BAG: Probezeitkündigung im befristeten Arbeitsverhältnis

Auch in einem auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnis kann eine vereinbarte Probezeit von vier Monaten zulässig sein; es kommt immer auf die Einzelfallabwägung nach Befristungsdauer und Art der Tätigkeit an; es gibt keinen Regelwert für die Dauer der Probezeit – so das BAG in einem aktuellen Urteil (BAG, Urteil v. 30.10.2025 – 2 AZR 160/24). Was bedeutet das?

Hintergrund

Ein Probearbeitsverhältnis soll dazu dienen, dass die Vertragsparteien innerhalb einer angemessenen Zeit prüfen können, ob eine dauerhafte Zusammenarbeit möglich ist. Ein Probearbeitsverhältnis kann entweder als Probezeit im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit erleichterten Kündigungsmöglichkeiten oder als eigenständiges befristetes Probearbeitsverhältnis abgeschlossen werden. Durch Gesetz zwingend vorgeschrieben ist eine Probezeit nur im Rahmen des Berufsausbildungsverhältnisses.

Sachverhalt im Streitfall

Im Streitfall sollte das auf ein Jahr befristete Arbeitsverhältnis laut Vertrag mit den gesetzlichen Fristen (§ 622 BGB) kündbar sein, die Probezeit vier Monate betragen mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist. Die beklagte Arbeitgeberin nutzte diese Möglichkeit und kündigte fristgerecht innerhalb der Probezeit. Die Arbeitnehmerin wehrte sich dagegen mit der Kündigungsschutzklage. Sie meinte, vier Monate Probezeit seien unverhältnismäßig lang im Vergleich zur geplanten Beschäftigungsdauer von einem Jahr, sie hätte höchstens ein Viertel der Vertragslaufzeit betragen dürfen, in diesem Fall also drei Monate. Daher sei die Klausel zur Probezeit im Vertrag und damit auch die Vereinbarung zur Kündbarkeit unwirksam. Jedenfalls bedürfe die Kündigung der sozialen Rechtfertigung, weil die Wartezeit nach § 1 Abs.1 KSchG nur so lang sein könne, wie eine zulässig vereinbarte verhältnismäßige Probezeit, die vorliegend mit drei Monaten anzusetzen sei. Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 02.07.2024 – 19 Sa 1150/23) gab der Klägerin Recht: Bei der Vereinbarung einer Probezeit sei von einem Maximalwert von 25 Prozent der Dauer der Befristung auszugehen, bei zwölf Monaten also drei Monate.

Wie hat das BAG entschieden?

Das BAG (Urteil v. 30.10.2025 – 2 AZR 160/24) hat das LAG-Urteil korrigiert und die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin abgewiesen. Nach Ansicht des BAG gibt es keinen Regelwert von 25 % der Dauer der Befristung für eine verhältnismäßige Probezeit. Vielmehr ist in jedem Einzelfall stets eine Abwägung unter Berücksichtigung der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit durchzuführen. Im Streitfall hatte der Arbeitgeber einen detaillierten Einarbeitungsplan mit drei verschiedenen Phasen von insgesamt 16 Wochen Dauer aufgestellt, nach denen die Mitarbeiter produktiv einsatzfähig sein sollen – das schien dem BAG plausibel und verhältnismäßig. Auch für eine Verkürzung der gesetzlichen Wartezeit des § 1 Abs.1 KSchG, wonach eine Kündigung der sozialen Rechtfertigung bedarf, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, besteht nach BAG-Ansicht kein Raum.

Einordnung und Bewertung

Ein Jahr arbeiten, aber davon vier Monate auf Probe? Ja das kann im Einzelfall zulässig sein. Nach der Grundsatzentscheidung des BAG gibt es keine pauschalen Richtwerte dafür, wie lange eine Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis maximal sein darf. Stattdessen müssen Gerichte und Arbeitgeber in jedem Einzelfall eine sorgfältige Abwägung vornehmen. Nur weil das BAG einen festen Regelwert für die Probezeit verneint, heißt das aber noch lange nicht, dass es keine Grenzen gibt. Falsch wäre auch die Annahme, dass das BAG grundsätzlich eine Probezeit von vier Monaten für zulässig hält. Entscheidend ist im Einzelfall, ob die Dauer der vereinbarten Probezeit angesichts der zu erfüllenden Tätigkeit plausibel ist; dies kann unter Umständen bedeuten, dass selbst bei einem auf ein Jahr befristeten Arbeitsverhältnis eine Probezeit von mehr als vier Monaten denkbar ist, wenn es dafür sachliche Gründe gibt.

Weitere Informationen:

NWB Online-Nachricht: Arbeitsrecht | Probezeitkündigung im befristeten Arbeitsverhältnis (BAG)

Ein Beitrag von:

  • Prof. Dr. jur. Ralf Jahn

    • Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
    • ehem. Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
    • ehem. Honorarprofessor an der Universität Würzburg

    Warum blogge ich hier?
    Mein erster Blog bietet die Möglichkeit, das Thema der Pflicht der „Pflichtmitgliedschaft in Kammern“ „anzustoßen“ und in die Diskussion zu bringen. Bei genauem Hinsehen sichert der „Kammerzwang“ nämlich Freiheitsrechte durch die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Partizipation.

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