Ein Tag nach der Bundestagswahl: SPD schließt GroKo aus – Welche Steuerpolitik bringt Jamaika?

Am 24.09.2017 haben die Deutschen den 19. Deutschen Bundestag gewählt. Bevor sich die neue Koalition gefunden und ein Programm gegeben hat, werden noch etliche Wochen ins Land gehen. Startpunkt für die Koalitionsverhandlungen sind die Wahlprogramme der Parteien. Dieser Blogbeitrag gibt einen Überblick, welche Punkte in den Verhandlungen auf den Tisch kommen.

Nach dem gestrigen Wahlergebnis und den ersten Reaktionen der Parteien scheint derzeit alles auf eine Koalition von CDU, CSU, FDP und Grünen hinauszulaufen. Nach der politischen Farbenlehre entspricht das der Nationalflagge der Karibikinsel Jamaika. Auch wenn nun lange und schwierige Koalitionsverhandlungen bevorstehen, werden sich die Vier am Ende wohl zusammenraufen. Wie könnte der Steuerteil des Koalitionsvertrags aussehen?

Formsache Steuersenkungen?

Eigentlich ist die Angelegenheit klar. Die Union forderte je nach Lesart zwischen 15 und 19 Mrd. Euro Steuersenkungen, die FDP wünscht gar 30 Mrd. Euro Nachlass. Dem haben die Grünen programmatisch kaum etwas entgegenzusetzen. In ihrem Programm war nur von der Anhebung des Grundfreibetrags sowie des Steuersatzes ab 100.000 Euro zu versteuerndem Einkommen die Rede. Ihr „Ja“ zu Steuersenkungen im Bereich von ca. 20 Mrd. Euro lassen sich die Grünen vermutlich mit Zugeständnissen an anderer Stelle „entlohnen“. Damit ist der Weg frei, sowohl eine Tarifsenkung bei der Einkommensteuer als auch einen ersten Schritt zur Soli-Abschaffung in Angriff zu nehmen. Denkbar ist allerdings, dass eine im Bundesrat weiterhin starke SPD mögliche Einkommensteuersenkungen wieder etwas zusammenstreicht. Ganz verweigern können sich aber die Sozialdemokraten nicht, denn auch die SPD wollte laut Wahlprogramm die Steuern um immerhin 10 Mrd. Euro senken.

Unternehmensbesteuerung: Viele Details statt großer Wurf

Eine umfassende nationale Unternehmensteuerreform ist nicht zu erwarten. Das geben die Programme dieser Parteien nicht her bzw. sie delegieren es nach Europa. So wird die neue Bundesregierung die Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKB) und im Grundsatz auch deren weitergehende konsolidierte Variante GKKB unterstützen. Ob das ambitionierte EU-Projekt auch tatsächlich Gestalt annimmt, entscheidet sich allerdings nicht nur in Berlin. Gut möglich, dass als Schrittmacher die Angleichung der deutschen mit der französischen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage vorangetrieben wird. Das gilt vor allem dann, falls Wolfgang Schäuble Finanzminister bleibt.

Beim Steuertarif profitieren Personengesellschaften von den wahrscheinlichen Nachlässen bei ESt und Soli. Für Kapitalgesellschaften bleibt es wohl beim Körperschaftsteuersatz von 15%. Ihnen kommt aber ggf. die Soli-Senkung zugute.

Im Treibsand steckt weiterhin eine Reform oder gar Abschaffung der Gewerbesteuer fest. Die Union will ihren Frieden mit den Kommunen und wird die sich ohnehin entgegenstehenden Reformideen der kleineren Partner abwehren. Damit bleiben die Vorschläge von FDP (langfristig Gewerbesteuer ersetzen, zumindest die Hinzurechnungen reduzieren und den Freibetrag anheben) und Grünen (Freiberufler einbeziehen) wohl auf der Strecke.

Für das Steuerbilanzrecht liegen etliche, zumeist begrüßenswerte Vorschläge auf dem Tisch, von denen es sicherlich einige in den Koalitionsvertrag schaffen werden. Grüne und Liberale wollen die GWG-Grenze anheben, die FDP darüber hinaus u.a. die degressive AfA wiedereinführen und digitale Anlagegüter über maximal drei Jahre abschreiben. Die Union will Mietwohnungsneubau und die energetische Sanierung steuerlich fördern, womöglich über Sonderabschreibungen o.ä. Die mit Abstand wichtigste Neuerung wäre die FDP-Forderung, den vollkommen realitätsfernen Abzinsungssatz von 6% für Pensionsrückstellungen zu senken. Konsequenterweise sollten aber sämtliche Rückstellungen einbezogen werden – was leider keine Partei gefordert hat.

Weiterhin Priorität: Kampf gegen Steuervermeidung

In jedem Fall wird sich die nächste Regierung klar zum Kampf gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung und den internationalen Initiativen von OECD/G20 und EU bekennen. Die Frage wird sein, wie stark mit rein nationalen Maßnahmen draufgesattelt wird. Die Grüne gehen mit einem bunten Strauß an Forderungen in die Verhandlungen. Vermutlich werden die bürgerlichen Parteien hier Zugeständnisse machen müssen. Im Gegenzug sollten sie die Bundesregierung aber auf einen skeptischen Kurs zum von der EU geforderten öffentlichen Country-by-Country-Reporting festlegen.

Endlich: Steuerliche FuE-Förderung

An einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung führt kein Weg mehr vorbei. Dazu bekennen sich alle Parteien eindeutig in ihren Programmen. Einigkeit besteht auch darin, eine Steuergutschrift auf den FuE-Aufwand zu gewähren, die in Verlustjahren, wenn keine Verrechnung mit der Steuerschuld möglich ist, ausgezahlt werden soll. Der Fördersatz dürfte bei 10 bis 15% liegen. Fraglich ist, ob nur Personal- oder auch anderer Aufwand förderfähig ist. Bis auf die FDP wollen alle anderen Parteien die Förderung auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) einschränken, auch um die Steuerausfälle zu begrenzen.

Zeitweilig wurde diskutiert, FuE-Personalaufwand bereits unterjährig durch eine Gutschrift auf die Lohnsteuer zu fördern. Das hätte einen unverzüglichen Liquiditätseffekt zur Folge. Dem Vernehmen nach dürfte sich aber das BMF dagegen sperren, da die Lohnsteuervariante als zu kompliziert gilt. Ohnehin sitzen die größten Skeptiker der steuerlichen FuE-Förderung in der BMF-Steuerabteilung. Das birgt die Gefahr von Verzögerungen bei der Umsetzung. Geht es nach den Wahlprogrammen, sind außerdem Fördermaßnahmen für Start-ups und Wagniskapital zu erwarten.

Deal beim Grunderwerb?

Der Politik ist die vermeintliche Steuerbegünstigung für Unternehmen, die bei Share Deals mit unter 95% Anteilerwerb keine Grunderwerbsteuer zahlen müssen, seit einiger Zeit ein Dorn im Auge. Als politischer Deal bietet sich an, das den Unternehmen abgeknöpfte Mehraufkommen sogleich an private Häuslebauer weiterzureichen, indem man diesen einen Grunderwerbsteuer-Freibetrag einräumt. Dass maßgebliche Politiker in den voraussichtlich neuen Koalitionsparteien genau in diese Richtung denken, zeigt eine Initiative, die erst am vergangenen Freitag von den Ländern Nordrhein-Westfalen (regiert von Schwarz-Gelb) und Schleswig-Holstein (Jamaika-Koalition) in den Bundesrat eingebracht wurde. Gefordert wird ein Freibetrag für natürliche Personen und im Gegenzug eine stärkere Share-Deal-Besteuerung.

Abgeltungsteuer vor dem Ende

Nachdem auch die Union im Wahlkampf eingeschwenkt war, scheint das Ende der Abgeltungsteuer beschlossene Sache. Die FDP, die als einzige Partei nicht offen die Abschaffung der Abgeltungsteuer fordert, wird sich ebenfalls nicht für die Beibehaltung verkämpfen. Um eine Doppelbesteuerung der Gewinne von Kapitalgesellschaften zu vermeiden, ist eine Annäherung an das vorherige Halbeinkünfte- bzw. Teileinkünfteverfahren zu erwarten.

 

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