Tango auf Aktionärskosten

Warum die Hauptversammlung von HUGO BOSS dieses Jahr enttäuscht hat

Seit vielen Jahren nehme ich in meiner Funktion als Sprecherin der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) an der Hauptversammlung von HUGO BOSS teil. Bisher hatte ich in Sachen Corporate Governance nie Anlass zur Kritik. In diesem Jahr war das anders. Die sogenannte Tango-Affäre rund um CEO Daniel Grieder überschattete für mich die gesamte Veranstaltung.

Was es mit der Tango-Affäre auf sich hat

Die sogenannte „Tango-Affäre“ betrifft einen Plan von HUGO BOSS-CEO Daniel Grieder, gemeinsam mit dem österreichischen Unternehmer René Benko über eine Investmentgesellschaft namens „Fashion Investment Group“ schrittweise Aktien von HUGO BOSS zu erwerben und so zum Ankeraktionär zu werden. Dieses Vorhaben, intern als „Projekt Tango“ bezeichnet, wurde nicht transparent kommuniziert und war Gegenstand von Medienberichten sowie Untersuchungen durch den Aufsichtsrat und die Finanzaufsicht Bafin. Obwohl der Aufsichtsrat nach einer externen rechtlichen Prüfung keine Verstöße feststellte und Grieder sein Vertrauen aussprach, blieb die Affäre aufgrund der intransparenten Kommunikation und der Verbindung zu Benko umstritten.

Auch wenn er im Nachgang auf einen Teil seiner variablen Vergütung verzichtete – konkret auf 75.000 Euro – lagen die tatsächlichen Kosten deutlich höher. Zwei externe Rechtsgutachten wurden in Auftrag gegeben. In der Summe hat Grieder damit nur etwa ein Drittel der entstandenen Kosten getragen.

Ein seltener Gegenantrag – und verpasste Antworten

Auch wenn Daniel Grieder von der Mehrheit der Aktionäre entlastet wurde: Ein Gegenantrag des Corporate-Governance-Experten Prof. Dr. Christian Strenger war bemerkenswert. Er forderte die Nichtentlastung des Vorstandsvorsitzenden, die Nichtentlastung des Aufsichtsrats sowie die Ablehnung des Vergütungsberichts – alles mit Verweis auf die Tango-Affäre. Als SdK-Sprecherin habe ich mich diesem Antrag angeschlossen. Es geht hier um Transparenz und um Vertrauen.

Ob Daniel Grieder meiner Forderung nach einer öffentlichen Entschuldigung nachgekommen ist? Falls ja, dann habe ich das leider verpasst. Aufgrund des Antrags auf Einzelentlastung hing ich als institutionelle Vertreterin mehrfach am Telefon – anders als Privatanleger konnte ich mein Abstimmungsverhalten nicht direkt im Online-Portal ändern. Währenddessen wurden meine Fragen beantwortet – leider parallel zu den Telefonaten. So habe ich die eine oder andere Antwort schlicht nicht mitbekommen.

Immerhin: Die Antwort auf meine Frage zu den konkreten Kosten der Affäre habe ich noch erwischt. Neben dem freiwilligen Verzicht Grieders auf 75.000 Euro wurde eingeräumt, dass die beiden Gutachten deutlich höhere Summen verschlungen haben.

Vertrauen schaffen statt verschweigen

Christian Strenger hatte in seinem Antrag auch die Veröffentlichung der Gutachten zur Tango-Affäre gefordert. HUGO BOSS hat daraufhin angekündigt, den Aktionären zumindest eine Zusammenfassung der beiden Gutachten zur Verfügung zu stellen. Ich bin gespannt.

Was ich mir eigentlich von dieser Hauptversammlung erhofft hatte? Ein Positivbeispiel für Fehlerkultur. Einen professionellen Umgang mit einer heiklen Situation. Ein klares Bekenntnis zu Verantwortungsübernahme. Stattdessen blieb vieles im Unklaren. Und ja – ich bin enttäuscht.

Lesen Sie hierzu auch:

 

Ein Beitrag von:

  • Dr. Carola Rinker

    • Diplom-Volkswirtin und Unternehmensberaterin
    • Erstellung von (Gerichts-)Gutachten, Stellungnahmen und Analysen zu Bilanzierungssachverhalten
    • Fachbuchautorin
    • Anhörung als Sachverständige im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Wirecard Skandal des Deutschen Bundestages und im Finanzausschuss zum FISG
    • Mehr unter carolarinker.de

    Warum blogge ich hier?
    Aus Interesse an den Themen. Aus Spaß. Aus Netzwerk-Gründen. Als Ergänzung zu meiner Arbeit als Unternehmensberaterin und meinen Lehrveranstaltungen ist das Bloggen wunderbar geeignet. Ein Blog bietet die Möglichkeit, sich in einzelne Themen zu vertiefen – und sich anschließend mit Lesern darüber auszutauschen. Da jedes Jahr neue Jahresabschlüsse von Unternehmen vorgelegt werden und sich die Regeln der Bilanzierung ständig ändern, wird mir der Stoff nie ausgehen.

Kommentare zu diesem Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

21 − = 20

ARCHIV

Archive