BaFin-Bilanzkontrolle 2024: Zahlen, Fehler, blinde Flecken

Seit dem Wirecard-Skandal liegt die Bilanzkontrolle bei der BaFin – mit dem Anspruch, schärfer und schneller durchzugreifen. Der Tätigkeitsbericht 2024 zeigt: Es passiert etwas. Aber bei genauerem Hinsehen wird klar, dass von flächendeckender Kontrolle noch keine Rede sein kann. Ist das noch Vertrauen schaffen – oder schon Vertrauen verspielen?

Bilanzkontrolle bei der BaFin – mehr Fehler oder mehr Kontrolle?

Im Jahr 2024 unterlagen 447 kapitalmarktorientierte Unternehmen aus zehn Staaten der einstufigen Bilanzkontrolle durch die BaFin. Das sind weniger als im Vorjahr (490) und deutlich weniger als in einer der letzten Prüfjahre der alten Prüfstelle DPR (531 Unternehmen im Jahr 2020). Der Rückgang erklärt sich vor allem durch Börsenrückzüge.

Wie aktiv wurde geprüft? Die BaFin schloss 2024 46 Bilanzprüfungen ab – davon 5 Anlassprüfungen und 41 Stichprobenprüfungen. In 10 Fällen wurden Fehler festgestellt – das entspricht einer Fehlerquote von rund 22 %. Fünf Verfahren wurden eingestellt, weil kein öffentliches Interesse mehr bestand, etwa aufgrund eines Delistings.

Zum Vergleich: Die DPR führte im Jahr 2020 86 Prüfungen durch (davon 19 Anlass- und 67 Stichprobenprüfungen). Das bedeutet: Unter der DPR wurde jedes sechste Unternehmen geprüft – unter der BaFin im Jahr 2024 nur etwa jedes zehnte.

Auffällig ist auch: 2024 erhielt die BaFin 46 Hinweise auf mögliche Fehler, von denen 37 vertieft geprüft wurden. Es zeigt sich: Ein erheblicher Teil der Bilanzkontrolle ist reaktiv – basiert also auf externen Hinweisen, nicht auf systematischer Überwachung.

Und woran hakt es inhaltlich? Die häufigsten Fehlerquellen:

  • unklare oder fehlerhafte Angaben im Anhang und im Lagebericht,
  • Schwächen bei der Bewertung von Vermögenswerten,
  • falsche Umsatzrealisierung und
  • Mängel in der Kapitalflussrechnung.

Mit anderen Worten: Die Klassiker unter den Bilanzfehlern bleiben – trotz aller Aufsichtsreformen – unangetastet.

Und mein Senf dazu

Die Zahlen klingen auf den ersten Blick solide – doch bei genauerem Hinsehen ist das Bild ernüchternd. Die Fehlerquote ist hoch, die Prüfungsquote niedrig. Und das wirft Fragen auf: Wenn in 22 % der geprüften Fälle ein Fehler festgestellt wird – wie viele Mängel bleiben dann in den übrigen 90 % der Unternehmen unentdeckt?

Der Vergleich mit der alten DPR ist ebenso aufschlussreich wie ernüchternd. Die DPR mag zahnlos gewesen sein, aber sie hat 2020 immerhin 86 Prüfungen durchgeführt – bei 531 kontrollpflichtigen Unternehmen. Heute sind es nur noch 46 Prüfungen bei 447 Unternehmen. Trotz größerer Zuständigkeit, mehr Ressourcen und einem gestiegenen Anspruch bleibt die BaFin hinter dem zurück, was nötig wäre.

Der Eindruck: Die Bilanzkontrolle wirkt wie ein Raster mit sehr weiten Maschen. Wer nicht besonders auffällig ist, hat gute Chancen, gar nicht geprüft zu werden. Vertrauen in den Kapitalmarkt schafft man so nicht.

Mein Fazit? Die Bilanzkontrolle ist auf dem Papier schärfer geworden – aber im Alltag fehlt es an Schlagkraft. Wer Kontrolle verspricht, muss auch kontrollieren. Alles andere ist bloß Kosmetik.

Weitere Informationen:

 

Ein Beitrag von:

  • Dr. Carola Rinker

    • Diplom-Volkswirtin und Unternehmensberaterin
    • Erstellung von (Gerichts-)Gutachten, Stellungnahmen und Analysen zu Bilanzierungssachverhalten
    • Fachbuchautorin
    • Anhörung als Sachverständige im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Wirecard Skandal des Deutschen Bundestages und im Finanzausschuss zum FISG
    • Mehr unter carolarinker.de

    Warum blogge ich hier?
    Aus Interesse an den Themen. Aus Spaß. Aus Netzwerk-Gründen. Als Ergänzung zu meiner Arbeit als Unternehmensberaterin und meinen Lehrveranstaltungen ist das Bloggen wunderbar geeignet. Ein Blog bietet die Möglichkeit, sich in einzelne Themen zu vertiefen – und sich anschließend mit Lesern darüber auszutauschen. Da jedes Jahr neue Jahresabschlüsse von Unternehmen vorgelegt werden und sich die Regeln der Bilanzierung ständig ändern, wird mir der Stoff nie ausgehen.

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