Seit 2020 gilt in Deutschland zur Eindämmung von Steuerbetrug die Bonpflicht, die neue schwarz-rote Bundesregierung will sie nun wieder abschaffen. Was ist davon zu halten?
Hintergrund
Mit Gesetz vom Dezember 2016 (BGBl 2016 I S. 3152) wurde ab 1.1.2020 eine Belegausgabepflicht eingeführt (§ 146a Abs. 2 S. 1 AO). Seitdem müssen Händler, Gastronomen oder etwa auch das Lebensmittelhandwerk mit elektronischen Kassensystemen ihren Kunden bei jedem Kauf unaufgefordert einen Beleg aushändigen. Dass viele diesen auf (Thermo-)Papier ausdruckten, das danach oft im Müll landete, sorgte schon bei der Einführung der Bonpflicht für Kritik.
Mehrere Millionen Euro hat die Bonpflicht laut allein große Einzelhandelsgruppen gekostet. Noch höher fällt der Steuerbetrugsschaden an Kassen aus: Auf bis zu zehn Milliarden Euro im Jahr bezifferten einzelne Länder den verursachten Schaden laut Bundesrechnungshof. Dennoch war die Bonpflicht von Anfang an umstritten: Ein Gesetzentwurf der FDP-Fraktion (BT-Drs. 19/15768) wurde von der BT-Tagesordnung im Mai 2020 abgesetzt, nachdem der Finanzausschuss eine Ablehnung empfohlen hatte. Ein Antrag des Freistaats Bayern blieb in 2024 erfolglos.
In Deutschland gibt es bislang bisher keine „Registrierkassenpflichten“ – das Gesetz erwähnt in § 146a AO nur noch „elektronisches Aufzeichnungssystem“ (eAs). Dazu zählen neben (elektronischen) Registrierkassen auch alle anderen elektronischen und computergestützten Kassensysteme (§ 1 KassenSichV).
Es gibt aber noch keine Pflicht solche eAs in der Praxis zu nutzen; die Kassenführung ist also weiterhin ‒ ohne technisches Hilfsmittel ‒ mittels „offener Ladenkasse“ zulässig.
Was ist im Koalitionsvertrag 2025 angekündigt?
Im Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland (21. Legislaturperiode)“ findet sich mehrfach auch das Thema „Kassenführung“. Hintergrund ist, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und ein wirksamer Steuervollzug für die Sicherung der Einnahmen und die Handlungsfähigkeit des Staates unerlässlich sind, also „notwendige weitere gesetzliche Maßnahmen geprüft werden“. Daher werde „insbesondere im Kontext der Evaluation der bestehenden Registrierkassenpflichten etwaigen erkannten Defiziten Rechnung getragen“ (Rdz. 1509 Koalitionsvertrag). Unter der Überschrift „Bürokratieabbau…“ heißt es: „Wir schaffen die Bonpflicht ab“ (Rdz. 1921). Weiter heißt es: „Ab dem 1.1.27 plant die kommende Bundesregierung für Geschäfte mit einem jährlichen Umsatz von über 100.000 EUR eine Registrierkassenpflicht einzuführen.“ (Rdz. 1922).
Bewertung der Regierungspläne
Die im Koalitionsvertrag verabredete Einführung einer Registrierkassenpflicht und Abschaffung der Bonpflicht genießen im übervollen Arbeitsprogramm der neuen Regierung sicher nicht erste Priorität; die Verabschiedung des Bundeshaushalts 2025 oder etwa die Steuerentlastungen von Bürgern und Unternehmen sind allemal wichtiger und zuerst zu erledigen. Es kann also noch eine ganze Weile dauern, bis Registrierkassenpflicht und Abschaffung der Bonpflicht in ein (erforderliches) Gesetzgebungsverfahren im Bundestag münden.
Aus anderen Ländern der EU kennt man allerdings bereits seit längerem eine „Kassenpflicht“.
So betrachtet kann eine gesetzliche Registrierkassenpflicht sicherlich einen sinnvollen Beitrag zur vollständigen Versteuerung von (Bar)Umsätzen (v.a. in Handel und Gastronomie) leisten. Kommt die gesetzliche Registrierkassenpflicht wie im Koalitionsvertrag angekündigt ab 2027, sollten bei der konkreten Ausgestaltung aber die Fachverbände, u. a. die der Kassenhersteller sowie von Praktikern aus Wirtschaft, Steuerberatung und Finanzverwaltung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eingebunden werden. Wünschenswert wäre auch, die gesetzlichen Anforderungen an die Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen und der Aufbewahrung (§§ 143-147 AO) an die bereits fortgeschrittene und weiter fortschreitende Digitalisierung anzupassen und im Gesetz klare und praxistaugliche gesetzliche Vorgaben zu formulieren.
Eine (vollständige) Abschaffung der Bonpflicht will allerdings gut überlegt sein. Denn das würde gerade diejenigen bevorzugen, die sich unverändert (auch bei Nutzung von eAs) einen Vorteil verschaffen, indem sie Geschäftsvorfälle einfach nicht aufzeichnen. Und genau das sollte durch die Bonpflicht verhindert werden. Kritiker der Belegausgabepflicht verweisen neben einem „lästigen Übel“ gerne auf umweltpolitische Aspekte wie dem überflüssigen (Thermo-)Papierverbrauch. Hiergegen spricht, dass alternativ zur Belegausgabe auf Papier auch die Möglichkeit einer digitalen Belegausgabe auf digitalem Wege (z.B. mittels einem im QR-Code enthaltenen Downloadlink) technisch möglich ist. Eine elektronische Belegausgabe funktioniert in einigen Branchen, insbesondere in Verbindung einer App mit Kundenkonto samt Hinterlegung der digitalen Kassenbons schon jetzt reibungslos bei Einkäufen des täglichen Lebens.
Mit Wegfall einer Bonpflicht, insbesondere in bargeldintensiven Branchen, wäre die nicht vollständige Erfassung und Versteuerung der Betriebseinnahmen zukünftig schwerer nachzuweisen. Den Finanzbehörden steht mit der Kassen-Nachschau (§ 146b AO) zwar ein gutes und wirksames Prüfungsmittel zur Verfügung, das aber in der Praxis Nachteile hat. Deswegen ist fraglich, ob die Abschaffung der Bonpflicht wirklich so radikal umgesetzt wird wie im Koalitionsvertrag angekündigt.
Ein Beitrag von:
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- Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
- Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
- Honorarprofessor an der Universität Würzburg
Warum blogge ich hier?
Mein erster Blog bietet die Möglichkeit, das Thema der Pflicht der „Pflichtmitgliedschaft in Kammern“ „anzustoßen“ und in die Diskussion zu bringen. Bei genauem Hinsehen sichert der „Kammerzwang“ nämlich Freiheitsrechte durch die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Partizipation.