Aufreger des Monats März 2024 – Prozesskosten um nachehelichen Unterhalt doch nicht abziehbar

Nach der aktuellen Gesetzeslage sind Kosten eines Rechtsstreits (Prozesskosten) nur dann als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Unter dem Begriff der Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist nur die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen (BFH 13.8.2020, VI R 15/18).

Was aber gilt, wenn die Prozesskosten mit steuerpflichtigen Einkünften im Zusammenhang stehen? Dann sind sie als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar – eigentlich. Denn wie der BFH nun entschieden hat, sind Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn der Unterhaltsempfänger seine Zustimmung zum so genannten Realsplittung erteilt hat, die Zahlungen also nach § 22 Nr. 1 a EStG versteuert (BFH-Urteil vom 18.10.2023, X R 7/20).

Der Sachverhalt:

Die Ehe der Klägerin wurde im Jahr 2014 geschieden und ihr früherer Ehemann verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von 582,50 Euro monatlich zu zahlen. Das von der Klägerin angestrengte Gerichtsverfahren endete vor dem Oberlandesgericht mit einem Vergleich, in welchem sich der Ex-Mann zur Zahlung eines höheren nachehelichen Unterhalts von monatlich 900 Euro bereit erklärte. Die Verfahrenskosten wurden gegeneinander aufgehoben. Die Klägerin entrichtete Gerichts- und Anwaltskosten im Jahre 2015.

Das Finanzamt erfasste bei der Klägerin die erhaltenen Unterhaltsleistungen als steuerpflichtige sonstige Einkünfte; die von ihr getragenen Anwalts- und Gerichtskosten ließ es nicht zum Abzug zu. Das FG Münster (Urteil vom 3.12.2019, 1 K 494/18 E) gab der dagegen gerichteten Klage mit der Begründung statt, dass die Klägerin ohne diese Aufwendungen später keine Unterhaltseinkünfte hätte erzielen können. Daher stellten sie einkommensteuerrechtlich vorweggenommene Werbungskosten dar. Dem ist der BFH entgegengetreten.

Die Urteilsbegründung lautet:

Unterhaltszahlungen seien dem Privatbereich zuzuordnen, entsprechend auch die zu ihrer Erlangung aufgewendeten Prozesskosten. Steuerrechtlich würden die Unterhaltszahlungen nur und erst dann relevant, wenn der Geber mit Zustimmung des Empfängers einen Antrag auf Sonderausgabenabzug stelle (Realsplitting). Der Antrag überführe die privaten Unterhaltszahlungen rechtsgestaltend in den steuerrechtlich relevanten Bereich. Die Umqualifizierung zu Sonderausgaben beim Geber und – korrespondierend – steuerbaren Einkünften beim Empfänger markiere die zeitliche Grenze für das Vorliegen abzugsfähiger Erwerbsaufwendungen. Zuvor verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers – im Streitfall in Form von Prozesskosten zur Erlangung von Unterhalt – könnten keine Werbungskosten darstellen.

Denkanstoß:

Der BFH hat über die Klage nicht abschließend entschieden, sondern die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Denn das FG habe keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die streitbetroffenen Prozesskosten gegebenenfalls als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten (Quelle: Pressemitteilung des BFH vom 29.2.2024). Ich kann mir allerdings kaum vorstellen, dass das FG dem Abzug angesichts der eingangs genannten Rechtslage zustimmen wird.

Unabhängig davon muss das BFH-Urteil wohl oder übel hingenommen werden, es sei denn, die Klägerin wagt noch den Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Das wäre fast zu wünschen, denn überzeugend finde ich die Begründung des BFH nicht. Ehrlich gesagt bin ich fast ein wenig sprachlos, denn der BFH schreibt in seiner Urteilsbegründung auch:

„Die vom Senat vorgenommene Auslegung vermeidet zudem eine weitere Komplizierung des Steuerrechts. Andernfalls würde unter Umständen eine aufwendige Aufteilung der Prozesskosten nach ihrer Abziehbarkeit erforderlich.“ Aha, der BFH schwingt sich nun also zum Wächter über ein einfaches Steuerrecht auf – das ist mir neu. Vielleicht sollten künftig alle Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden beim BFH mit dem Satz enden: „Aus Gründen der Vereinfachung des Steuerrechts ist dem Begehren des Klägers stattzugeben.“

Ebenso überzeugt der Hinweis auf die Rechtsgestaltung des Antrages nicht. Auch an anderen Stellen des Steuerrechts führen Anträge und rechtliche Dispositionen zu einer Umqualifizierung. Vielleicht werden aus nicht steuerbaren nicht unbedingt steuerbare Einkünfte. Aber beispielsweise können durch die Abfärbung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG aus Vermietungseinkünften gewerbliche Einkünfte werden. Sollen dann keine Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen, weil ein rechtsgestaltender Eingriff erfolgte? Oder weil die Sache nun komplizierter würde?

Und warum verneint der BFH das Vorliegen von vorweggenommenen Werbungskosten? Der BFH führt aus:

„Der Transfer eines steuerlich zusammengefassten Ergebnisses rechtfertigt es, über die durch den zustimmungsgebundenen Antrag auf Sonderausgabenabzug markierte zeitliche Zäsur die Möglichkeit vorweggenommener Werbungskosten einzuschränken.“ Ich halte mich da lieber an den Gesetzestext. Und in § 9 EStG heißt es einleitend: „Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.“

Und genau solche Aufwendungen hat die Klägerin getätigt. Für mich ist das BFH-Urteil daher der Aufreger des Monats.

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