Aufreger des Monats Juli

Bei den Zivilgerichten scheinen beim Thema „Haftung des Steuerberaters derzeit wohl alle Dämme zu brechen. Ein interessantes – und stark zu kritisierendes – Urteil hat kürzlich das OLG Nürnberg getroffen (Urteil vom 24.02.2017, 5 U 1687/16). Danach muss ein Steuerberater Schadenersatz in Höhe der gegen seinen Mandanten verhängten Geldstrafe einschließlich etwaiger Verteidigerkosten leisten, weil er es versäumt hat, rechtzeitig eine Selbstanzeige zu stellen. Ein Verbot, die strafrechtliche Sanktion zivilrechtlich auf den Steuerberater zu überwälzen, gebe es nicht. So weit, so gut (oder schlecht). Sieht man sich aber den Sachverhalt und die Urteilsgründe des OLG Nürnberg an, sträuben sich zumindest mir die Nackenhaare. Was war geschehen?

Offenbar hatten Mandanten, die ein Depot in der Schweiz geführt hatten, „kalte Füße“ bekommen, weil sie von dem Ankauf einer Steuerdaten-CD durch den Fiskus Kenntnis erlangt haben. Daraufhin haben sie sich an ihre Steuerkanzlei gewandt, wohl aber nur an den Steuerfachangestellten und nicht unmittelbar an den Steuerberater. Allerdings verfügten sie nicht über alle erforderlichen Bankunterlagen. Der Steuerfachangestellte hat die Sache dann einige Wochen liegen lassen, das heißt, er hat die Unterlagen bei der Schweizer Bank erst nach drei oder vier Wochen angefordert, und letztlich hat die Finanzverwaltung dann vor der rechtzeitigen Abgabe der Selbstanzeige „zugeschlagen“. Nun kann man dem OLG eventuell noch folgen, wenn es ein Pflichtversäumnis der Steuerkanzlei darin sieht, dass sie zu spät tätig geworden ist. Die Richter verlangen aber ein taggleiches (!) Tätigwerden. In der Urteilsbegründung heißt es: „Im Übrigen ist der Senat, anders als das Landgericht, der Auffassung, dass die dem Steuerfachangestellten am 12.6.2012 mitgeteilten groben Informationen über die Geldanlage bei der AG in ausgereicht hätten, um als erste Stufe einer sog. mehrstufigen Selbstanzeige auf der Grundlage einer Schätzung zu Gunsten des Steuerfiskus sofort, d.h. noch am 12.6.2012, dem Tag des Beratungsgespräches (…), eine Selbstanzeige zu formulieren und spätestens am folgenden Tag bei dem zuständigen Finanzamt einzureichen.“

Und es heißt auch: „Zu Unrecht beanstandet die Anschlussberufung die Auffassung des Landgerichts, der Steuerfachangestellte hätte eine strafbefreiende Selbstanzeige noch vornehmen können, weil noch kein Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 AO vorgelegen habe.“ Das heißt: Nicht ein Steuerberater oder ein Jurist hätte die Selbstanzeige abgeben dürfen bzw. müssen, sondern der Steuerfachangestellte! Ich denke, das ist eine Aufwertung des Berufs der Steuerfachangestellten. Wir als Steuerberater dürfen unsere Mandanten nicht einmal beim sozialversicherungsrechtlichen Statusfeststellungsverfahren vertreten. Unsere Mitarbeiter dürfen, nein sie müssen (!) nun Selbstanzeigen für unsere Mandanten fertigen, und zwar unmittelbar nach einem ersten Gespräch. Dabei müssen sie auch noch geschätzte Werte zugrunde legen, wenn sie nicht über alle Informationen, sprich Depotauszüge, verfügen. So heißt es in dem Urteil: „Soweit es um die …… Möglichkeit geht, mit einer groben Schätzung (zu Ungunsten der Steuerpflichtigen) ….“.

Selbst ein minderndes Mitverschulden der Mandanten ist übrigens nicht gesehen worden.

Fazit: Steuerhinterzieher im Bereich des OLG Nürnberg können ihre Strafe auf eine Steuerkanzlei abwälzen, wenn diese nicht unmittelbar (das heißt am besten noch am gleichen Tag) die Selbstanzeige formuliert und es vor der Abgabe der Selbstanzeige zur Tatentdeckung kommt. Für mich ist das der Aufreger des Monats Juli.

4 Gedanken zu “Aufreger des Monats Juli

  1. Naja man weiß nicht, wie das in der Realität ablief. Aber wenn ich mit der Ansage zum Steuerberater gehe, dass mein Schwarzgeldkonto auf einer Steuer-CD drauf ist, dann erwarte ich (zu Recht) genau eine Sache, nämlich sofortiges Handeln. Wie das dann genau aussieht, bleibt sicher streitbar. Die Akte allerdings nur in einigen Wochen auf Wiedervorlage zu legen, rechtfertigt meines Erachtens in jedem Fall Schadensersatz.

  2. Zu Recht ein Aufreger, mich würde mal das Urteil des selben Gerichtes interessieren, wenn der so belehrte Mitarbeiter beim nächsten Mal sofort zur Tat schreitet und die zeitnahe Selbstanzeige unvollständig ist und daher nicht strafbefreiend wirkt…

  3. Ich kann dem Verfasser nur recht geben. Hoffentlich gehen die Betroffenen in die nächste Instanz, denn so einen Unsinn eines Gerichts sollte man nicht stehen lassen.

  4. Als Richter an einem OLG sollte man nach dem Gesetzeswortlaut, nicht nach dem Neidgefühl urteilen. Man sollte auch frei sein von dem Gefühl der Steuerberater oder dessen Angestellter wäre besser situiert als der Richter selbst.

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