Abzinsung von Pensionsrückstellungen – Ist jetzt auch die Steuerbilanz dran?

Im letzten Jahr hatte ich mich in meinen Blogs intensiv mit der Frage der Abzinsung von Pensionsrückstellungen in Zeiten der Niedrigzinsen befasst. Nach intensiver Adressierung des Problems durch die Praxis hatte der Gesetzgeber ein Einsehen und hat die Bestimmung des Diskontierungszinses angepasst, um die Belastung im handelsrechtlichen Jahresabschluss abzumildern. Das Problem existiert jedoch nicht nur in der Handelsbilanz, sondern mit vielleicht sogar größerem Gewicht auch in der Steuerbilanz. Der Vorlagebeschluss eines Finanzgerichts könnte hier Hoffnung für eine Lösung begründen.

Wie in früheren Blogs bereits dargestellt, ist der Rückstellungsbetrag einer zum Barwert der erwarteten Zahlungen bewerteten Rückstellung umso höher, je niedriger der Diskontierungszins ist. Aus der anhaltenden Niedrigzinsphase ergibt sich das Problem von steigenden Rückstellungen, soweit der Diskontierungszins aus Marktzinsen abgeleitet wird. Das ist bei IFRS-Abschlüssen so, weil der aktuelle Marktzins verwendet wird. Im handelsrechtliche Jahresabschluss tritt der Effekt etwas zeitverzögert auf, weil mit einem mehrjährigen Durchschnittszins abgezinst wird.

Einzig in der Steuerbilanz können sich Steuerpflichtiger und Finanzbehörde auf den ersten Blick entspannt zurücklehnen. Der Gesetzgeber hat den Zins zuletzt 1981 auf 6% festgelegt (§ 6a EStG). Die massiven Marktzinsänderungen der letzten Jahre haben ihn nicht bewegen können, hier eine Anpassung nach unten vorzunehmen. In der Konsequenz sind Pensionsrückstellungen wegen des hohen Diskontierungszinses in der Steuerbilanz erheblich niedriger bewertet als es nach dem aktuellen Marktzinsniveau geboten wäre.

Jetzt könnte man sagen: Na und! Sind doch nur Bilanzgrößen. Weil jedoch die Bildung oder Erhöhung einer Rückstellung den Gewinn der Periode mindert, folgen aus dem hohen Diskontierungszins geringe Aufwendungen bzw. in der Terminologie der steuerlichen Gewinnermittlung zu geringe Betriebsausgaben. Wohl nicht zum Leidwesen der Finanzverwaltung und der Finanzpolitiker ergibt sich damit eine höhere Steuerbelastung.

Seit langer Zeit wird dieser Sachverhalt in Wissenschaft und Praxis kritisiert und eine Absenkung des gesetzlich festgelegten Diskontierungszinse gefordert. Dem ist der Gesetzgeber bisher jedoch nicht gefolgt.

Der Tagespresse war nun zu entnehmen, das Finanzgericht Köln habe am letzten Donnerstag, 12.10.2017, in einem Streitverfahren um die Abzinsung der Pensionsrückstellungen die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht beschlossen.

Zwar kann man die Normierung eines Zinses aus Gründen der Rechtssicherheit um den richtigen Zins und mit der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens gut begründen. Nur darf der Abstand des normierten Zinses zur Realität nicht zu groß werden. Das wird mit dem allgemeinen Gleichheitssatz begründet. Das Finanzgericht geht mit weiten Teilen der Literatur wohl davon aus, dass der Abstand inzwischen zu groß geworden ist. Der aktuell im Gesetz vorgegebene Diskontierungszins ist damit nicht mehr durch sachliche Gründe zu rechtfertigen und widerspricht dem Willkürverbot.

Setzt sich die Klägerseite letztlich durch, können sich erhebliche Folgen für die öffentlichen Haushalte ergeben, weil sowohl die Höhe der Pensionsverpflichtungen als auch die Differenz zum derzeitigen Marktzinsniveau erheblich ist. Vom Sachverhalt betroffene Unternehmen sollten prüfen, ob das Offenhalten noch nicht rechtskräftiger Bescheide sinnvoll ist.

Der Gesetzgeber sollte das Thema möglichst bald angehen, um auf diesem Weg vielleicht noch vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine erträgliche Lösung für die Steuerpflichtigen und die öffentlichen Haushalte zu erreichen. Dies betrifft einerseits die Frage, wie ein neuer Zins typisiert wird. Man könnte über einen Anschluss an die handelsrechtliche Regelung eines Durchschnittszinses nachdenken. Das hätte den Charme des Bürokratieabbaus, weil dann ein einheitlicher Diskontierungszins für Handels- und Steuerbilanz gelten würde. Zudem käme es wegen der Durchschnittsbildung zu nicht zu großen Schwankungen des Diskontierungszinses durch Marktzinsveränderungen. Andererseits bliebe man damit derzeit noch spürbar über dem aktuellen Marktzins, was die öffentlichen Haushalte schonen würde. Eventuell könnte man auch über einen Übergangszeitraum von wenigen Jahren nachdenken, während dem eine langsame Anpassung an den neuen Zins erfolgt, so dass sich der fiskalische Effekt über einen längeren Zeitraum verteilt. Vielleicht zeigt man dem Gericht damit dann auch eine Lösung auf, die eine „kurzfristig teurere“ Lösung vermeidet.

Weitere Informationen:

  • FAZ v. 14.10.2017, S. 20, „Werden Pensionszusagen billiger?“ mit einem Verweis auf FG Köln 10 K 977/17
  • Hey/Steffen: Steuergesetzliche Zinstypisierungen und Niedrigzinsumfeld – insbesondere zur Gleichheitssatzwidrigkeit der Abzinsung von Pensionsrückstellungen gemäß § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG, ifst-Schrift Nr. 511 (2016).
  • FG Köln v. 12.10.2017 – 10 K 977/17

Lesen Sie zur Abzinsungsproblematik auch folgende meiner Beiträge hier im NWB Experten-Blog:

 

Ein Kommentar zu “Abzinsung von Pensionsrückstellungen – Ist jetzt auch die Steuerbilanz dran?

  1. Rückstellungen nach dem Handelsrechtlichenzins (§ 253 II HGB) zu bewerten ist für den Anfang ein Schritt nach vorn. Jedoch stellt sich dabei wieder die Frage, wie man den Niedgridzins gänzlich vermeidet. Nicht problematisch, aber lästig ist die Änderung der Zeit, aus der sich der Durchschnittszins ableitet um die Phase der Niedrigzinsen (2007/8) zu umgehen.

    Viele Grüße
    JP

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