Goodwill – Impairment-only-Ansatz als böser Bube?

Seit vielen Jahren ist die Folgebewertung des Geschäfts- oder Firmenwertes, neudeutsch Goodwill, umstritten. Während nach deutschem Recht unverändert und früher auch nach den IFRS eine planmäßige Abschreibung erforderlich ist bzw. war, gilt in den IFRS heute der sogenannte Impairment-only-Ansatz. Danach wird der Goodwill nicht planmäßig über eine „Nutzungsdauer“ abgeschrieben, sondern muss mindestens einmal jährlich auf seine Werthaltigkeit hin überprüft werden. Ist er nicht mehr werthaltig, muss er außerplanmäßig abgeschrieben werden.

Seit einiger Zeit ist diese Folgebewertung des Goodwills im Rahmen eines sogenannten Post-implementation Reviews in der Diskussion. Der IASB beschäftigte sich hier zuletzt insbesondere mit den Fragen, ob es zusätzlicher Angaben und einer Fortentwicklung und ggf. auch Vereinfachung der Wertermittlungsvorschriften bedarf. Gerade deutsche Kommentatoren stellen immer wieder gerne den Grundansatz als solchen in Frage und treten für die Wiedereinführung der planmäßigen Abschreibung ein.

Mit dem Impairment-only-Ansatz wurde in den IFRS das Problem beseitigt, eine in der Regel nicht willkürfrei bestimmbare Nutzungsdauer für den Goodwill festzulegen. Dem steht das handelsrechtliche Bilanzrecht gegenüber, wonach eine planmäßige Abschreibung über die Nutzungsdauer zu erfolgen hat. Jedoch zeigte eine empirische Auswertung der Anhangangaben zur Begründung der Nutzungsdauer, dass kaum eine sachlich begründete Nutzungsdauer festgelegt wurde. Das mit dem Impairment-only-Ansatz beseitigte Problem der Nutzungsdauerfestlegung ist also tatsächlich existent. In der Praxis führt das Problem zur Möglichkeit einer gewinnmindernden Verteilung des Goodwills über einen mehr oder weniger willkürlich gewählten Zeitraum.

Nicht umsonst hat der deutsche Gesetzgeber in Umsetzung des europäischen Bilanzrechts als Rückfalllösung bei fehlender Feststellbarkeit einer betrieblichen Nutzungsdauer eine pauschale Nutzungsdauer von 10 Jahren festgeschrieben. Das deutsche Vorsichtsprinzip wurde dabei dem Lobbyismus geopfert. Dem Gesetzgeber stand europarechtlich ein Zeitrahmen von 5 bis 10 Jahren offen. Er hat sich für die Obergrenze von 10 Jahren entschieden, was bei fehlender Feststellbarkeit einer betrieblichen Nutzungsdauer eine gemächliche gewinnmindernde Verrechnung des Goodwills ermöglicht und das jährliche Ergebnis schont. Das ist aber gerade nicht mit dem Vorsichtsprinzip vereinbar und wurde bereits in einem früheren Blog problematisiert.

Im Zusammenhang mit dem Impairment-only-Ansatz der IFRS wird jetzt wieder kritisiert, überhöhte Übernahmepreise bei Unternehmenskäufen würden als Goodwill aktiviert und dann nicht abgeschrieben. Dabei sei angemerkt, dass der Wert eines Unternehmens nach einem Zukunftserfolgswertfahren ermittelt wird. Danach werden die künftigen Überschüsse geschätzt und mit einem adäquaten Zins auf den Bewertungsstichtag abgezinst (diskontiert).

Teils wird vorgebracht, der Rückgang von erwarteten Überschüssen in Krisenzeiten, insb. in der Finanzkrise, führe nicht zu einem Rückgang der errechneten Unternehmenswerte, weil die Zinsen gesunken seien. Diese Kritik läuft jedoch ins Leere, weil es gerade in der Bewertungsmethodik des Zukunftserfolgswertes etwa nach dem DCF-Verfahren liegt, dass Rückgänge des Diskontierungszinses den Barwert erhöhen.

Wie kann es aber überhaupt zu überhöhten Kaufpreisen kommen. Die Erfahrung lehrt, dass hier vielfach die Vernunft der bewertenden Fachleute schlicht neutralisiert wird. Das kann etwa durch sogenannte „strategische Zuschläge“ erfolgen. Der Fachmann oder die Fachfrau rechnet einen Wert aus, den man beim Unternehmenskauf höchstens bezahlen darf. Der Vorstand bzw. die Geschäftsführung macht darauf einen strategischen Zuschlag und zahlt mehr. Die wahre Begründung des Zuschlags kann man vielleicht in einer „Ich will es aber sofort haben“-Mentalität des Vorstands vermuten. Gibt es einen „strategischen Mehrwert“, ist dieser im zutreffend errechneten Zukunftserfolgswert bereits enthalten. Ein weiterer Zuschlag ist dann betriebswirtschaftlich nicht mehr begründbar.

Eine elegantere Variante des Hochrechnens des Unternehmenswertes ist die Einrechnung eines Zuschlags in die geschätzten künftigen Überschüsse. Nur sollte man jedem Bewerter empfehlen, entsprechende Vorgaben der Geschäftsführung kritisch zu hinterfragen. Jedenfalls ist das Zustandekommen überhöhter Kaufpreise als Folge überhöhter Unternehmenswerte auch Indiz für ein Versagen des etwaig vorhandenen Aufsichtsorgans, in der Regel eines Aufsichtsrats.

Welche Rolle spielt jetzt aber die Rechnungslegung. Ein überhöhter Kaufpreis führt zwingend zu einer außerplanmäßigen Abschreibung des Goodwills. Gerade das Prinzip des Impairment-only-Ansatzes ist grundsätzlich geeignet, überhöhte Kaufpreise, aber auch später eintretende Wertminderungen aufzudecken. Wird im Rahmen der Überprüfung der Werthaltigkeit mit realistischen Annahmen gearbeitet, sollte ein überhöhter Kaufpreis sofort aufgedeckt werden und zur Abschreibung führen. Die Fehlentscheidung der Unternehmensleitung des erwerbenden Unternehmens ist entlarvt. Die Rechnungslegung wird ihrer Rechenschaftsfunktion gerecht.

Um eine zutreffende Rechnungslegung zu sichern, sind die betroffenen IFRS-Abschlüsse von einem unabhängigen Abschlussprüfer zu prüfen. Darüber hinaus nimmt sich auch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung solche Abschlüsse regelmäßig vor. Schließlich unterliegt der Abschlussprüfer mit seiner Tätigkeit der unabhängigen Berufsaufsicht. Sollte also der Verdacht bestehen, es würden eigentlich notwendige Abschreibungen unterlassen, muss man am Erstellungs- und Prüfungsprozess für den Abschluss ansetzen. Nicht der Impairment-only-Ansatz wäre dann das Problem, sondern seine praktische Umsetzung. In diesem Sinne versucht auch der IASB derzeit eine Reform des Verfahrens.

Eigentlich besteht die Notwendigkeit zur außerplanmäßigen Abschreibung eines überhöhten Goodwills ebenso in der handelsrechtlichen Rechnungslegung. Nur scheint die Praxis hier unter dem Deckmäntelchen der planmäßigen Abschreibung auf außerplanmäßige Abschreibungen zu verzichten, soweit das wegen für jedermann offensichtlich fehlender Werthaltigkeit des Goodwills nicht unvermeidbar wird, z.B. bei unvermeidbarer Restrukturierung oder gar drohender Pleite des gekauften Unternehmens. Von vorneherein überhöhte Kaufpreise oder später eintretende Wertminderungen des Goodwills werden damit nicht sichtbar. Die Fehlentscheidung der Unternehmensleitung bleibt für die Abschlussadressaten verborgen. Der Abschluss genügt nicht seiner Rechenschaftsfunktion. So lässt sich leicht verstehen, warum die planmäßige Abschreibung des Goodwills über einen mehr oder weniger willkürlichen Zeitraum oder über den wohl erfolgreichem Lobbyismus geschuldeten pauschalen Zeitraum von 10 Jahren in der Praxis so beliebt ist.

Die Diskussion ließe sich vertiefen und um weitere Argumente ergänzen. Nur sprengt das wieder einmal den Rahmen des Blogs.

Lesen Sie hierzu folgende meiner Beiträge im NWB Experten-Blog:

Empirische Auswertung:

Mujkanovic/Roland, Goodwill-Bilanzierung nach BilMoG – Rechtsverweigerung durch die Praxis? StuB 2012, S. 379-386

 

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