Kleinunternehmer und die Tücken der 100.000-Euro-Grenze

Zum 1. Januar 2025 ist die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG in mehreren Punkten entscheidend geändert worden. Besonders wichtig: Ab dem Zeitpunkt des Überschreitens der Umsatzgrenze von nunmehr 100.000 Euro entfällt die Kleinunternehmerschaft „automatisch“, und zwar gegebenenfalls auch unterjährig – es kommt nicht mehr auf eine Prognose an. Mit dem zwangsweisen Wegfall der Kleinunternehmerschaft und dem damit verbundenen Übergang zur Regelbesteuerung wird immerhin der Vorsteuerabzug ermöglicht.

Was aber passiert eigentlich, wenn beispielsweise Waren zu einem Zeitpunkt vor dem Übergang zur Regelbesteuerung eingekauft werden, sie aber erst nach Überschreiten der Umsatzgrenze von 100.000 Euro weiterverkauft werden?

Das BMF-Schreiben vom 10.11.2025

Jüngst hat das BMF zum Vorsteuerabzug beim Übergang von der Kleinunternehmer- zur Regelbesteuerung Stellung (und umgekehrt) genommen. Und die Anweisung hat es in sich (BMF-Schreiben vom 10.11.2025, III C 2 – S 7300/00080/004/019). So heißt es dort unter anderem:

Hat ein Unternehmer, der von der Steuerbefreiung nach § 19 Abs. 1 oder 4 UStG zur allgemeinen Besteuerung übergeht, bereits vor dem Übergang Leistungen bezogen, die er erst nach dem Übergang zur Ausführung von dann zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen zu verwenden beabsichtigt, ist der Vorsteuerabzug dennoch für Zeiträume vor dem Übergang zur Regelbesteuerung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 3 UStG ausgeschlossen. Dies gilt auch, wenn der Übergang – z.B. wegen des Überschreitens der Grenzen in § 19 Abs. 1 UStG – bereits wahrscheinlich, aber noch nicht tatsächlich erfolgt ist.

Der tatsächliche Übergang zur Regelbesteuerung stellt dann eine Änderung der Verhältnisse dar, weshalb für die entsprechenden Vorsteuerbeträge nur unter den Voraussetzungen des § 15a UStG und unter Beachtung der Bagatellgrenzen des § 44 UStDV eine Vorsteuerberichtigung zu Gunsten des Unternehmers möglich ist.

Umgekehrt stellt auch der Übergang von der Regel- zur Kleinunternehmerbesteuerung eine Änderung der Verhältnisse dar, weshalb ein zuvor vorgenommener Vorsteuerabzug nach dem Übergang unter den Voraussetzungen des § 15a UStG und unter Beachtung der Bagatellgrenzen des § 44 UStDV zu Lasten des Unternehmers zu berichtigen ist.

Denkanstoß:

Wenn bei einem Kleinunternehmer absehbar ist, dass die Umsatzgrenze von 100.000 Euro alsbald erreicht wird und damit „zwangsweise“ der Übergang zur Regelbesteuerung erfolgt, sollten Eingangsleistungen – soweit möglich und wirtschaftlich sinnvoll – erst ab dem Übergang zur Regelbesteuerung bezogen werden.

Um es klar zu sagen: Es gibt keinerlei Billigkeits- oder Ausnahmeregelung. Und ob der Verweis auf eine mögliche Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG den Betroffenen wirklich weiterhilft? Ich möchte es bezweifeln, denn erst einmal muss überhaupt eine „15a-fähige“ Leistung bezogen worden sein. Und dann muss auch noch die Bagatellgrenze nach § 44 Abs. 1 UStDV beachtet werden. Jedenfalls ist Vorsicht angebracht.

Das heißt: Bei Kleinunternehmern ist eine fortlaufende Überwachung des Gesamtumsatzes angebracht, um das Überschreiten der Umsatzobergrenze frühzeitig feststellen zu können und um den Leistungsbezug gegebenenfalls zeitlich „steuern“ zu können. Mitunter ist auch an einen frühzeitigen Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu denken.

Weitere Informationen:
NWB Online-Nachricht: Vorsteuerabzug aus einem Leistungsbezug vor dem Übergang des Unternehmers zur Regelbesteuerung bzw. Kleinunternehmerregelung (BMF)

Ein Beitrag von:

  • Christian Herold

    • Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
    • Autor zahlreicher Fachbeiträge
    • Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe

    Warum blogge ich hier?
    Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.

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