Beraterrisiko: Steuerhinterziehung bei falsch geschätzten USt-Voranmeldungen

Viele Steuerberater kennen den Spagat: Sie müssen einerseits für ihre Mandanten auftragsgemäß die USt-Voranmeldungen fristgerecht abgeben. Andererseits erhalten sie von ihren Mandanten nicht immer rechtzeitig die nötigen Angaben. Steuerberater stehen dann vor der Frage, ob sie Voranmeldungen mit geschätzten Werten abgeben. Doch hier ist Vorsicht geboten, wie ein aktuelles Urteil des LG Leipzig in einem Straf- und Bußgeldverfahren gegen einen Steuerberater zeigt (Urteil v. 16.10.17, Aktenzeichen: 15 Ns 202 Js 49069/15, Besprechung durch Beyer, NWB 2018 S. 585). Berater sollten dieses Urteil kennen und sich nicht zu vorschnellen Schätzungen hinreißen lassen, wenn ihnen plausible Schätzgrundlagen fehlen. Das Urteil zeigt, dass der Berater nachvollziehbar darlegen können muss, wie er plausibel zu einer Schätzung gelangt ist.

Die Entscheidung des LG Leipzig

Das Urteil des LG Leipzig betraf folgenden Fall: Steuerberater S gab Umsatzsteuer-Voranmeldungen für seine Mandantin ab. Mit dieser hatte er – wie auch mit anderen Mandanten – vereinbart, dass sie ihre Umsätze selbst bucht.

Doch die Mandantin teilte ihm in der Folgezeit kaum Umsätze mit. Die Voranmeldungen wurden durch Mitarbeiter des S vorbereitet, wobei die bei Mandatsbeginn einmal vorgenommene Schätzungshöhe in der Folgezeit weiter zugrunde gelegt wurde. Im Strafprozess konnte sich S nicht erinnern, mit seiner Mandantin über die Herkunft dieser Größenordnung, die er vom Vorberater erhalten hatte, gesprochen zu haben. Tatsächlich waren die Umsätze deutlich höher, so dass sich über mehrere ein Gesamtschaden bei der USt in Höhe von EUR 96.760 ergab. Das AG Leipzig verurteilte S wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

Hingegen sah das LG bei Steuerberater S keinen Vorsatz. Denn S habe bei der Abgabe der Voranmeldungen berufstypischen Handlungen vorgenommen und in dem Fall seien besonders strengere Anforderungen an den Vorsatz zu stellen. Ansonsten würde eine unverhältnismäßige Kriminalisierung weiter Berufsbereiche drohen. Berater S bezweckte hier keine Hinterziehung seiner Mandantin. Zudem habe Berater S das Risiko, dass die Mandantin eine Hinterziehung begehen und er diese fördern könne, nicht hinreichend klar vor Augen gestanden. Im Ergebnis fehlt daher der Vorsatz, so dass sich S nicht strafbar gemacht habe. Jedoch setzte das LG ein Bußgeld wegen leichtfertiger Hinterziehung durch S (§ 378 AO) fest. Hierbei handelt es sich jedoch „nur“ um einen Bußgeldtatbestand gem. § 378 AO und um keine Straftat.

Dieses Urteil ist aus Beratersicht zu begrüßen. Die Beratungstätigkeit ist bereits mit zahlreichen Haftungsrisiken verbunden. Zusätzliche übermäßige strafrechtliche Risiken können die Berufsausübung erschweren und ggf. die Freude am Beruf nehmen.

Besondere Risiken ergeben sich insbesondere bei Mandanten, die laufend die Besteuerungsgrundlagen nicht rechtzeitig ihrem Berater zur Verfügung stellen. Jede unzutreffende oder nicht rechtzeitig abgegebene Voranmeldung bzw. die Mitwirkung daran kann bei Verschulden bereits eine eigenständige Tat sein. Eine Korrektur in der späteren Jahreserklärung kann im Einzelfall allenfalls eine Selbstanzeige sein, wenn deren Voraussetzungen vorliegen und keine Sperrgründe eingreifen (§ 371 Abs. 2, § 378 Abs. 3 AO). Darauf sollte jedoch nicht vorab spekuliert werden.

Mögliche berufsrechtliche Folgen

Neben den strafrechtlichen Folgen kann einen Berater besonders auch die berufsrechtliche Folge eines Fehlverhaltens schmerzen. Die hängen aber vom Einzelfall ab. In Steuerstrafverfahren besteht für eine Einschaltung der Kammer und damit eine berufsrechtliche Sanktion gem. § 90 StBerG eine reale Gefahr. Das Finanzamt darf die Berufskammer über berufsrechtliche Pflichtverletzungen informieren, wenn für diese ein durch Tatsachen begründeter Verdacht besteht (§ 10 StBerG). Hierzu besteht ein gleichlautender Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 22.7.2014 (vgl. Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen Az: S 0824-1-VA2). Wird gegen einen Berufsträger Anklage erhoben, so wird die Berufskammer schon aus diesem Grunde informiert.

Zur Vermeidung straf- und berufsrechtlicher Risiken bleibt im Einzelfall die Frage der Mandatsniederlegung als äußerstes Mittel.

Weitere Risiken des Voranmeldungsverfahrens

Das Voranmeldungsverfahren hat für Steuerberater und Unternehmer noch weitere Fallstricke. Diese sind insbesondere auch bei der Berichtigung von Voranmeldungen zu beachten (Heuel/Beyer, BBK 2015, S. 740). Zudem können sich straf- und bußgeldrechtliche Risiken im Einzelfall auch bei der Verwendung nicht ordnungsgemäßer Eingangsrechnungen ergeben (vgl. Beyer, NWB 2016, S. 3854).

Weitere Informationen

(*für Abonnenten kostenfrei)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 5 = 2