Die Beihilfeuntersuchungen der EU-Kommission (EU-KOM) sind im vergangenen Jahr zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Zwar ist grundsätzlich vor der Vergabe einer Subvention durch einen der EU-Mitgliedstaaten die EU-KOM anzurufen. Allerdings gibt es auch im Beihilferecht diverse Grauzonen, die so lange unter dem Radar bleiben, bis sie durch Untersuchungen der EU-KOM selber oder durch Beschwerden von Mitstreitern des Unternehmens, Privatpersonen oder Medien zu Tage treten. Die Überprüfung der nicht im Voraus gemeldeten staatlichen Vergaben steht der Prüfung von angemeldeten Beihilfen in seiner Komplexität und Streitanfälligkeit in nichts nach – mit dem zumeist entscheidenden Unterschied, dass der Verdacht im Raum steht, bei einer nicht zuvor gemeldeten Geldvergabe sei auch etwas zu verstecken gewesen.
Beihilfeuntersuchungen im förmlichen Prüfverfahren
Dieser Verdachtsmoment wird verstärkt, wenn durch komplexe Unternehmensstrukturen von weltweit agierenden Konzernen mit unterschiedlichen Geldströmen ein Netz gestrickt wird, welches schwerlich durchsichtig ist. Steht der Beihilfeverdacht im Raum, wird eine Untersuchung im förmlichen Prüfverfahren durchgeführt. Es muss festgestellt werden, ob tatsächlich eine Beihilfe gewährt wurde, die den zwischenstaatlichen Handel in der EU beeinträchtigt und nur bestimmte Unternehmen in selektiver Weise davon profitieren.
Steuervergünstigung als Beihilfe
Besonders undurchsichtig erscheinen Fälle, in denen nicht direkt Geld gezahlt wird, sondern Steuervergünstigungen für bestimmte Unternehmen gewährt werden. Für Apple kam es aufgrund einer gewährten steuerlichen Vergünstigung durch Irland zu einem Beihilfeverfahren, welches in einer Rückzahlung der gewährten 13 Mrd. Euro führte. Beklagt wurde die vom Finanzamt gebilligte Zuweisungsmethode der Gewinne, die zu einem effektiven Körperschaftsteuersatz von 1% führte. Die Rückzahlung ist zuzüglich Zinsen zu leisten.
Steuervorbescheide im automatischen Informationsaustausch
Die Überprüfung von Steuervorbescheiden war nicht nur im Fall Apple der Auslöser zur Beihilfeuntersuchung, sondern auch bereits bei Starbucks und Amazon (Luxemburg) sowie Fiat (Niederlande). Diese weltweit agierenden Konzerne sind durch die in den Mitgliedstaaten angestrebte Steuertransparenz in den Fokus gerückt, die durch einen automatischen Informationsaustausch über Steuervorbescheide erzielt werden soll.
Die Steuervorbescheide als solche stellen dabei nicht das Problem dar. Diese sollen den Unternehmen helfen, die Berechnung der zu entrichtenden Körperschaftsteuer vorzunehmen und zu erfahren, welche Steuervorschriften für die Unternehmen im entsprechenden Land Anwendung finden. Bei den überprüften multinationalen Unternehmen wurden durch die Steuervorbescheide allerdings Gewinnermittlungsmethoden genehmigt, die nicht der wirtschaftlichen Realität entsprechen, da sie künstliche aufgesetzt waren. Insbesondere entsprechen die gewählten Verrechnungspreise nicht den Marktbedingungen und waren folglich nicht fremdvergleichskonform. Bei den Berechnungsmethoden von Starbucks, Amazon und Fiat ist die Unvereinbarkeit mit dem EU-Beihilferecht festgestellt worden.
Konsequenzen in EU-Mitgliedstaaten – „Gegenbeispiel“ McDonald´s
Über die Frage der Beihilfegewährung hinaus wurden die Unternehmen für ihre Steuerzahl-Moral kritisiert. Die öffentlich diskutierten vorgenannten Fälle haben eine gewisse „Prangerwirkung“ herbeigeführt. Es wurde eine allgemeine Fairnessdebatte ausgelöst, die sich auf die Möglichkeit der multinationalen Unternehmen bezieht, ihre Gewinne u.a. durch Verrechnungspreisgestaltungen verlagern zu können und damit weniger Steuern zahlen zu müssen. Demgegenüber besteht für kleine und mittlere Unternehmen eine solche Möglichkeit nicht, sodass sie (richtigerweise) auf Grundlage ihrer tatsächlichen Gewinne besteuert werden.
Ein neues Beispiel zeigt der Beihilfefall zu McDonald´s auf: Die doppelte Nichtbesteuerung bestimmter Gewinne durch Luxemburg hat in diesem Fall nicht zur Feststellung einer unzulässigen Beihilfegewährung geführt. Die Ursache der doppelten Nichtbesteuerung lag nicht in der Gewährung eines unzulässigen Steuervorteils, sondern in der Unvereinbarkeit des Steuerrechts von Luxemburg mit dem der USA und einer mangelnden Abstimmung im DBA zwischen den Staaten. Als Konsequenz aus diesem Falle und zur Abstimmung der luxemburgischen Regelungen mit dem OECD/G20 Projekt zur Verhinderung von Gewinnverkürzung und -verlagerung will Luxemburg die Fälle doppelter Nichtbesteuerung durch gesetzgeberisches Tätigwerden künftig vermeiden. An diesem Beispiel zeigt sich gleichwohl die Limitierung der Beihilfevorschriften, die nicht jede steuerliche Ungleichheit beseitigen können. Bestehende Schlupflöcher zur Steuerumgehung müssen demnach an der Wurzel gepackt werden; sie können nicht nur nachträglich im Wege der Beihilfeprüfung glatt gezogen werden sondern müssen mittels eines internationalen Konsensus, am Beispiel McDonald´s an der Betriebsstättendefinition, ansetzen.
Derzeitige Beihilfe-Prüfverfahren bestehen noch bei Ikea (Niederlande) und in Bezug auf die Steuerregelungen aus dem UK für Transaktionen multinationaler Unternehmen. In letzterer Untersuchung stehen Vorschriften für beherrschte ausländische Unternehmen (sog. Hinzurechnungsbesteuerung) im Fokus, die bestimmte Ausnahmen für in UK tätige Multinationals vorsehen.