Wann ist Reitunterricht umsatzsteuerpflichtig und wann -steuerfrei?

Erbringt ein Unternehmer neben Reitunterricht zusätzliche Leistungen wie Unterkunft und Verpflegung, liegen umsatzsteuerrechtlich regelmäßig selbstständige Hauptleistungen vor. Unterricht im Pferdesport ist kein Schul- oder Hochschulunterricht und dient typischerweise der Freizeitgestaltung. Allerdings kann er in begründeten Ausnahmefällen der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung dienen – so lautet das BFH-Urteil vom 22.1.2025 (XI R 9/22).

Der Sachverhalt:

Der Einfachheit halber zitiere ich hier (zum Teil) die Pressemitteilung des BFH vom 30.5.2025: Der Kläger begehrte die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche, bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet. Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden überdies verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof. Das Finanzamt vertrat den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien.

Der BFH sieht die Sache wie folgt:

Bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen handelt es sich um selbstständige steuerbare Leistungen. Die entsprechenden (Teil-)Umsätze sind steuerpflichtig. Für den Unterricht kommt eine Steuerbefreiung nur in Betracht, wenn dieser tatsächlich auf einen Beruf vorbereitet. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind folglich umsatzsteuerpflichtig. Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ liegen hingegen die strengen Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden.

Die Begründung in aller Kürze:

Reitkurse einerseits und die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung andererseits sind selbstständige Leistungen, die umsatzsteuerlich jeweils gesondert zu würdigen sind.

Zunächst zu den Reitkursen: Voraussetzung einer Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG (a.F.) ist das Vorliegen eines Schul- bzw. Bildungszwecks. Eine Einrichtung erbringt unmittelbar dem Bildungszweck dienende Leistungen, wenn sie Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die beruflich genutzt werden können und damit für die Berufsausbildung geeignet sind. Pferdesport ist aber (als spezialisierter Unterricht) kein Schul- oder Hochschulunterricht. Er dient grundsätzlich der Freizeitgestaltung.

Etwas anderes gilt, wenn die Kurse (hier: die „Große Pferdegruppe“) tatsächlich darauf ausgerichtet sind, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die es ermöglichen, einen bestimmten Beruf (hier: des Turniersportreiters) zu ergreifen. In diesem Fall kann eine berufsbildende Einrichtung im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG (a.F.) vorliegen, die Leistungen erbringt, die unmittelbar dem Bildungszweck dienen. Indizien sind insoweit die Vorbereitung für das Ablegen von Leistungsabzeichen, mit denen wiederum eine so genannte Jahresturnierlizenz zur Teilnahme an Turniersportprüfungen erworben werden kann und wenn ohne eine solche Jahresturnierlizenz der Einstieg in den Beruf (hier: des Turniersportreiters) nicht möglich ist. Umso mehr gilt dies, wenn die weit überwiegende Anzahl der Teilnehmer tatsächlich an den Prüfungen für ein Leistungsabzeichen teilnimmt.

Nun zur Beherbergung und Verpflegung: Die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen durch Personen und Einrichtungen war nach § 4 Nr. 23 Satz 1 UStG (a.F.) nur dann steuerfrei, wenn die Leistungen durch eine anerkannte Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter erbracht wurden. Das war hier nicht gegeben (Hinweis: Seit dem 1.1.2020 können nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein. Auch diese Voraussetzung hätte der Kläger nicht erfüllt).

Denkanstoß:

Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist in der Regel keine Ausbildung oder Fortbildung; denn er bereitet nicht auf einen bestimmten Beruf vor. Die Auffassung des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht (Abschnitt 4.21.2 Abs. 8 UStAE) – darauf weist der BFH in einer Pressemitteilung hin.

§ 4 Nr. 21 UStG, das heißt die Steuerbefreiung für Bildungsleistungen, wurde mit dem Jahressteuergesetz 2024 geändert. So wurde der Umfang der begünstigten Leistungen von „Leistungen, die auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten“ auf „Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen“ ausgedehnt. Doch auch nach der Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG ließe sich für den Reitunterricht keine Steuerbefreiung herleiten, soweit er lediglich der Freizeitgestaltung dient.

 

Ein Beitrag von:

  • Christian Herold

    • Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
    • Autor zahlreicher Fachbeiträge
    • Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe

    Warum blogge ich hier?
    Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.

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