Ist das Flughafengelände die erste Tätigkeitsstätte eines Piloten?

Ist das Flughafengelände die erste Tätigkeitsstätte eines Piloten? Wenn es nach der Finanzverwaltung und dem FG Köln geht, lautet die Antwort eindeutig „Ja“. Doch die endgültige Antwort muss nun der BFH in einem Revisionsverfahren geben (FG Köln, Urteil vom 4.12.2024, 12 K 1369/21; Rev. VI R 4/25).

Der Sachverhalt in aller Kürze:

Der Kläger ist Flugzeugführer bei der A-AG und arbeitsrechtlich dem Stationierungsflughafen B zugewiesen. Im Streitjahr flog der Kläger Langstrecke und musste, wie auch die Crew des jeweiligen Fluges, eine Stunde 50 Minuten vor dem Abflug am Flughafen sein und sich dort online einchecken. Im Streitjahr fuhr der Kläger fast ausschließlich mit dem Auto zum Flughafen in B. Mit der Steuererklärung 2018 machte er für 73 Fahrten zum Flughafen B 300 gefahrene Kilometer (Hin- und Rückfahrt) mit der Dienstreisepauschale von 30 Cent als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrten lediglich als Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit der Entfernungspauschale. Hiergegen wandte sich der Pilot, unterlag aber vor dem FG.

Die Begründung – ebenfalls in aller Kürze:

Der Flughafen B ist eine großräumige, räumlich abgrenzbare und ortsfeste Einrichtung, die in einem organisatorischen, technischen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit der A-AG steht. Er dient als Stationierungsort von Flugzeugen der A-AG und ist Ausgangspunkt von deren Flügen. Der Kläger ist auch arbeitsrechtlich von der A-AG dem Flughafen B zugeordnet. Die Zuordnung war zudem dauerhaft, weil laut Arbeitsvertrag und Versetzungsschreiben keine Befristung für die Zuweisung zum Flughafen B vorgesehen wurde. In diesem Zusammenhang ist es auch unerheblich, dass der Kläger nicht arbeitstäglich zum Flughafen B gefahren ist. Schließlich wurde der Kläger in Erfüllung seines Arbeitsvertrages auch im hinreichenden Umfang seinem Berufsbild als Pilot entsprechend am Flughafen B tätig, um diesen als erste Tätigkeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 4 EStG einzuordnen.

Vor einigen Jahren hatte der BFH – zur alten Rechtslage bis 2013 – entschieden, dass bei Piloten und Flugbegleitern weder der Einsatzflughafen noch das Flugzeug eine regelmäßige Arbeitsstätte darstellen. Regelmäßige Arbeitsstätte sei der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit in einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers. An diesem Ort habe der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung schwerpunktmäßig zu erbringen. Der Heimatflughafen sei nicht die regelmäßige Arbeitsstätte, weil er nicht der Mittelpunkt der Tätigkeit ist und hier die Arbeit nicht schwerpunktmäßig erbracht wird. Und das Flugzeug sei es nicht, weil es keine ortsfeste Einrichtung des Arbeitgebers ist (BFH-Urteile vom 26.2.2014, VI R 54/13 und VI R 68/12).

Auch das FG Köln geht davon aus, dass das Cockpit eines Flugzeuges keine ortsfeste Einrichtung ist. Hieraus könne jedoch nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sämtliche Tätigkeiten eines Piloten im Cockpit eines Flugzeugs für die Frage unberücksichtigt bleiben, ob er im hinreichenden Umfang arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeiten erbringt, die dem Berufsbild als Pilot entsprechen. Vielmehr seien sämtliche arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten des Piloten auf der „großräumigen Tätigkeitsstätte Flughafen“ zu berücksichtigen. Der Umstand, dass sich der Pilot hierbei teils in einem „ortsveränderlichen Fahrzeug“, also dem Flugzeug, befindet, ändere hieran nichts. Denn auch Tätigkeiten in seinem Fahrzeug auf einer großräumigen Tätigkeitsstätte werden an dieser erbracht. Es komme mithin nicht auf die Ortsveränderlichkeit des Fahrzeugs, sondern auf die Ortsfestigkeit des Flughafengeländes an, wo die Tätigkeiten erbracht werden.

Denkanstoß:

Allzu große Hoffnungen auf einen positiven Ausgang des Revisionsverfahrens sollten sich Piloten – und auch Flugbegleiter – nicht machen, denn der BFH hatte bereits zwei Urteile zu ähnlichen Fällen im Wesentlichen bestätigt (BFH-Urteile vom 10.4.2019, VI R 17/17 und vom 11.4.2019, VI R 40/16). So hatte die eine Vorinstanz, das FG Hamburg, entschieden, dass bei Piloten der Einsatzflughafen die erste Tätigkeitsstätte ist. Folglich können sie für die Fahrten zwischen dem Wohnsitz und dem Einsatz- oder Heimatflughafen nur die Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend machen (FG Hamburg, Urteil vom 13.10.2016, 6 K 20/16). Und auch die andere Vorinstanz, das Hessische FG, hat geurteilt, dass bei Piloten und Flugbegleitern der im Arbeitsvertrag festgelegte Flughafen die erste Tätigkeitsstätte ist. Wo der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit liege, sei seit der Rechtslage ab 2014 nicht mehr entscheidend (FG Hessen, Urteil vom 23.2.2017, 1 K 1824/15).

Doch warten wir einmal ab. Vielleicht ändert der BFH seine Auffassung – oder „konkretisiert“ diese. Jedenfalls sollten sich Betroffene zunächst auf das BFH-Verfahren berufen und ihre eigenen Fälle bei ähnlich gelagerten Sachverhalten offenhalten.

Weitere Informationen:
NWB Online-Nachricht: Einkommensteuer | Erste Tätigkeitsstätte eines Piloten (FG)

Ein Beitrag von:

  • Christian Herold

    • Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
    • Autor zahlreicher Fachbeiträge
    • Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe

    Warum blogge ich hier?

    Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.

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