Fitnessstudios, aber auch andere Unternehmen und Einrichtungen, mussten im Frühjahr 2020, das heißt während des Lockdowns, aufgrund behördlicher Anweisung wochenlang schließen. Viele Studios hatten ihren Mitgliedern während des Lockdowns angeboten, dass der Zeitraum, in dem die Mitglieder nicht trainieren konnten, am Ende der Mitgliedschaft beitragsfrei angehängt wird -vorausgesetzt, die Mitglieder hatten nicht auf einer Rückzahlung ihrer Beiträge bestanden.
Zwar beharrten viele Mitglieder auf der Rückzahlung der Beiträge. Doch eine nennenswerte Anzahl hatte sich offenbar damit einverstanden erklärt, dass ihnen statt einer Rückerstattung später „kostenfreie“ Zusatzmonate gewährt werden. Nun hat der BFH entschieden, dass Beiträge, die Fitnessstudios vor bzw. während der Lockdowns vereinnahmt haben, umsatzsteuerbar sind, auch wenn während des Lockdowns selbst keine Leistung erbracht wurde, sondern den Mitgliedern besagte Zusatzmonate gewährt wurden (BFH-Urteile vom 13.11.2024, XI R 5/23 sowie XI R 36/22).
Der Sachverhalt (XI R 5/23):
Der Kläger betrieb im Jahr 2020 in ein Fitnessstudio. Die Laufzeit einer Mitgliedschaft in seinem Fitnessstudio betrug je nach Vereinbarung 12 oder 24 Monate. Das Fitnessstudio des Klägers war in der Zeit vom 17.3.2020 bis zum 17.5.2020 aufgrund einer Landesverordnung pandemiebedingt geschlossen. Während des Lockdowns bot der Kläger seinen Mitgliedern an, dass der Zeitraum, in dem die Mitglieder nicht trainieren konnten, am Ende der Mitgliedschaft beitragsfrei angehängt wird. Auch wurden Online-Kurse angeboten und andere Aktivitäten entwickelt, um die Mitglieder nicht zu verlieren.
In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate April und Mai 2020 erklärte der Kläger für den Betrieb des Fitnessstudios (für Mai anteilig) keine Umsätze zu 19 Prozent und kündigte zugleich eine Berichtigung für den Voranmeldungszeitraum März 2020 an. Es seien während der angeordneten Schließzeit keine Leistungen an die Mitglieder erbracht worden. Er berechnete für März und Mai 2020 (nur) die Schließzeiten taggenau als umsatzlos anteilig aus den eingegangenen Mitgliedsbeiträgen heraus.
Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass die Umsätze steuerbar seien. Den Mitgliedern gegenüber sei die Zusage erteilt worden, dass eine Beitragsfortzahlung zu einer Zeitgutschrift führe. Zwischen der jeweiligen Zahlung und der in Aussicht gestellten Leistung bestehe ein innerer Zusammenhang, der einen Leistungsaustausch begründe. Die nicht belegte, möglicherweise bestehende Absicht der Mitglieder, das Fitnessstudio finanziell unterstützen zu wollen, werde durch die angekündigte Leistung überlagert. Der BFH hat das Ergebnis des Finanzamts bestätigt (der Sachverhalt des Urteils XI R 36/22 ist ähnlich, so dass er hier nicht vorgestellt wird).
Die Begründung in aller Kürze:
Die von den Mitgliedern auf Grundlage der bestehenden Vereinbarungen als Anzahlung entrichteten Beiträge für die monatlichen Teilleistungen sind selbst dann weiter Entgelte für steuerbare Leistungen, soweit die Erbringung dieser Leistungen (hier: aufgrund der Landesverordnung vom 17.3.2020 bis 17.5.2020) unmöglich geworden ist, falls sie nicht bzw. nicht anteilig zurückgewährt wurden. Eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG wegen einer nicht erbrachten Teilleistung erfolgt erst dann, wenn die hierfür entrichtete Anzahlung tatsächlich zurückgewährt wird. Auf die Frage, ob die vom Fitnessstudio zugesagte Verlängerung der Vertragslaufzeit durch Gewährung der Bonus-Monate zivilrechtlich wirksam zu einer Vertragsänderung geführt hat, kommt es umsatzsteuerrechtlich nicht an.
Denkanstoß:
Der BGH hatte mit Urteil vom 4.5.2022 (XII ZR 64/21) zur Pflicht der Rückzahlung von Mitgliedsbeiträgen bei coronabedingter Schließung eines Fitnessstudios Stellung bezogen. Er hat entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge hat. Diesem Rückzahlungsanspruch des Klägers könne die Beklagte nicht entgegenhalten, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird (vgl. dazu die entsprechende Pressemitteilung 056/2022 des BGH).
Der BFH distanziert sich aber umsatzsteuerlich von der zivilrechtlichen Sichtweise. Wir hatten diese Distanzierung erst kürzlich bei der ertragsteuerlichen Einordnung der Einzahlung in die Erhaltungsrücklage beobachten dürfen. Das heißt: Einzahlungen in die Erhaltungsrücklage, früher als Instandhaltungsrücklage oder Instandhaltungsrückstellung bezeichnet, dürfen vom jeweiligen Wohnungseigentümer erst dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Verwalter sie verausgabt hat (BFH-Urteil vom 14.1.2025, IX R 19/24; vgl. Blog-Beiträge „Kein Steuerabzug von Zahlungen in Erhaltungsrücklage vor tatsächlicher Verwendung“ und „Erhaltungsrücklage: Werbungskostenabzug nicht bereits bei Einzahlung in die Rücklage!„).
Man mag dem jeweiligen Ergebnis zustimmen, doch einfacher werden steuerliche Beurteilungen nicht, wenn die Gerichte einmal auf die rein zivilrechtliche Sichtweise, ein anderes Mal auf die wirtschaftliche Betrachtung abstellen.
Übrigens sollten nicht nur die Betreiber von Fitnessstudios und ihre steuerlichen Berater die BFH-Urteile ausführlich studieren, denn die Hinweise des BFH gelten gleichermaßen für andere Wirtschaftsteilnehmer, die vom Lockdown betroffen waren und „freiwillige“ Zahlungen erhalten haben.
Ein Beitrag von:
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- Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
- Autor zahlreicher Fachbeiträge
- Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe
Warum blogge ich hier?
Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.