Regelbedarf regelt Grundfreibetrag – Auswirkungen der Pandemie auf das Existenzminimum

Das Urteil des SG Karlsruhe, Pressemitteilung vom 12.02.2021 zum Kammerbeschluss S 12 AS 213/21 ER vom 11.02.2021 hat mich nachdenklich gemacht. Ich möchte nicht diskutieren, ob dieses Urteil nun gerechtfertigt ist oder nicht, ob ein Bedarf von 129 Euro angemessen ist oder nicht. Das steht mir nicht zu.

Allerdings möchte ich die Frage aufwerfen, ob dieses Urteil des SG Karlsruhe für uns Steuerrechtler relevant ist oder nicht. Und meine Antwort lautet Ja, selbstverständlich.

Dem Kläger steht das SG Karlsruhe einen Betrag von 129 Euro / Monat zusätzlich zum Regelsatz zu, da es den Kläger in seinen Grundrechten in unverhältnismäßiger Weise beschränkt sieht und im eine Teilhabe am Gemeinschaftsleben in einer dem sozialen Existenzminimums entsprechenden Art und Weise zugesteht (es begründet dies unter anderem damit, dass die FFP2-Maske nicht nur der Befriedigung privater Bedürfnisse dient, sondern eben vor allem dem Infektionsschutz der Allgemeinheit).

Hervorzuheben ist, dass das Gericht die Kosten der Masken nicht mit dem bisherigen Regelsatz und Existenzminimum abgegolten sieht, sondern eben den Betrag von 129 Euro diesem hinzurechnet. Ob dem Inhaltlich zuzustimmen ist, braucht hier nicht weiter ausgeführt werden, das Gericht hat so rechtskräftig entschieden.

Was aber hat dieses Urteil mit dem Steuerrecht zu tun?

Nun, bislang wurde oft gefragt, ob denn die Ausgaben für Masken außergewöhnliche Belastungen im Sinne des §33 EStG darstellen.

Das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung kennzeichnen regelmäßig die folgenden Punkte:

  • Belastung
  • Außergewöhnlichkeit
  • Zwangsläufigkeit
  • Notwendigkeit/ Angemessenheit

Die Punkte der Belastung, Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit bzw. Angemessenheit wird hier niemand in Abrede stellen wollen und können. Allerdings wird wohl zu dem Schluss kommen, dass die überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen in ähnlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen das gleiche Schicksal des Maskentragens trifft und es damit zwar Anbetracht des bisherigen europäischen Kleidungstils zwar ungewöhnlich ist jedoch aktuell nicht außergewöhnlich: Jeder muss in bestimmten Situation eine FFP2-Maske tragen.

Das Urteil des SG Karlsruhe dagegen zeigt auf, dass die Kosten der Masken zwar grundsätzlich der persönlichen Lebensführung zuzurechnen sind. Allerdings war zu prüfen, ob die in Sozial, Pfändungs- und eben dem Steuerrecht festgelegten Grenzen des Existenzminimums angesichts der gesetzlichen Auflagen zur Pandemiebekämpfung noch angemessen sind oder ob diese eben aufzustocken sind.

Das Gericht stellte fest, dass die bislang festgesetzten Beträge eben nicht ausreichend sind und gestand dem Kläger einen monatlichen Mehrbedarf von 129 Euro bis zum 30.06.2021 zu. Dies entspricht einem Gesamtbetrag von 774 Euro.

Das sozialrechtliche Existenzminimum liegt mit dem Regelbedarf für 2021 aktuell bei 9.744 Euro für eine alleinstehende Person, was bekanntlich und nicht ohne Grund dem Grundfreibetrag nach §32a Abs. 1 Nr. 1 EStG entspricht: Es muss dem Steuerpflichtigen nach Abzug aller für den Broterwerb, die Gesundheits- und Altersvorsorge notwendigen Aufwendungen noch ein Betrag übrig bleiben, mit welchem sich ein menschenwürdiges Dasein gerade noch führen lässt.

Und hier eben greift die gerichtliche Feststellung ein, dass FFP2-Masken unter den Bedingungen einer Pandemie eben für ein menschenwürdiges Dasein notwendig sind und daher für die Berechnung des Existenzminimums und somit auch des Grundfreibetrages heranzuziehen sind.

Dies hat zur Folge, dass auch der steuerliche Grundfreibetrag entsprechend angepasst werden muss, sei es im Rahmen einer Gesetzesänderung im Bundessteuergesetz 2021 oder auf dem Wege eines Rechtsbehelfsverfahrens. Eine Anhebung des Grundfreibetrages wäre sicherlich die weitausgerechtere und für den Einzelnen unkomplizierte Lösung des Problems, auch könnten sicherlich weitaus umfangreicher Positionen mit einbezogen und soziale Härten gemildert werden.

Allerdings darf in einem Wahljahr wie diesem durchaus bezweifelt werden, dass es zu einer solchen Regelung kommen wird. Daher wird wohl eine Einspruchs- und Klagewelle der steuerlich interessierten und Beratenen Bürgern abzeichnen, wogegen die anderen wahrscheinlich leer ausgehen werden.

Es wird wohl von Berater Seite aus jeder Steuerbescheid 2021 mit einem diesbezüglichen Mustereinspruch angefochten werden müssen!

Auch stellt sich die Frage, ob es diese oder ähnliche Belastungen nicht bereits für das Jahr 2020 gegeben haben könnte. Genannt seien hier bzw. und stellvertretend für viele andere Aufwendungen die verpflichtenden Alltagsmasken, oder der Mehrbedarf an Ausbildungskosten im Distanzunterreicht für Kinder. Die Steuerberater sind hier gefordert, als Organ der Rechtspflege nicht nur kreative Steueroasen für große, finanzkräftige Kapitalanleger zu finden, sondern das Steuerrecht zu pflegen und – wie der rechtsanwaltliche Kollege – auch bei kleinen Dingen rechtsschaffend und rechtschaffen anzusetzen.

 

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