Beitragspflicht von Betriebsrenten auch bei Kapitalauszahlung – rechtens, aber nicht gerecht

Betriebsrentner, die 30 oder 40 Jahre fleißig in ihre betriebliche Altersversorgung eingezahlt haben, sind fast immer verärgert, wenn sie erkennen, wie wenig ihnen von ihrer Rente übrigbleibt, nachdem Finanzamt und Sozialversicherung zugelangt haben. Besonders erhitzt die Gemüter die Krankenversicherung, denn seit 2004 müssen pflichtversicherte Rentner auf bestimmte Betriebsrenten Beiträge mit dem allgemeinen Beitragssatz und dem kassenindividuellen Zusatzbeitrag in voller Höhe zahlen. Beiträge sind auch auf Kapitalleistungen fällig.

Hierzu wird die Kapitalleistung auf zehn Jahre verteilt und monatlich mit 1/120 als beitragspflichtige Einnahme behandelt (§ 229 SGB V) – häufig wird das als Taschenspielertrick bezeichnet.

Die Beitragspflicht gilt ohne Vertrauensschutz auch für Verträge, die vor 2004 abgeschlossen wurden, und auch dann, wenn in der Ansparphase bereits Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden. „Bedanken“ dürfen sich die Rentner bei den damaligen Ministern Ulla Schmidt und Horst Seehofer. Das LSG Berlin-Brandenburg hat nun im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Belastung von Betriebsrenten mit Kranken- und Pflegeversicherung auch bei der Einmalauszahlung rechtens ist (Urteil vom 15.1.2025, L 1 KR 241/23).

Der Sachverhalt – Sozialversicherungsbeiträge festgelegt

Der frühere Arbeitgeber des Klägers hatte für diesen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung eine Direktversicherung mit einer Lebensversicherungsgesellschaft abgeschlossen. Nach Rentenbeginn zum 1. Januar 2021 erhielt der Kläger im Februar 2021 Kapitalleistungen in Höhe von 40.652,58 Euro sowie von 1.162,12 Euro ausgezahlt. Daraufhin wurden für die Zeit ab 1. März 2021 monatliche Beiträge zur Kranken- sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 40,24 Euro festgesetzt. Als monatliche Bemessungsgrundlage wurden 1/120 von 41.814,70 Euro, mithin 348,45 Euro, zugrunde gelegt. Der Kläger erhob zunächst Widerspruch und dann Klage. Seine Betriebsrente gehe nicht über den vom Bundestag beschlossenen Freibetrag hinaus. Er habe nur eine Einmalzahlung beansprucht, die über die Jahre hinaus berechnet keine Zuzahlung ergäbe. Er beziehe eine nur durchschnittliche Rente und sehe es nicht ein, noch mehr Beiträge zahlen zu sollen. Doch er scheiterte letztlich auch vor dem LSG.

Vor dem LSG gescheitert – Begründung:

Gegen die Heranziehung von Versorgungsbezügen in der Form nicht wiederkehrender Leistungen bestehen verfassungsrechtliche Bedenken auch dann nicht, wenn das entsprechende Rechtsverhältnis – wie hier – bereits vor dem 1. Januar 2004 abgeschlossen wurde. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, verstößt die zum 1. Januar 2004 erweiterte 1/120-Regelung nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (vgl. BVerfG-Beschluss vom 6.9.2010, 1 BvR 739/08; BVerfG-Beschluss vom 7.4.2008; 1 BvR 1924/07; BSG-Urteil vom 26.2.2019, B 12 KR 17/18 R).

Die hiermit erfolgte Einbeziehung der nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen in die Beitragspflicht ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar (vgl. BSG-Urteil vom 12.11.2008, B 12 KR 6/08 R). Der Umstand, dass von den Lohnanteilen, aus denen die Versicherungsbeiträge gezahlt wurden, bereits Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt wurden, führt nicht zur Rechtswidrigkeit. Ein Verbot der Doppelverbeitragung existiert nicht.

Denkanstoß:

Nach dem BVerfG ergibt sich kein Verstoß gegen Grundrechte, wenn der Versorgungsbezug aus bereits zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogenem Arbeitsentgelt finanziert worden ist – so das LSG im weiteren Verlauf seiner Urteilsbegründung. Das mag „rechtens“ sein, „gerecht“ ist es aber nicht.

Seit wenigen Jahren gibt es lediglich eine kleine Beitragsentlastung für Bezieher von Betriebsrenten und von Kapitalleistungen der betrieblichen Altersvorsorge in Form eines Freibetrages. Für die Pflegeversicherung gilt nicht der Freibetrag, sondern nur eine Freigrenze. Der Freibetrag gilt im Übrigen nur für pflichtversicherte Rentner, die während ihres Arbeitslebens einer gesetzlichen Krankenkasse zugehörig waren. Das BSG hat entschieden, dass freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Betriebsrentner von dem vorgenannten Freibetrag nicht profitieren können (BSG-Urteile vom 5.11.2024, B 12 KR 9/23 R, B 12 KR 3/23 R und B 12 KR 11/23 R). Auch das dürften die Betroffenen nicht als „gerecht“ empfinden.

 

Ein Beitrag von:

  • Christian Herold

    • Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
    • Autor zahlreicher Fachbeiträge
    • Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe

    Warum blogge ich hier?
    Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.

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