Leichter erben in Europa – die neue EU-ErbVO

Die Erben eines ab dem 17.08.2015 im Ausland verstorbenen Deutschen können sich möglicherweise wundern. Denn ab diesem Zeitpunkt gilt die neue europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO). Für den deutschen „Mallorca-Rentner“ kann spanisches Erbrecht gelten! Das kann z.B. auch für die Erben eines Deutschen gelten, der längere Zeit im EU-Ausland arbeitet!

Was gilt?

Die wichtigste Änderung ist, dass sich das anzuwendende Erbrecht ab diesem Datum grundsätzlich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Verstorbenen (des sog. Erblassers) richtet (Artikel 21 EU-ErbVO). Daneben wird ein europäisches Nachlasszeugnis eingeführt (Artikel 62 ff. EU-ErbVO). Dies ähnelt dem deutschen Erbschein. Es gilt in allen Mitgliedsstaaten der Union, außer dem Vereinigten Königreich, Irland und Dänemark.

Im Einzelnen:

Planen Sie rechtzeitig

Die neue EU-ErbVO gilt für die Rechtsnachfolge von Todes wegen, also die gesetzliche Erbfolge oder eine Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag). Nicht darunter fallen Fragen des Güterrechts, wie unentgeltliche Zuwendungen, also z.B. Lebensversicherungen und Sparbücher zu Gunsten Dritter auf den Todesfall. Die Pflichtteilsberechnung richtet sich auf jeden Fall nach der neuen EU-ErbVO.

Doch sind in diesem Bereich nicht alle Probleme geklärt. Dies gilt insbesondere im Sachenrecht, also z.B. dem Eigentumsübergang bei einem Grundstücksvermächtnis.

Der letzte gewöhnliche Aufenthalt

Die wichtigste Änderung ist die Anknüpfung der erbrechtlichen Folgen an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Dies zu ermitteln kann mit großen Schwierigkeiten verbunden sein. Denken Sie nur an den Mallorca-Rentner, der deutscher Staatsangehöriger ist, in der kalten Jahreszeit auf Mallorca lebt und im Übrigen auch häufig in seinem Haus in Südtirol. Zusätzlich hat er noch eine Immobilie an der Côte d´Azur in Frankreich. Wo liegt also dessen gewöhnlicher Aufenthalt? Welches Erbrecht gilt?

Bei der Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts kommt es auf eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers an, also z.B. wie oft er sich in dem bestimmten Staat aufhält, ob er Bindungen insbesondere familiärer oder sozialer Art in dem bestimmten Staat hat, ob er in diesem Staat arbeitet oder die Landessprache kennt etc. Dies kann also zu großen (und damit kostspieligen) Problemen bei der Feststellung des geltenden Erbrechts führen.

Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist keine Geschäftsfähigkeit erforderlich. Der gewöhnliche Wohnsitz wird nach objektiven Kriterien festgelegt. Dies gilt also auch z.B. für den Demenzkranken. Ob er geschäftsfähig ist, spielt keine Rolle.

Rechtswahl

Ausländische Regelungen können stark vom deutschen Recht abweichen; sie können sowohl Vorteile wie Nachteile im Vergleich zum deutschen Recht aufweisen. Jeder Betroffenen kann sich daher beraten lassen, ob er die Geltung eines bestimmten (fremden) Erbrechts wünscht. Doch dabei ist auch zu beachten, dass es der Durchsetzung dieses fremden Erbrechtes vor Ort der Hilfe von Notaren, Rechtsanwälten oder Gerichten bedarf, was häufig mit höheren Kosten verbunden ist.

Wer möchte, dass das deutsche Erbrecht gilt und wer sich gewöhnlich im Ausland aufhält, sollte daher ausdrücklich in seinem Testament oder Erbvertrag festlegen, dass das deutsche Erbrecht gilt. Ansonsten gilt das das fremde Erbrecht.

Bei Unsicherheit:

Rechtswahl Aufgrund der aufgezeigten Unsicherheiten ist zu empfehlen, dass sicherheitshalber eine Rechtswahl zu Gunsten Ihres Heimatsrechts erfolgt, wenn dies gewünscht ist.

Neue und alte Testamente

Bei der Erstellung eines neuen Testaments oder Erbvertrages sollten also die Regelungen der EU-ErbVO unbedingt bedacht werden. Doch auch alte Testamente sind dahingehend zu überprüfen, ob eine Rechtswahl zu Gunsten eines bestimmten Staates, insbesondere des Heimatstaates, sinnvoll ist. Denn ansonsten kann es zu einem bösen Erwachen für die Erben kommen.

Was tun?

Rechtzeitige Beratung ist in den Fällen erforderlich, in denen das Risiko besteht, dass ein deutscher Staatsangehöriger überwiegend im EU-Ausland lebt (außer den aufgezeigten Ausnahmen), dort verstirbt und eigentlich die Geltung des deutschen Erbrechts wollte.

Beachte: Erbrecht ist nicht Erbschaftsteuerrecht. Die deutschen Regelungen gelten lange weiter. Eine Beratung sollte daher immer auch das Erbschaftsteuerrecht, das Außensteuergesetz und das Einkommensteuerrecht umfassen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

+ 10 = 17