Sudoku vor dem EuGH – wenn Zahlenrätsel den Steuersatz knacken

Es war ein ganz normaler Abend. Ich saß gemütlich auf der Couch, Handy in der Hand, und scrollte durch die Nachrichten. Plötzlich sprang mir eine Überschrift ins Auge: „EuGH entscheidet über Mehrwertsteuersatz für Sudoku-Rätsel“. Erst habe ich den Kopf geschüttelt, dann geschmunzelt und schließlich gedacht: Warum eigentlich nicht? Jede Nachricht hat ihre Daseinsberechtigung – und im Steuerrecht ist gefühlt mehr ungeklärt als sicher beantwortet.

Der Ausgangspunkt

Ein Verlag brachte Sudoku-Hefte auf den Markt – klassisch auf Papier, mit den bekannten Zahlenkästchen zum Ausfüllen. Das Finanzamt sah darin allerdings kein buchähnliches Erzeugnis und wollte den vollen Mehrwertsteuersatz anwenden. Ein Sudoku-Heft enthalte keine geistigen Schöpfungen in Form von Text oder fortlaufender Lektüre, sondern nur Rätselgitter – das sei eher ein Spiel als ein Druckwerk.

Der Verlag widersprach: Ein gedrucktes Heft sei ein gedrucktes Heft – ob darin nun Romane, Kochrezepte oder Rätsel stehen, sollte für die Steuer keine Rolle spielen. Schließlich sind auch Zahlen in gewisser Weise eine Schrift.

Von der Couch nach Luxemburg

Was wie eine kuriose Randnotiz klingt, entwickelte sich zu einem handfesten Rechtsstreit. Über die nationalen Gerichte landete die Frage beim Europäischen Gerichtshof. Dort ging es um die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur und dem Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren. Zwei Werke, mit denen wir Steuerexperten nahezu täglich arbeiten, oder?

Es wurde sprachlich und inhaltlich knifflig. Die deutsche Fassung spricht von „Zeitungen und anderen periodischen Druckschriften“, die englische von „Zeitungen, Zeitschriften und Periodika“, die französische von „Zeitungen und regelmäßig veröffentlichten Druckerzeugnissen“.

Die entscheidende Streitfrage: Sind nur Druckwerke mit fortlaufendem Text und inhaltlichem Informationswert erfasst oder sind alle gedruckten, körperlichen Werke umfasst – unabhängig davon, ob darin Romane, Kochrezepte, Bilder oder Rätselkästchen stehen? Die unterschiedlichen Sprachversionen sind übrigens deshalb von Bedeutung, weil bei der Auslegung und dem Verständnis allein die französische und englische Fassung verbindlich sind.

Das Urteil

Der EuGH entschied: Gedruckte Sudoku-Hefte können wie Bücher oder ähnliche Erzeugnisse dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliegen. Entscheidend sei nicht, ob das Werk vor allem aus Text oder aus Zahlen besteht, sondern dass es ein gedrucktes, körperliches Werk ist, das auf Dauer genutzt werden kann. Sudokus erfüllen diese Kriterien – und haben damit steuerlich denselben Status wie Bücher.

Mehr als ein Zahlenspiel

So amüsant der Fall auf den ersten Blick wirken mag – er zeigt zweierlei: Erstens, dass Steuerrecht bis in die sprachlichen Feinheiten hineinwirkt, wenn es um europäische Vorschriften geht. Und zweitens, dass selbst die Übersetzung einzelner Begriffe darüber entscheiden kann, ob etwas steuerlich begünstigt ist. Die Botschaft für die Praxis: Es lohnt sich, genau hinzuschauen – selbst bei Begriffen, die in der Muttersprache eindeutig wirken.

Mein Fazit

Dieser Fall beweist einmal mehr, dass im Steuerrecht nichts unmöglich ist. Die Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder hatten nämlich mit Erlass des Finanzministeriums des Landes Schleswig-Holstein vom 19.04.2023 verlautbart, dass die Lieferung von Sudoku-Zeitschriften und -büchern dem Regelsteuersatz unterliegen. Nun wissen wir es besser.

Zum Schluss ein kurzes Rätsel: Warum ist Sudoku wie Steuerrecht? Weil man denkt, es gibt viele Lösungen – am Ende aber nur eine einzige wirklich stimmt.

Weitere Informationen:

EuGH  – C-375/24 Verfahrensverlauf – Status: anhängig

Lesen Sie hierzu auch:

Schlegel, Umsatzsteuersatz auf vegane Wurst: Alles hat einen Steuersatz, nur die Wurst hat zwei? (NWB 22/2025 S. 1519)

Ein Beitrag von:

  • Lutz Ritter

    • Steuerberater, LL.M.
    • Zertifizierter Berater für Gemeinnützigkeit (IFU/ISM gGmbH)
    • Mitarbeiter in der Steuerabteilung von BW PARTNER, Stuttgart

    Warum blogge ich hier?
    Steuerrecht lebt von Ideen, Gedanken und Vorstellungen. Man muss es probieren, diskutieren und streiten. Der Blog bietet die einfache Möglichkeit, einzelne Themen gezielt anzusprechen und den ein oder anderen Denkanstoß mitzugeben.

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