Delivery Hero 2024: Von der roten Laterne zum Hoffnungsträger?

Delivery Hero hat geliefert – zumindest auf dem Papier. Der Geschäftsbericht 2024 präsentiert sich mit beeindruckenden Zahlen: Umsatzwachstum, positives EBITDA und erstmals ein freier Cashflow. Doch bei genauerem Hinsehen offenbaren sich Schattenseiten. Trotz operativer Fortschritte bleibt der Weg zur nachhaltigen Profitabilität steinig – und auch juristisch unruhig. Der Food-Delivery-Riese muss mehr liefern als Zahlenkosmetik.

Wirtschaftliche Lage: Fortschritte mit Fragezeichen

Im Geschäftsjahr 2024 verzeichnete Delivery Hero ein Umsatzwachstum von 22 % auf 12,8 Mrd. Euro und einen Anstieg des Bruttowarenwerts (GMV) um 8 % auf 48,8 Mrd. Euro. Das bereinigte EBITDA stieg auf 693 Mio. Euro – ein Wert, der auf den ersten Blick beeindruckt. Aber Vorsicht: Das „bereinigte“ EBITDA ist und bleibt eine Zahl mit Wohlfühlfilter. Hier werden nach wie vor zentrale Kostenarten – etwa aktienbasierte Vergütungen – ausgeklammert, die für Investoren jedoch höchst real sind. Von echtem Gewinn also keine Spur.

Was dabei gern untergeht: Trotz dieses optisch geschönten Ergebnisses lag der tatsächliche Nettoverlust immer noch bei stolzen 882,4 Mio. Euro. Das ist kein kleines Restrisiko, das ist ein tiefer Krater in der Gewinnzone. Und während das Management das EBITDA als Gradmesser des Fortschritts feiert, sollten Anleger genauer hinschauen, welche Aufwendungen da aus dem Blickfeld geschoben werden.

Hinzu kommt die rechtliche Baustelle in Italien: Rückstellungen von 253 Mio. Euro für mögliche Sozialabgaben und Strafen drücken nicht nur das Ergebnis, sondern werfen auch Fragen zur Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells auf. Positiv ist immerhin die Entwicklung der Marge: Das bereinigte EBITDA im Verhältnis zum GMV verbesserte sich von –0,7 % auf +1,4 %. Ein Lichtblick – aber eben nur ein kleiner. Wer auf Dauer Vertrauen schaffen will, muss irgendwann auch auf der letzten Zeile liefern.

Und dann wäre da noch die Liquidität. Zwar wurde erstmals ein freier Cashflow generiert, aber dieser fällt mit 99 Mio. Euro eher bescheiden aus. Bei einem Unternehmen mit Milliardenumsatz ist das bestenfalls ein Fingerzeig, noch kein Fundament. Die Abhängigkeit von externem Kapital bleibt bestehen – und das ist in Zeiten steigender Zinsen kein Wohlfühlfaktor.

Und mein Senf dazu

Delivery Hero macht vieles besser – keine Frage. Die operative Marge steigt, die Ausgaben werden besser kontrolliert, und der freie Cashflow ist ein Hoffnungsschimmer. Aber: Ein positiver Cashflow ist wie ein Tropfen Wasser auf heißem Asphalt, wenn darunter noch der Vulkan des Nettoverlusts brodelt. Die Erzählung vom „Break-even in Sichtweite“ wiederholt sich seit Jahren – diesmal mit mehr Substanz, aber auch mit einem ordentlichen Schuss Zweckoptimismus.

Was mich stört: Der Bericht verkauft die Fortschritte als Durchbruch, blendet aber zentrale Risiken aus. Die Italien-Problematik wird abgehandelt, als handle es sich um ein lästiges Missverständnis. In Wahrheit hängt hier ein Damoklesschwert über dem Konzern – nicht nur finanziell, sondern auch reputationsseitig.

Auch der angekündigte Verkauf des Taiwan-Geschäfts für rund 950 Mio. Euro wirkt wie ein klassischer „Einmaleffekt“ zur Beruhigung der Kapitalmärkte. Der operative Erfolg sollte aber nicht auf Einmalerlöse bauen, sondern auf strukturelle Verbesserungen. Und genau da bleibt die Frage: Ist Delivery Hero ein skalierbares Plattformgeschäft – oder nur ein teuer gepimpter Lieferservice?

Mein Fazit: Fortschritte ja, Euphorie nein. Wer in Delivery Hero investiert, braucht weiterhin starke Nerven – und ein gutes Gedächtnis für all die Turnaround-Geschichten der letzten Jahre.

Ein Beitrag von:

  • Dr. Carola Rinker

    • Diplom-Volkswirtin und Unternehmensberaterin
    • Erstellung von (Gerichts-)Gutachten, Stellungnahmen und Analysen zu Bilanzierungssachverhalten
    • Fachbuchautorin
    • Anhörung als Sachverständige im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Wirecard Skandal des Deutschen Bundestages und im Finanzausschuss zum FISG
    • Mehr unter carolarinker.de

    Warum blogge ich hier?
    Aus Interesse an den Themen. Aus Spaß. Aus Netzwerk-Gründen. Als Ergänzung zu meiner Arbeit als Unternehmensberaterin und meinen Lehrveranstaltungen ist das Bloggen wunderbar geeignet. Ein Blog bietet die Möglichkeit, sich in einzelne Themen zu vertiefen – und sich anschließend mit Lesern darüber auszutauschen. Da jedes Jahr neue Jahresabschlüsse von Unternehmen vorgelegt werden und sich die Regeln der Bilanzierung ständig ändern, wird mir der Stoff nie ausgehen.

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