Vorsteuerabzug beim Fehlen von Rechnungen – Auswirkungen auf Unternehmer

Die Umsatzsteuer ist die zweit einkommensstärkste Steuer in Deutschland. Deren Steuererhebung ist anfällig, da neben der wiederholt begangenen Steuerhinterziehung der treuhänderisch einbehaltenen Steuer vor allem die steuerehrlichen Unternehmer mit den logistischen und rechtlichen Anforderungen zu kämpfen haben. Denn der Unternehmer trägt das Risiko der rechtlich richtigen Bestimmung der abzuführenden Umsatzsteuer, deren fristgemäßen Abführung sowie des Nachweises der Berechtigung zum Vorsteuerabzug.

Richtige Entscheidung des EuGH

Der EuGH hat aus meiner Sicht im Urteil v. 21.11.2018 – Rs. C-664/16 „Vadan“ (NWB VAAAH-03378) im Ergebnis richtig entschieden. Zwar hat der Fiskus ein berechtigtes Bedürfnis nach Überprüfung und Kontrolle, jedoch sind auch die besonderen Belange des Unternehmers zu beachten, der für den Staat das Risiko der Erhebung der Steuer als eine Art zwangsverpflichteter Verwaltungshelfer übernimmt.

Schlechte Begründung durch den EuGH

So richtig die Rechtsprechung des EuGH ist, so sehr versäumt das Gericht, die notwendige Rechtssicherheit durch sorgfältige, rechtsmethodisch verankerte Begründungen herbeizuführen. Es hätte bestimmen müssen, aufgrund welcher Rechtsdogmatik es vom klaren, präzisen und für jeden eindeutig verständlichen Wortlaut der Richtlinie abweicht und welche konkreten Konsequenzen sich aus dieser Auslegung für die Ausnahmen ergeben. Eindeutig ist bislang nur, dass der EuGH an der Regel festgehalten hat, dass der Unternehmer die Originalrechnungen aufzubewahren hat. Erst wenn (unvorhergesehene) Umstände dazu führen, dass Rechnungen verloren gehen, kann entsprechend den Vorgaben des EuGH eine Ausnahme greifen. Das Gericht versäumte diese Ausnahmen dezidiert zu beschreiben. Dem Rechtsanwender offenbart sich kaum die Vorstellung des EuGH. Die dadurch bestehenbleibende Rechtsunsicherheit wird zu weiteren Rechtsstreitigkeiten führen.

Folgewirkungen für die Praxis

Es bleibt dem Unternehmer dringend anzuraten, Rechnungen sorgfältig zu archivieren und für eine Lückenlosigkeit der Buchführung zu sorgen. M.E. eignet sich hierfür vor allem auch eine unveränderliche bzw. nachvollziehbare elektronische Buchführung, da hiervon Backups als Sicherheitsvorsorge erstellt werden können. Ein Verlust der Rechnungen kann so vorgebeugt werden.

Bei der Ersatzbeschaffung von Zweitrechnungen oder anderen Belegen wie z.B. Konnossement, Lieferschein oder zivilrechtlichen Verträge trägt der Unternehmer das Beschaffungsrisiko und das Risiko der Anerkennung durch den Fiskus.

Wünschenswert wäre, wenn der Fiskus bei den steuerehrlichen Unternehmern mit Augenmaß prüft und bei verloren gegangenen Rechnungen die konkrete Situation des Unternehmers mit in die Überlegungen einbezieht. Allerdings muss der Fiskus gerade die steuerunehrlichen Unternehmer deutlich intensiver und konsequenter verfolgen, um die Wettbewerbsverzerrung durch die Umsatzsteuerhinterziehung zurückzudrängen.

Vor allem aber ist der europäische Richtliniengeber und der nationale Gesetzgeber gefordert, ein weniger anfälligeres und leichter administrierbares Umsatzsteuerrecht zu schaffen.

Weitere Informationen:

EuGH v. 21.11.2018 – C-664/16

Lesen Sie hierzu auch meinen NWB-Beitrag:

Nachweis von Vorsteuerbeträgen – Fortführende Überlegungen zur Rechtsprechung des EuGH (NWB 2019 S. 3141)
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