Das LAG Hessen (v. 24.1.2025 – 8 Sa 153/24) hat aktuell entschieden, dass ein ehemaliger GmbH- Geschäftsführer nach seiner Abberufung wieder voll dem arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz nach dem KSchG unterliegt. Die Ausnahme des § 14 Abs. 1 Nr.1 KSchG, nach der Angestellte in leitender Stellung vom Kündigungsschutz ausgenommen sind, kommt nicht mehr in Betracht, wenn die Abberufung bei Zugang der Kündigung bereits erfolgt war. Ein Urteil mit Bedeutung über den Einzelfall hinaus (Details zum Fall in der NWB Online-Nachricht Arbeitsrecht | Kündigungsschutz für Ex-Geschäftsführer
Wie hat das LAG Hessen entschieden?
Das LAG Hessen gab der Berufung jetzt überwiegend statt und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht wirksam gekündigt war. Entscheidend sei, dass der Ex-Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs offiziell nicht mehr Organvertreter des Unternehmens war. Die Kündigung habe damit ein „normales“ Arbeitsverhältnis betroffen, das den allgemeinen Schutzvorschriften des Kündigungsschutzgesetzes unterliege (§ 1 Abs. 2 KSchG). Weil das Unternehmen aber keinerlei Kündigungsgründe vorgetragen habe, sei die Kündigung mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam gewesen (§ 1 Abs. 1 KSchG). Die Revision zum BAG wurde allerdings zugelassen.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung hat allgemeine Bedeutung, weil sie feststellt, wann für einen abberufenen GmbH-Geschäftsführer die Einschränkungen des allgemeinen Kündigungsschutzes enden. Die Überlegungen gelten in gleicher Weise für andere Organvertreter oder Angestellte in Führungspositionen, die den einschränkenden Regelungen des § 14 Abs.1 KSchG unterliegen.
Das LAG Hessen widersprach ausdrücklich der noch vom Arbeitsgericht vertretenen Auslegung, wonach allein das Abstellen auf das zu kündigende Vertragsverhältnis reichen soll, damit § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG zur Anwendung gelangt. Eine Ausdehnung der Negativfiktion auf einen nicht mehr bestellten Geschäftsführer sei weder vom Wortlaut, systematischen Kontext noch dem Sinn und Zweck der Norm gedeckt. Maßgeblich sei ausschließlich die tatsächliche Stellung des Arbeitnehmers im Zeitpunkt des Kündigungszugangs. Personen, die im Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr als Arbeitgeber aufträten, sondern als „normale“ Arbeitnehmer auftreten, sind demzufolge vom KSchG wieder geschützt. Nicht relevant ist danach, dass der Vertrag ursprünglich mit einer Geschäftsführerstellung verbunden gewesen sei.
Selbst wenn auf das Fortbestehen des ursprünglichen Vertrags abstellen wollte, könne § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nur dann greifen, wenn der Arbeitsvertrag ausschließlich für die Organstellung abgeschlossen worden wäre. Das war aber vorliegend nicht der Fall: Der Vertrag enthielt ausdrücklich eine Klausel zur anderweitigen Beschäftigung, wonach dem Ex-Geschäftsführer auch gleichwertige Tätigkeiten außerhalb des Geschäftsführeramts zugewiesen werden konnten, war also nicht auf die Geschäftsführertätigkeit beschränkt. Sein Arbeitgeber hatte von dieser Möglichkeit nach der Abberufung sogar Gebrauch machen wollen und nach alternativen Einsatzmöglichkeiten gesucht. Eine vollständige Bindung des Arbeitsverhältnisses an die Organstellung hatte daher gerade nicht bestanden.
Arbeitgeber sollten deshalb in vergleichbaren Fällen darauf achten, dass der Anstellungsvertrag mit dem jeweils bestellten Organ ausdrücklich auf die Dauer der Organstellung beschränkt ist. Ist dies nicht der Fall mit der Folge, dass der abberufene Geschäftsführer wieder in ein normales Anstellungsverhältnis zurückfällt, muss eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein, also mit Kündigungsgründen versehen werden, die vor dem Arbeitsgericht „wasserfest“ sind.
Ein Beitrag von:
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- Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
- Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
- Honorarprofessor an der Universität Würzburg
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Mein erster Blog bietet die Möglichkeit, das Thema der Pflicht der „Pflichtmitgliedschaft in Kammern“ „anzustoßen“ und in die Diskussion zu bringen. Bei genauem Hinsehen sichert der „Kammerzwang“ nämlich Freiheitsrechte durch die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Partizipation.