Neues Produkthaftungsrecht in Vorbereitung: Was auf Unternehmen zukommt und wie Verbraucher profitieren

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat am 11.9.2025 zur Umsetzung der EU-Produkthaftungsrichtlinie den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Produkthaftungsrechts veröffentlicht, mit dem die Regeln über die Produkthaftung ausgeweitet werden sollen. Was bedeutet das für Unternehmen und Verbraucher?

Hintergrund

Das Produkthaftungsrecht regelt, wie Hersteller für Schäden haften, die Privatpersonen durch fehlerhafte Produkte an ihrem Körper, ihrer Gesundheit und ihrem Eigentum entstehen. Die Produkthaftung erfordert kein Verschulden des Produktherstellers. Sie tritt neben andere Schadensersatzansprüche, etwa aus Vertrag oder bei unerlaubten Handlungen.

Grundlage der Produkthaftung ist das ProdHaftG (v. 15.12.1989, zuletzt geändert durch Gesetz v. 17.7.2017), das zum ersten Mal seit 1989 umfassend reformiert werden soll. Der Referentenentwurf dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/2853 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2024 über die Haftung für fehlerhafte Produkte und zur Aufhebung der Richtlinie 85/374/EWG. Diese Richtlinie modernisiert das bisherige EU-Produkthaftungsrecht und hat das Ziel, zum Funktionieren des Binnenmarktes beizutragen und gleichzeitig ein hohes Schutzniveau für Geschädigte sicherzustellen. Die Umsetzung der EU-Richtlinie muss bis zum 9.12.2026 erfolgen.

Eckpunkte der Produkthaftungsrechtsreform

Wegen der Vielzahl der Änderungen soll das Produkthaftungsgesetz, das 1989 die ursprüngliche Produkthaftungsrichtlinie von 1985 umgesetzt hat, insgesamt neu gefasst werden. Im Vordergrund der Modernisierung steht dabei die Anpassung an die Digitalisierung, an die Kreislaufwirtschaft und an die globalen Wertschöpfungsketten. Der Entwurf hat folgende Eckpunkte:

  • Produkthaftung auch für Software: Künftig soll die Produkthaftung auch greifen, wenn Daten beschädigt oder vernichtet werden, die nicht für berufliche Zwecke verwendet werden. Software soll künftig generell in die Produkthaftung einbezogen werden, egal, wie sie bereitgestellt und genutzt wird. Damit wird der Digitalisierung Rechnung getragen. Insbesondere KI-Systeme sollen der Produkthaftung unterfallen. Open-Source-Software, die außerhalb einer Geschäftstätigkeit entwickelt oder bereitgestellt wird, bleibt wie bisher von der Produkthaftung ausgenommen.
  • Produkthaftung bei Kreislaufwirtschaft: Wird ein Produkt nach seinem Inverkehrbringen so umgestaltet, dass es wesentlich geändert wird (etwa durch „Upcycling“), soll der umgestaltende Hersteller künftig als Hersteller haften.
  • Produkthaftung in globalen Wertschöpfungsketten: Sitzt ein Produkthersteller außerhalb der EU und ist nicht greifbar, sollen neben ihm unter bestimmten Voraussetzungen weitere Akteure haften: Importeure, Hersteller, Fulfilment-Dienstleister und Lieferanten. Dasselbe soll für Anbieter von Online-Plattformen gelten, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher aufgrund der Darstellung eines Angebots davon ausgehen können, dass das Produkt entweder von der Online-Plattform selbst oder von einem ihrer Aufsicht unterstehenden Nutzer bereitgestellt wird.
  • Einfachere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen: Wer durch ein fehlerhaftes Produkt geschädigt wird, soll künftig leichter Schadensersatzansprüche geltend machen können. So soll etwa der ursächliche Zusammenhang zwischen einem Produktfehler und einer eingetretenen Rechtsgutsverletzung grundsätzlich vermutet werden, wenn ein Produktfehler feststeht und die eingetretene Verletzung typischerweise auf diesen Fehler zurückzuführen ist. Zudem müssen Unternehmen auf Anordnung eines vom Geschädigten angerufenen Gerichts Beweismittel offenlegen. Zugleich ist sichergestellt, dass Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen effektiv geschützt werden. Mit den Änderungen wird insbesondere darauf reagiert, dass moderne Produkte wie vernetzte Geräte und Software zunehmend komplex ausgestaltet sind.
  • Verzicht auf Haftungshöchstgrenzen: Bisher haften Hersteller nach dem Produkthaftungsgesetz bis höchstens 85 Mio. Euro. Dieser Haftungshöchstbetrag soll gestrichen werden, sodass sie finanziell unbegrenzt haften.

Auswirkungen für Wirtschaft und Verbraucher

Mit den vorgeschlagenen Neuregelungen will der Gesetzgeber insbesondere auf die zunehmende Komplexität moderner Produkte reagieren. Verbraucher profitieren dann nicht nur von der sachlichen Erweiterung der Produkthaftungsregelungen. Mit den Regelungen über die Offenlegung von Beweismitteln und zur Beweislast wird es künftig Klägern auch erleichtert, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

Für Hersteller und andere Wirtschaftsakteure, die den Haftungsregeln des modernisierten Produkthaftungsrechts unterliegen, bedeutet die Umsetzung sachlich und finanziell eine erhebliche Ausweitung der Haftungsrisiken, was betroffene Unternehmen in den Ruin treiben kann, wenn sich sie nicht zu wesentlich höheren Kosten einen deutlich ausgeweiteten Versicherungsschutz leisten.

Ob diese verschuldensunabhängige Haftungsausweitung im weiteren Gesetzgebungsverfahren so Bestand haben wird, muss abgewartet werden. Von den Wirtschaftsverbänden wird sicher lauter Protest zu hören sein; dafür haben sie jetzt im Rahmen der Verbändeanhörung bis 10.10.2025 Gelegenheit.

Weitere Informationen:

Ein Beitrag von:

  • Prof. Dr. jur. Ralf Jahn

    • Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
    • ehem. Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
    • ehem. Honorarprofessor an der Universität Würzburg

    Warum blogge ich hier?
    Mein erster Blog bietet die Möglichkeit, das Thema der Pflicht der „Pflichtmitgliedschaft in Kammern“ „anzustoßen“ und in die Diskussion zu bringen. Bei genauem Hinsehen sichert der „Kammerzwang“ nämlich Freiheitsrechte durch die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Partizipation.

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