Die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung kann sich lohnen – vor allem, wenn sich Unternehmer mit geringen Umsätzen an Endverbraucher wenden und auch keine nennenswerten Eingangsumsätze haben. Da aber gewisse Umsatzgrößen einzuhalten sind, kann der Gedanke aufkommen, die Kleinunternehmerregelung sozusagen zu verdoppeln – etwa bei Ehegatten.
Das FG Münster hat zu einem solchen Fall nun entschieden: Die Anwendung der Kleinunternehmerregelung von Eheleuten mit zwei ähnlichen Unternehmen – hier im Bereich der Grabpflege – ist nicht missbräuchlich, wenn außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung dargelegt werden können (FG Münster, Urteil vom 8.4.2025, 15 K 2500/22 U).
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Eheleute, die beide im Rahmen eines Minijobs bei einer Kirchengemeinde tätig sind. Im Februar 2016 meldete die Klägerin ein Gewerbe „Grabpflege und Grabgestaltung“ als Einzelunternehmerin an. Der Kläger meldete im September 2016 ebenfalls ein Gewerbe „Grabpflege und Grabgestaltung“ an. Beide Ehegatten beantragten jeweils beim Finanzamt, ab Beginn ihrer Tätigkeit die Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 UStG anzuwenden. Sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann erzielten mit ihren Gewerben jeweils Umsätze unterhalb der Kleinunternehmergrenze; bei einer Addition der Umsätze wäre die Grenze überschritten worden. Das Finanzamt war der Auffassung, dass die Gewerbe bzw. die Unternehmen künstlich aufgespalten worden seien und versagte daraufhin für die Streitjahre die Anwendung der Kleinunternehmerregelung. Die Kläger hingegen sahen keine missbräuchliche Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung. Unter anderem trugen sie vor, dass die Grabpflege von der Ehefrau, die Grabgestaltung aber vom Ehemann geleistet worden. Ihre Klage war erfolgreich. Das Gericht ist zu der Auffassung gelangt, dass die beiden Unternehmen eigenständig betrieben wurden und die Kleinunternehmerregelung jeweils rechtmäßig in Anspruch genommen worden ist.
Die Begründung:
Eine zweckwidrige Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung führt zu ihrer Versagung beim leistenden Unternehmer (BFH-Urteile vom 11.7.2018, XI R 36/17 und XI R 26/17; EuGH-Urteil vom 04.10.2024, C-171/23). Bei der Beurteilung, ob die Inanspruchnahme zweckwidrig ist, ist aber auch zu beachten, dass ein Steuerpflichtiger das Recht hat, seine Tätigkeit so zu gestalten, dass er seine Steuerschuld in Grenzen hält. So kann auch eine umsatzsteuerrechtlich vorteilhafte Aufspaltung in verschiedene Unternehmen wirtschaftlich und unternehmerisch durchaus Sinn ergeben (BFH-Urteil vom 11.4.2013, V R 28/12). Demnach liegt eine zweckwidrige Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung nur dann vor, wenn Umsätze planmäßig aufgespalten und künstlich zwischen Unternehmen mit dem Ziel verlagert werden, die Kleinunternehmergrenze jeweils nicht zu überschreiten.
Eheleute sind nicht verpflichtet, jeweils selbstständige Tätigkeiten in einem Unternehmen zu bündeln und sie „aus einer Hand“ anzubieten. Sie dürfen auch getrennte Unternehmen führen, und zwar selbst dann, wenn sie (nur) hierdurch aufgrund der Höhe ihrer erzielten Umsätze in den Anwendungsbereich der Kleinunternehmerregelung fallen. Es müssen aber außersteuerliche Gründe für die Trennung der Unternehmen vorliegen. Zudem muss für die Kunden erkennbar sein, dass sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann eigenständig nach außen auftreten.
Denkanstoß:
Im Urteilsfall lagen außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung vor. So hatte die Ehefrau ausgeführt, dass sie aufgrund der Behinderungen ihrer Kinder den Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten hatte und mit dem Zuverdienst zum Familieneinkommen beitragen wollte. Zum anderen hatte sie dargelegt, dass sie körperlich nicht in der Lage war, Grabsteine zu bewegen und dass diese Tätigkeit – infolge zunehmender Nachfrage – daher von ihrem Ehemann angeboten wurde, während sie sich auf Leistungen der Grabpflege konzentriert hat.
Wie es aber nicht geht, hat erst kürzlich der EuGH mit oben genanntem Urteil aufgezeigt. Die Klägerin ist ein Gastronomiebetrieb mit Sitz in Kroatien. Eine Steuerprüfung hatte festgestellt, dass die Gründung der Gesellschaft Teil einer Steuerplanung gewesen sei, die betrieben wurde, um weiterhin die Mehrwertsteuerfreigrenze, also die Kleinunternehmerregelung, in Anspruch zu nehmen. In Wirklichkeit sei die maßgebende Tätigkeit von einer anderen Gesellschaft ausgeübt worden, die die Kleinunternehmerregelung nicht hätte in Anspruch nehmen können. Die Gründung der neuen Gesellschaft sei in Wirklichkeit fiktiv. Das Verwaltungsgericht Zagreb hatte beschlossen, das Verfahren auszusetzen und den EuGH anzurufen, zumal das nationale Gesetz die Gründung einer – zusätzlichen – Gesellschaft lediglich zur Ausnutzung der Kleinunternehmerregelung nicht untersagt.
Der EuGH hat entschieden: Wenn feststeht, dass eine Gesellschaft lediglich zur Ausnutzung der Kleinunternehmerregelung gegründet wurde und die maßgebende Tätigkeit eigentlich von einer anderen Gesellschaft ausgeübt wird, so ist dies missbräuchlich und die gegründete Gesellschaft kann die Kleinunternehmerregelung nicht in Anspruch nehmen. Dies gilt auch dann, wenn es in der nationalen Rechtsordnung keine spezifischen Bestimmungen gibt, in denen das Verbot solch missbräuchlicher Praktiken verankert ist. Das EuGH-Urteil ist zwar zu einem Fall aus Kroatien ergangen, letztlich sind die Ausführungen aber auch auf Deutschland zu übertragen.
Ein Beitrag von:
-
- Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
- Autor zahlreicher Fachbeiträge
- Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe
Warum blogge ich hier?
Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.