Ist die Höhe der Aussetzungszinsen verfassungswidrig?

Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Höhe der Nachzahlungszinsen für verfassungswidrig erklärt hatte (BVerfG-Urteile vom 8.7.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17), war zu erwarten, dass sich die Steuerbürger auch gegen die Höhe anderer Zinsen und Zuschläge des Fiskus zur Wehr setzen würden. Zuletzt hat der BFH zwar mehrfach entschieden, dass an der Höhe der Säumniszuschläge keine verfassungsrechtlichen Zweifel bestehen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16.7.2024, XI B 37/23; BFH-Beschluss vom 21.3.2025, X B 21/25).

Doch hinsichtlich der Höhe der Aussetzungszinsen kommt nun „Bewegung ins Spiel“.

Beschluss des BFH

Der BFH hält den gesetzlichen Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat für Aussetzungszinsen für verfassungswidrig – zumindest im Zeitraum vom 1.1.2019 bis zum 15.4.2021. Während einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase sei der gesetzliche Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat der Höhe nach nicht (mehr) erforderlich, um den durch eine spätere Zahlung typischerweise erzielbaren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen. Der BFH hat daher das Bundesverfassungsgericht angerufen (BFH-Beschluss vom 8.5.2024, VIII R 9/23, Az. des BVerfG: 1 BvL 8/24).

Beschluss des FG Köln

Nun hat auch das FG Köln ernstliche Zweifel an der Höhe des Zinssatzes für Aussetzungszinsen geäußert. Dabei geht es sogar um den Zeitraum Februar 2023 bis November 2024, also um eine Phase, in der die Zinsen sowohl für Verbindlichkeiten als auch für Geldanlagen längst gestiegen sind (FG Köln, Beschluss vom 8.4.2025, 4 V 444/25).

Nicht nur eine anhaltende Niedrigzinsphase begründe verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe des Zinssatzes für Aussetzungszinsen. Vielmehr habe auch bereits der BFH den mangelnden Gleichlauf der Verzinsung von Steuernachzahlungen (Nachzahlungszinsen von 0,15 Prozent ab 2019) und der Aussetzung der Vollziehung (Aussetzungszinsen von 0,5 Prozent) moniert. Die Entscheidung des FG Köln, die allerdings nur in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen ist, ist rechtskräftig. Das Finanzamt hat die zugelassene Beschwerde nicht eingelegt.

Denkanstoß:

Betroffene sollten sich nun ebenfalls gegen die Höhe der Aussetzungszinsen zur Wehr setzen. Eine andere Frage ist allerdings, ob eine Aussetzung der Vollziehung überhaupt beantragt werden soll, wenn genügend liquide Mittel vorhanden sind, um die Steuer (zunächst) zu entrichten. Die einen vertreten hierzu – wenn man so will – eine eher konservative Linie und raten zumindest dann zur Zahlung, wenn die Erfolgsaussichten eines Einspruchs nicht bei nahezu 100 Prozent liegen. Andere nehmen das Risiko hoher Aussetzungszinsen hingegen billigend in Kauf. Letztlich muss das jeder für sich entscheiden.

Ein Beitrag von:

  • Christian Herold

    • Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
    • Autor zahlreicher Fachbeiträge
    • Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe

    Warum blogge ich hier?

    Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.

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