskunftsanspruch des Finanzamts und dem Datenschutz kommt. Aktuell kann ich insoweit auf den BFH-Beschluss vom 30.6.2023, VIII B 13/22 aufmerksam machen.
    MfG
    Christian Herold

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