Der EuGH hatte mit Urteil vom 18.1.2017 (C-471/15, „Sjelle Autogenbrug“) entschieden, dass das Ausschlachten von Autoteilen der Differenzbesteuerung unterliegen kann. Fraglich war allerdings, wie sozusagen der umgekehrte Fall zu betrachten ist, dass „Alt und Neu“ zusammengefügt werden, um daraus etwas schönes Neues zu fertigen – so beispielsweise, wenn eine antike Kommode mit einem neuen Waschbecken versehen und anschließend verkauft wird. Neudeutsch wird auch von „Upcycling“ gesprochen.
Mit einem solchen Fall hat sich nun der BFH befasst und dabei die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben. Diese hatte wie folgt entschieden: Die Differenzbesteuerung ist auch dann anwendbar, wenn ein Unternehmer antike Waschkommoden aus privater Hand ankauft, sie restauriert und zusammen mit einem individuell angepassten Waschbeckenaufsatzteil nebst Armatur (wieder-)verkauft. Die Verbindung des aufgearbeiteten Möbelstücks mit dem Neuteil lässt den Tatbestand eines Wiederverkaufs von Gebrauchtgegenständen im Sinne des § 25a UStG nicht entfallen. Der BFH sieht indes keinen Fall der Differenzbesteuerung (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 29.3.2023, 4 K 77/22; BFH-Urteil vom 11.12.2024, XI R 9/23).
Es ging um folgenden Sachverhalt:
Die Klägerin kauft antike Kommoden aus Privatbesitz an, restauriert diese und baut sie durch Aufsatz eines neuen Waschbeckens und ggf. weiterem Zubehör zu neuwertigen Waschtischen um. Die Klägerin stellt jeweils zwei Rechnungen aus. Zum einen erfolgt eine Abrechnung über die restaurierte Kommode unter Anwendung der Differenzbesteuerung. Zum anderen wird der Auf- bzw. Umbau mit dem ausgewählten Waschtisch unter Anwendung der Regelbesteuerung in Rechnung gestellt. Das Finanzamt war der Meinung, dass die Anwendung der Differenzbesteuerung unzulässig sei. Bei dem Endprodukt handele es sich aus der Perspektive eines Durchschnittsverbrauchers um eine einheitliche Leistung, welche nicht „künstlich“ in zwei getrennte Leistungen aufgeteilt werden könne. Hiergegen wehrte sich die Klägerin zunächst erfolgreich vor dem FG. Die von ihr ausgeführten Lieferungen in Sachen aufgearbeiteter Waschkommoden aus Privatbesitz unterlagen nach Ansicht des Schleswig-Holsteinischen FG der Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG – doch der BFH hat der Revision stattgegeben.
Die Begründung in Kurzform:
Das FG hat angenommen, dass es sich bei der Lieferung der aufgearbeiteten Kommoden nebst Keramikaufsatz und Zubehör ungeachtet der getrennten Rechnungsstellung steuerlich um einen einheitlichen Umsatz handelt. Die Lieferung der aufgearbeiteten Kommode stelle die Hauptleistung und die getrennt berechnete Lieferung des Keramikaufsatzes nebst Zubehör die Nebenleistung dar. Auch unter Zugrundelegung eines einheitlichen Verkaufsumsatzes bzw. Verkaufsgegenstands seien die Voraussetzungen eines Wiederverkaufs der antiken Waschkommoden i.S. des § 25a UStG gegeben. Es reiche aus, dass aus der Perspektive des Verbrauchers der bearbeitete Gebrauchtgegenstand das neu zusammengesetzte Gesamtprodukt in prägender Weise bestimme und das entscheidende Kaufmotiv bilde.
Einer Differenzbesteuerung steht hier jedoch die EuGH-Rechtsprechung entgegen. Das heißt: Besteht für den – einheitlichen – Gegenstand der Lieferung ein anteiliges Recht zum Vorsteuerabzug, ist die Anwendung der Differenzbesteuerung ausgeschlossen (vgl. EuGH-Urteil Bawaria Motors vom 19.7.2012, C-160/11, EU:C:2012:492). Daher ist, wenn man mit dem FG davon ausgeht, dass die Waschkommoden Gebrauchtgegenstände sind, eine Anwendung der Differenzbesteuerung nicht möglich.
Denkanstoß:
Die Vorinstanz muss nun untersuchen, ob die Klägerin an die Kunden eine bearbeitete Sache geliefert hat oder ob die Klägerin zunächst mehrere Gegenstände geliefert und sodann eine sonstige Leistung erbracht hat. Auch wurde bislang offenbar nicht festgestellt, welchen konkreten Inhalt die vertraglichen Vereinbarungen der Klägerin mit ihren Kunden hatten, obwohl sich der Inhalt der Leistung nach dem oder den zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen bestimmt. Aus Sicht des BFH erscheinen mehrere Alternativen möglich. So kann zum Beispiel ein Kunde den Auf- oder Zusammenbau von Möbeln, die er in einem Möbelhaus zerlegt erworben hat, selbst übernehmen, vom leistenden Unternehmer durchführen oder von Dritten vornehmen lassen oder er kann ein bereits zusammengebautes Möbelstück erwerben. Der BFH könne daher auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob das FG zu Recht von der Lieferung eines einzigen, vor der Lieferung an die Kunden bereits bearbeiteten Gegenstands ausgegangen ist oder ob die Klägerin zunächst mehrere Gegenstände geliefert und anschließend eine sonstige Leistung erbracht hat.
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- Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
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