Der „Verfassungs-Schneider“ aus Lüneburg ist tot

Ein Nachruf von Dr. Michael Balke, Rechtsanwalt, Finanzrichter a.D., Dortmund

Hans-Peter Schneider, Steuerberater aus Lüneburg, ist am 14.4.2021 im Alter von 73 Jahren gestorben. Der „Verfassungs-Schneider“, wie er respektvoll von Vielen in der deutschen Steuerrechtswelt genannt wird, hat eine Botschaft hinterlassen: „Wenn ihr an mich denkt, seid nicht traurig, sondern habt den Mut, von mir zu erzählen und auch zu lachen. Lasst mir einen Platz zwischen euch, so wie ich ihn im Leben hatte.“ Typisch HPS aus L. Auf der einen Seite der hartnäckige Verfechter steuer- und verfassungsrechtlicher Ansprüche für seine Mandanten. Andererseits der liebenswürdige, auch lebenslustige Mensch, Kamerad, Freund, der seine Ehefrau Brigitte, die immer zu ihm hielt, liebte. Auch den freundlichen, mitunter freundschaftlichen Gedankenaustausch mit vielen Weggefährten pflegte er. Zu seinen Hobbys zählte eine eigene, regelmäßige Radiosendung mit und über Oldies. Viele haben einen wichtigen steuerrechtlichen Leuchtturm sowie einen guten Freund verloren. Ich bin tieftraurig über diesen Verlust.

Steuerberater Hans-Peter Schneider hat sich um das deutsche Steuerrecht aus der Praxis heraus verdient gemacht. So hat er mit zahlreichen erfolgreichen gerichtlichen Grundsatzverfahren (etwa zur Erhöhung des einkommensteuerlichen Grundfreibetrags, an der ein Jung-Richter namens Balke beteiligt war) mit seinem „Schneider-Team“ und seinem kongenialen Partner Rechtsanwalt Gerhard Geckle das Steuerrecht in Deutschland nachhaltig beeinflusst. Selbst mit seinen weniger erfolgreichen Verfahren (etwa gegen das exorbitant hohe Steuerprivileg der Bundestagsabgeordneten als mein Kläger-Vertreter vor dem Bundesfinanzhof) hat er bundesweit Rechtsbewusstsein geschaffen. Hans-Peter Schneider ist auch als Fachautor zu Grundsatzproblemen des Steuerrechts in verschiedenen Medien in Erscheinung getreten.

Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof hatte immer wieder öffentlich darauf hingewiesen, dass zwar das Verfassungsgericht ein Staatsorgan „mit gefesselten Händen“ sei, aber jeder Rechtsuchende diese Fesseln durch seinen Antrag lösen könne. Damit knüpfte Paul Kirchhof an die wegweisende Steuergerechtigkeitsschrift von Klaus Tipke an, in der er im Jahr 1981 verlautbarte, dass – so wörtlich – „letztlich nur die Richter die Gerechtigkeitsfunktion des Steuerrechts sichern können“. Hans-Peter Schneider hat diese Erkenntnisse der Steuerrechtswissenschaft wie kaum ein anderer Praktiker in seiner rechtswissenschaftlich orientierten steuerlichen Durchsetzungsberatung aufgenommen. Er sagte einmal in einem Interview: „Es müsste auf viel breiterer Front gestritten werden, auch stärker getragen von Verbänden und Kammern“. Möge dieser Wunsch unseres „Verfassungs-Schneiders“ nach vermehrtem Verfassungsrechtsstreit in Steuersachen im Sinne des Gemeinwohls nach und nach in Erfüllung gehen.


Dieser Nachruf ist zugleich im markt intern Verlag veröffentlicht worden.