Kein Anspruch der Bundesagentur für Arbeit gegen Entschädigungsbehörde auf Erstattung von Arbeitslosengeld für Leistungsempfänger in Corona-Quarantäne

Die Bundesanstalt für Arbeit (BfA) hat keinen Erstattungsanspruch nach dem IfSG wegen der Zahlung von Arbeitslosengeld an einen Leistungsempfänger, der sich aufgrund behördlicher Anordnung in häuslicher Quarantäne befand – das hat das BVerwG am 22.5.2025 entschieden (BVerwG 3 C 1.24).

Rechtlicher Hintergrund

Wer aufgrund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 S.2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterlag und dadurch einen Verdienstausfall erlitt, erhielt nach § 56 Abs.1 IfSG eine Entschädigung in Geld.

Das Gleiche galt für Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtige abgesondert wurden. Bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen konnten. Der Anspruch auf Entschädigung ging nach § 56 Abs.9 IfSG insoweit, als dem Entschädigungsberechtigten Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld für die gleiche Zeit zu gewähren ist, auf die Bundesagentur für Arbeit über.

Sachverhalt im Streitfall

Die BfA zahlte einem Leistungsempfänger für Dezember 2020 Arbeitslosengeld nach dem SGB III. Für den Zeitraum vom 8. bis 22.12.2020 ordnete das Gesundheitsamt die Absonderung des Leistungsempfängers an, weil er als ansteckungsverdächtig i. S. d. IfSG anzusehen sei. Die BfA machte daraufhin gegenüber der zuständigen Behörde einen Zahlungsanspruch in Höhe des auf den Absonderungszeitraum entfallenden Arbeitslosengelds zuzüglich anteiliger Sozialversicherungsbeiträge geltend; der Entschädigungsanspruch des Leistungsempfängers sei gemäß § 56 Abs. 9 IfSG auf sie übergegangen.

Gegen den ablehnenden Bescheid der Behörde hat sie Klage zum Verwaltungsgericht erhoben. Das VG (VG Frankfurt/M v. 1.11.2023 – 5 K 452/23.F) hat die Klage abgewiesen. Es fehle an einem Entschädigungsanspruch des Leistungsempfängers, der auf die Klägerin übergehen könne.

Entscheidung des BVerwG

Die vom VG zugelassene Sprungrevision war jetzt auch vor dem BVerwG erfolglos: § 56 Abs. 9 i. V. m. § 56 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG bietet keine Grundlage für den geltend gemachten Anspruch. Nach § 56 Abs. 9 IfSG geht der Anspruch auf Entschädigung auf die Bundesagentur für Arbeit über, soweit dem Entschädigungsberechtigten Arbeitslosengeld für die gleiche Zeit zu gewähren ist.

Erforderlich ist also, dass der von der Quarantäne Betroffene einen Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG hat. Hierfür muss er durch die Quarantäne einen Verdienstausfall erlitten haben. Der Verdienstausfall bemisst sich gemäß § 56 Abs. 3 S.1 IfSG nach dem Netto-Arbeitsentgelt. Ein solcher Verdienstausfall war beim Leistungsempfänger aber nicht eingetreten, denn wegen seiner Arbeitslosigkeit hätte er auch ohne die Quarantäne kein Arbeitsentgelt gehabt. Für einen Erstattungsanspruch der BfA unabhängig vom Eintritt eines Verdienstausfalls bei dem von der infektionsschutzrechtlichen Maßnahme Betroffenen bietet das Gesetz keine Grundlage.

Einordnung der Entscheidung

Die rechtlichen Folgen der Corona-Pandemie ab Frühjahr 2020 sind auch fünf Jahre nach Ausbruch der Pandemie noch nicht vollständig bewältigt und werden auch die Rechtsprechung noch eine ganze Weile in Atem halten.

Zuletzt hat das OVG Münster in zwei rechtskräftigen Entscheidungen zur Rückzahlungspflicht bei Corona-Soforthilfe geurteilt, die zu Beginn der Pandemie zur Linderung der pandemiebedingten Liquiditätsengpässe auf Länderebene nach Maßgabe von Bewilligungsrichtlinien gezahlt worden waren. Ich habe dazu im Blog unlängst berichtet: Kein Pardon bei der Rückzahlung von Corona-Soforthilfen!

Die vorliegende Entscheidung des BVerwG ist ein weiterer wichtiger Mosaikstein für das Verständnis des infektionsschutzrechtlichen Erstattungsanspruchs nach § 56 IfSG. Das BVerwG hat jetzt klargestellt, dass ein Erstattungsanspruch einen Verdienstausfall des Leistungsempfängers voraussetzt. Hieran fehlt es aber, da ein Empfänger von Arbeitslosengeld keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt hat, auf das das IfSG in § 56 Abs.3 IfSG anspruchsbegründend abhebt.

 

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Ein Beitrag von:

  • Prof. Dr. jur. Ralf Jahn

    • Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
    • Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
    • Honorarprofessor an der Universität Würzburg

    Warum blogge ich hier?
    Mein erster Blog bietet die Möglichkeit, das Thema der Pflicht der „Pflichtmitgliedschaft in Kammern“ „anzustoßen“ und in die Diskussion zu bringen. Bei genauem Hinsehen sichert der „Kammerzwang“ nämlich Freiheitsrechte durch die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Partizipation.

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