Manchmal entscheidet ein einziger Begriff über Steuerfreiheit oder Steuerpflicht – so auch im aktuellen Urteil des BFH vom 21. Mai 2025 (II R 31/22). Es geht um die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 6a GrEStG und die Frage, ob bei einer Ausgliederung zur Aufnahme die Vorbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG eingehalten werden muss. Die Antwort des BFH ist eindeutig – und zeigt, dass „Aufnahme“ und „Neugründung“ zwar ähnlich klingen, steuerlich aber Welten trennen.
Der Fall
Eine Gemeinde hatte eine neue GmbH gegründet, um ihren Regiebetrieb auszugliedern. Sie war alleinige Gesellschafterin der GmbH. Wenige Monate später erfolgte die Ausgliederung zur Aufnahme (§ 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG): Der Regiebetrieb samt Grundstücken ging auf die GmbH über.
Das Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer fest. Die Klägerin berief sich auf die Steuerbefreiung des § 6a GrEStG – schließlich habe es sich um eine Umwandlung im Konzern gehandelt, die allein von der Gemeinde beherrscht wurde. Das Problem: Die Gemeinde hatte ihre Beteiligung an der GmbH erst wenige Monate vor der Ausgliederung begründet. Damit war die fünfjährige Vorbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG nicht eingehalten.
Die Argumentation der Klägerin: Aufnahme = Neugründung
Die Klägerin argumentierte, dass eine Ausgliederung zur Aufnahme wirtschaftlich einer Ausgliederung zur Neugründung gleiche – nur mit umgekehrten Vorzeichen. In beiden Fällen entstehe eine neue organisatorische Einheit, in beiden Fällen liege kein missbräuchlicher Gestaltungstatbestand vor. Die Einhaltung der Vorbehaltensfrist sei hier schlicht denklogisch unmöglich gewesen, da die GmbH erst kurz zuvor gegründet wurde, um überhaupt als Aufnehmende zur Verfügung zu stehen.
Die Sicht des BFH: Gleich ist eben nicht gleich
Der BFH blieb hart: Bei der Ausgliederung zur Aufnahme handelt es sich um eine Umwandlung auf eine bereits bestehende Gesellschaft. Damit war es rechtlich möglich, dass die Gemeinde die Beteiligung schon fünf Jahre zuvor gehalten hätte – sie tat es aber nicht. Und genau das ist der Unterschied zur Ausgliederung zur Neugründung.
Bei einer Neugründung entsteht die neue Gesellschaft erst durch den Umwandlungsvorgang. Da es sie vorher gar nicht gibt, kann die Vorbehaltensfrist dort gar nicht eingehalten werden. Deshalb wird sie in solchen Fällen von der Rechtsprechung aus teleologischen Gründen verkürzt oder gar nicht verlangt.
Bei einer Aufnahme hingegen existiert die Gesellschaft bereits – und damit besteht auch die Möglichkeit, die Fünfjahresfrist zu erfüllen. Der BFH stellte klar: Eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit reicht nicht. Steuerlich zählt allein die zivilrechtliche Struktur.
Die Klägerin versuchte noch, mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG zu argumentieren. Doch der BFH sah keine Ungleichbehandlung.
Das Fazit: Ein feiner, aber teurer Unterschied
Dieses Urteil ist ein Paradebeispiel dafür, wie sensibel § 6a GrEStG auf die genaue rechtliche Konstruktion reagiert. In der Praxis sind „Ausgliederung zur Aufnahme“ und „Ausgliederung zur Neugründung“ wirtschaftlich oft kaum zu unterscheiden. Beide dienen der Umstrukturierung von Betrieben, beide bewegen sich im Rahmen des Umwandlungsrechts – doch steuerlich kann nur eine Seite profitieren.
Wer eine steuerfreie Ausgliederung nach § 6a GrEStG plant, muss den Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung im Blick behalten. Wird auf eine bestehende Gesellschaft ausgegliedert, gilt die Vorbehaltensfrist ohne Ausnahme.
Nur bei einer Ausgliederung zur Neugründung greift die vom BFH entwickelte „praktische Unmöglichkeit“ – und damit der Entfall der Fünfjahresfrist.