„Altbau” Selbstanzeige – dritte Sanierung oder Abriss? (Teil 3/4)

In den Teilen 1 und 2 der Beitragsreihe äußerte ich mich kritisch zu den beiden letzten Reformen des Selbstanzeigerechts (SchwarzGBekG / AOÄndG 2015): Der Verschärfungsfuror des Gesetzgebers versperrte den Blick für sinnvolle und praktisch umsetzbare Änderungen. Wesentliche Mängel wurden nicht beseitigt, gleichzeitig kamen weitere hinzu. Der vorletzte Teil der Reihe führt nun die Mängelliste fort.

Teil 3 der Mängelliste (Auszug):

  • Zur neuen Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 6 AO): Der Gesetzgeber hat mit dem geänderten § 170 Abs. 6 AO eine Verlängerung der Anlaufhemmung bei der steuerlichen Festsetzungsverjährungsfrist eingeführt. Sie betrifft Fälle, in denen Kapitalerträge aus Drittstaaten stammen, welche nicht am automatischen Datenaustauschverkehr teilnehmen. Problem: Die Neufassung birgt zum einen Auslegungs- und Verständnisschwierigkeiten in sich, zum anderen stellt sich die Frage, ob die – unter Berücksichtigung von § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO – auf bis zu dreiundzwanzig Jahre verlängerte Verjährungsfrist mit dem Grundgedanken der Verjährung in Einklang zu bringen ist. Ferner bestehen Zweifel an der Europarechtskonformität der Regelung.
  • Zum sog. Strafzuschlag (§ 398a Abs. 1 Nr. 2 AO): Auch auf Grundlage der letzten Reform (AOÄndG 2015) ist nicht geklärt, ob für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nur die jeweilige materielle Tat (die durch Steuerart und Veranlagungszeitraum definiert wird und die 25.000 EUR-Schwelle überschreitet) oder der gesamte Berichtigungsverbund (Addition aller Verkürzungen einer Steuerart) maßgeblich ist. Ferner: Ist der Zuschlag lediglich einmal pro materieller Tat oder durch jeden Tatbeteiligten – also mehrfach – zu zahlen? Die Verwaltung will jeden Tatbeteiligten zur Kasse bitten. Schließlich: Die Kombination aus Strafzuschlag iHv bis zu 20% (§ 398a Abs.1 Nr. 2 c) AO), Zinszahlungsverpflichtung und Nachentrichtungspflicht des Hinterziehungsbetrages (§ 398a Abs. 1 Nr. 1 AO) könnte gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verstoßen.
  • Abgrenzung zur Berichtigungserklärung (§ 153 AO): Die Selbstanzeige wurde über prominente Steuersünder-Fälle selbst prominent. Häufig genügt jedoch eine bloße Berichtigung nach § 153 AO. Zwar knüpft auch sie an die rückwirkende Korrektur einer Steuerverkürzung an. Im Gegensatz zur Selbstanzeige fehlt in diesem Fall jedoch der Hinterziehungsvorsatz. Es wird also lediglich ein Versehen korrigiert. Problem: In der Praxis ist seit der Reform durch das SchwarzGBekG eine „Kriminalisierung von Berichtigungen” seitens der Finanzverwaltung zu beobachten – Berichtigungen werden als Selbstanzeige ausgelegt. Ein Steuerstrafverfahren wird eingeleitet, die Wirksamkeit der Selbstanzeige bezweifelt. Es drohen Freiheitsstrafe und zT enorme finanzielle Belastungen (siehe oben „Zum Strafzuschlag”). Im Falle der Berichtigung wären lediglich die verkürzten Steuern nachzuzahlen – die Steuerstaatsanwaltschaft (BuStra) wäre überhaupt nicht tätig geworden. Immerhin: Das BMF hat nun einen „Vorläufigen Diskussionsentwurf AEAO zu § 153 AO” vorgelegt, der die Abgrenzung erleichtern soll. Die Verbände haben hierzu bereits Stellung genommen. Die Nachweise finden Sie in Teil 4 der Beitragsreihe.

Im letzten Teil folgen die Zusammenfassung inkl. Stellungnahme zur Frage „Dritte Sanierung oder Abriss?”, die Hinweise zur Beratungspraxis sowie weiterführende Informationen zum Thema.

Teil 4/4 des Beitrags finden Sie hier: Link.

Teil 2/4 des Beitrags finden Sie hier: Link.

Teil 1/4 des Beitrags finden Sie hier: Link.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 4 = 3