Rückforderungen von Corona-Hilfen: Wie Steuerberater ihre Mandanten jetzt effektiv unterstützen können

Seit Anfang 2025 sehen sich viele Unternehmen mit neuen Rückforderungsbescheiden zu Corona-Hilfen konfrontiert. Besonders im Fokus stehen Überbrückungshilfen II, III und III Plus. Die Vorwürfe lauten häufig: vermeintlich nicht erfüllte Voraussetzungen, wie z. B. „verbundene Unternehmen“, nicht coronabedingte Umsatzrückgänge, unplausible Fixkosten oder Fehler in der Schlussabrechnung.

Dieser Beitrag fasst zentrale rechtliche Schwachstellen der Bescheide zusammen und zeigt, wie Steuerberaterinnen und Steuerberater Betroffene fundiert beraten und vor unberechtigten Forderungen schützen können.

Unternehmensverbund: Wann wirklich ein Verbund vorliegt

Ein zentraler Rückforderungsgrund ist die angebliche Zugehörigkeit zu einem verbundenen Unternehmen im Sinne von § 15 AktG. Die Bewilligungsstellen unterstellen dabei in vielen Fällen eine Verbindung, obwohl keine Kapitalverflechtungen, keine Personalunion und keine einheitliche Leitung nachweisbar sind.

Besonders problematisch ist, dass in der Verwaltungspraxis teils schon familiäre Beziehungen, ähnliche Firmennamen oder gemeinsames Marketing als ausreichend gewertet werden. Aber: Ein Unternehmensverbund liegt nur vor, wenn eine tatsächliche wirtschaftliche, organisatorische und rechtliche Einheit besteht, also insbesondere eine einheitliche Leitung vorliegt.

Zudem war vielen Antragstellern die exakte Auslegung dieses Begriffs zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht erkennbar. Eine spätere, strengere Interpretation darf daher nicht rückwirkend zur Grundlage für Rückforderungen gemacht werden. Steuerberater sollten hier gezielt prüfen, ob tatsächlich eine Verbundstruktur im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung bestand und ob die Begründung des Bescheids nachvollziehbar dokumentiert ist.

Umsatzrückgang coronabedingt? Entscheidung muss den Einzelfall würdigen

Wird der Umsatzrückgang pauschal als „nicht coronabedingt“ gewertet, greift dies zu kurz. In vielen Branchen machten unserer Erfahrung nach gesetzlichen Einschränkungen reguläre Auftragsbearbeitung unmöglich. Entscheidend ist die konkrete Auswirkung der Pandemie, nicht eine starre Brancheneinschätzung. Oft werden in den automatisch generierten Bescheiden aber genau solche starren Einschätzungen zugrunde gelegt. Aufgrund der Formulierungen ist den meisten Fällen erkennbar, ob dem Bescheid pauschale Behauptungen oder individuelle Einschätzungen zugrunde liegen.

Nachträglich geänderte FAQ: Vertrauen muss geschützt werden

Bescheide, die sich auf später geänderte FAQ-Versionen stützen, verletzen das Vertrauen in die damaligen Antragsgrundlagen. Gerade bei der Frage der Umsatzabgrenzung oder anrechenbaren Kosten ist die Fassung zum Zeitpunkt der Antragstellung ausschlaggebend. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gilt auch bei Billigkeitsleistungen.

Zustellungsfehler und fehlende Anhörung

Ein großer Teil der Rückforderungen basiert auf angeblich versäumter Mitwirkung. Wurde jedoch nie ordnungsgemäß zur Nachreichung aufgefordert oder ist die Zustellung strittig, fehlt die rechtliche Grundlage. Ohne vorherige Anhörung ist ein Rückforderungsbescheid formell rechtswidrig.

Schlussabrechnung: Nachschärfung ist kein Fehler

Viele Förderempfänger haben ursprünglich geschätzte Fixkosten angegeben, die erst in der Schlussabrechnung konkret belegt wurden. Dies ist nicht nur zulässig, sondern ausdrücklich vorgesehen. Eine Ablehnung solcher Nachweise mit Verweis auf „neue“ Kostenpositionen ist rechtlich angreifbar.

Automatisierte Bescheide ohne Ermessensausübung

Viele Bescheide folgen einem automatisierten Muster ohne individuelle Einzelfallabwägung. Damit fehlt die notwendige Ermessensausübung im Sinne des § 114 VwGO. Es liegt ein Ermessensnichtgebrauch oder -fehlgebrauch vor, wenn der Sachverhalt nicht gewürdigt und die Entscheidung nicht dokumentiert begründet wird.

Zudem berufen sich die Behörden bei ihrer Begründung häufig auf interne, nicht öffentlich zugängliche Richtlinien – sogenannte „Schatten-FAQ“. Diese sind Antragstellern weder bekannt noch zugänglich und wurden nie veröffentlicht. Dennoch bilden sie vielfach die Bewertungsgrundlage.

Betroffene haben einen Anspruch auf Akteneinsicht und können die Offenlegung solcher ermessenslenkenden Verwaltungsvorgaben verlangen. Steuerberater sollten diesen Anspruch systematisch geltend machen, um die Entscheidungskriterien nachvollziehen und gegebenenfalls gezielt angreifen zu können. Wir empfehlen, diesen Anspruch stets geltend zu machen, um die individuellen Chancen zu erhöhen.

Praxistipps für Steuerberaterinnen und Steuerberater

  • Bescheide systematisch prüfen, insbesondere mit Blick auf FAQ-Stand, Anhörung und Ermessensausübung.
  • Fristen beachten: Einmonatige Klage- oder Widerspruchsfristen unbedingt einhalten.
  • Individuelle Branchensituation dokumentieren, um coronabedingte Einflüsse nachzuweisen.
  • Gegebenenfalls Offenlegung interner Bewertungsgrundlagen beantragen.

 

Fazit

Die aktuelle Rückforderungswelle ist in vielen Fällen rechtlich angreifbar. Betroffene Mandanten von Steuerberatern müssen mit den Bewilligungsstellen auf Augenhöhe kommunizieren, um unberechtigte Rückforderungen abzuwehren.

 

Ein Beitrag von:

  • Dr. Maximilan Degenhart

    • Rechtsanwalt und Partner
    • Experte für Corporate Finance, Prozessführung und Gesellschaftsrecht
    • Lösungen für kritische Situationen
    • Autor zahlreicher Fachbeiträge
    • Kontaktmöglichkeit: maximilian.degenhart@dmr.legal

    Warum blogge ich hier?
    Neben meiner täglichen Arbeit als Problemlöser habe ich schlichtweg Freude am Schreiben. Bloggen bedeutet für mich, meine Erfahrungen schnell, praxisnah und leserfreundlich weiterzugeben. Meine Leser sollen nach der Lektüre meiner Beiträge nicht mit mehr Fragen konfrontiert sein als vor der Lektüre, sondern nachvollziehen können, was nun zu veranlassen ist.

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