Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige – aber was, wenn Wetter und/oder Verkehr nicht mitspielen?

Wer verschläft oder trödelt und deswegen zu spät zur Arbeit kommt, riskiert nicht nur eine Abmahnung (im Wiederholungsfall ggf. sogar eine Kündigung), sondern auch eine Lohnkürzung. Was aber, wenn der Arbeitnehmer die Verspätung nicht zu vertreten hat?

Der Orkan „Friederike“ hat sich erst letzte Woche über Deutschland ausgetobt. Die Deutsche Bahn hat ihren Zugverkehr teilweise komplett eingestellt, Straßen waren wegen umgestürzter Bäume unpassierbar, Flughäfen wurden gesperrt, usw. Viele konnten auch mit den besten Vorsätzen nicht oder nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheinen.

Grundsätzlich gilt: „Ohne Arbeit kein Lohn“. Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht, erlischt auch der Lohnanspruch. Die Arbeitsleistung ist eine sog. absolute Fixschuld, d.h. eine Nachholung ist eigentlich unmöglich. Nächster Grundsatz: der Arbeitgeber trägt das Betriebsrisiko, der Arbeitnehmer dagegen das Wegerisiko. Hat „Friederike“ also einen Baum entwurzelt, der auf das Dach des Betriebes gefallen ist, dann muss der Arbeitgeber die Löhne – soweit keine Existenzgefährdung vorliegt – fortzahlen, auch wenn keiner arbeiten kann. Fällt dagegen der Zug aus, weil auf der Bahnstrecke Bäume liegen, dann trägt dieses Risiko der Arbeitnehmer mit der Folge, dass sein Lohn gekürzt werden kann. Staus, Streiks oder schlechtes Wetter sind Ereignisse, die die Allgemeinheit betreffen. Kommt der Arbeitnehmer aufgrund eines solchen „allgemeinen“ Ereignisses zu spät oder gar nicht, hat er für die verlorene Zeit keinen Lohnanspruch.

Interessant ist die Frage, wie die ganze Sache aussieht, wenn sowohl auf dem Dach des Betriebes als auch auf der Bahnstrecke Bäume liegen, sich also sowohl das Betriebsrisiko des Arbeitgebers als auch das Wegerisiko des Arbeitnehmers verwirklicht haben. Höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es hierzu nicht wirklich. Manch ein Jurist ergeht sich seitenlang in irgendwelchen „doppelten Analogien“ dieser und jener Vorschrift. Das Ergebnis ist jedoch wenig verständlich. Dennoch scheint sich in der Literatur die Meinung gefestigt zu haben, dass bei einem Zusammentreffen der Arbeitgeber- und Arbeiternehmerrisiken der Lohnanspruch entfällt, soweit der Arbeitgeber nicht in Kenntnis eines Risikofaktors (z.B. Betrieb liegt in einem Überschwemmungsgebiet) alle notwendigen Schutzmaßnahmen (z.B. Versicherung gegen Hochwasser, Deiche, etc.) unterlassen hat. Dies kann m.E. jedoch nur gelten, soweit der Arbeitnehmer sich nicht nur verspätet hätte, sondern wegen etwa des eingestellten Bahnverkehrs überhaupt nicht zur Arbeit erschienen wäre. Kommt er nämlich beispielsweise nur eine Stunde zu spät zum Betrieb, der nunmehr nur noch ein „Baumhaus“ ist, wäre es wohl unbillig, den Lohnanspruch für den kompletten Tag entfallen zu lassen. Schließlich hat sich das Wegerisiko des Arbeitnehmers im Hinblick auf den Zeitfaktor (1h gegen etwaig mehrere Tage) im geringeren Ausmaße entwickelt als das Betriebsrisiko des Arbeitgebers.

Ganz anders liegt übrigens der Fall, wenn der Arbeitnehmer unverschuldet, aus Gründen, die in seiner Person liegen, für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit nicht zur Arbeit erscheinen kann, § 616 BGB, Bsp.: krankes Kind zuhause. In einem solchen Fall besteht der Lohnanspruch gemäß § 616 BGB fort, aber Achtung!, nur soweit die Anwendbarkeit der Vorschrift im Arbeitsvertrag nicht ausgeschlossen wurde.

Zumindest im Hinblick auf witterungsbedingte Verspätungen bleibt nur auf einen baldigen Frühling zu hoffen, alles andere ist schlichtweg allgemeines Lebensrisiko.

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