Nochmals: Gegen wen müssen Wohnungseigentümer seit der WEG-Reform 2020 ihre Ansprüche geltend machen?

Nach dem seit 1.12.2020 geänderten WEG-Recht richtet sich der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers wegen Verletzung von Verwalterpflichten nicht mehr gegen den Verwalter selbst, sondern nur gegenüber der WEG-Gemeinschaft. Der zwischen der WEG-Gemeinschaft und dem Verwalter geschlossene Vertrag entfaltet insoweit auch keine drittschützende Wirkung zugunsten des einzelnen Wohnungseigentümers (BGH v. 5.7.2024 – V ZR 34/24).

Hintergrund

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) regelt das WEG die Rechtsbeziehungen der einzelnen Eigentümer untereinander, zur Gemeinschaft aller Eigentümer und zum Verwalter. Das WEG wurde durch Modernisierungsgesetz vom 22.10.2020 (BGBl 2020 I S. 2187) mit weitreichenden Änderungen für Verwalter und Eigentümergemeinschaft geändert. Damit stellt sich in der Praxis in den verschiedensten Fallkonstellationen die Frage, gegen wen im gerichtlichen Streitverfahren eigentlich der Anspruch prozessual geltend zu machen ist.

Sachverhalt im Streitfall

Der Kläger ist Rechtsanwalt und Mitglied einer WEG, deren Verwalterin die Beklagte ist. Die WEG war Versicherungsnehmerin einer Gebäudeversicherung. Nach einem Wasserschaden an Gemeinschafts- und Sondereigentum überwies die Gebäudeversicherung der WEG im November 2022 die berechnete Entschädigung. Der Kläger forderte die Beklagte unter Fristsetzung zunächst erfolglos auf, den für sein Sondereigentum geleisteten Teilbetrag an ihn zu zahlen. Die Auszahlung erfolgte erst, nachdem er erneut zur Zahlung aufgefordert und erklärt hatte, sich anwaltlich selbst zu vertreten. Die auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage gegen den Verwalter blieb aber in aller Instanzen erfolglos.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat die Revision zurückgewiesen, da der vom Kläger seinen Anspruch gegen den Verwalter und somit den falschen Beklagten gerichtet hatte. Die zum alten Wohnungseigentumsrecht offen gelassene Frage, ob sämtliche in § 27 Abs. 1 WEG aF geregelten Amtspflichten des Verwalters Individualrechte der einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber dem Verwalter begründeten (BGH v. 8.6.2018 – V ZR 125/17, BGHZ 219, 60 Rn. 26), stellt sich seit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) zum 1.12.2020 nicht mehr. Denn danach obliegt die Verwaltung (auch) im Innenverhältnis ausschließlich der WEG (§ 18 Abs. 1 WEG), die die ihr zugewiesenen Aufgaben durch ihre Organe erfüllt; internes Organ für die Ausführung ist der Verwalter (vgl. BT-Drs. 19/18791 S. 58; BGH v. 21.7.2023 – V ZR 90/22, BGHZ 239, 1 Rn. 11).

Der Verwaltervertrag hat auch keine drittschützende Wirkung gegenüber dem einzelnen Wohnungseigentümer. Nach der zum alten WEG ergangenen Rechtsprechung des BGH entfaltete der Verwaltervertrag Schutzwirkung zugunsten der einzelnen Wohnungseigentümer (BGH v.19.7.2019 – V ZR 75/18, ZWE 2020, 44 Rn. 7; BGH v. 8.2.2019 – V ZR 153/18, ZWE 2019, 367 Rn. 9; BGH v. 7.7.2016 – V ZB 15/14, NJW-RR 2017, 464 Rn. 9). Ob dies auch nach Inkrafttreten des WEMoG zum 1.1.2020 angenommen werden kann, ist umstritten und wird jetzt vom BGH verneint. Der einzelne WEG-Eigentümer ist nicht entsprechend schutzbedürftig, weil er nach der WEG-Reform von 2020 bei einer Pflichtverletzung eines ausreichenden Schutzanspruch gegenüber der WEG-Gemeinschaft hat (BGH a.a.O. Rz.18 ff.).

Weitere prozessuale Folgen der WEG-Reform von 2020

Die aufgrund des WEG-Modernisierungsgesetzes (BGBl 2020 I S. 2187) zum 1.12.2020 erfolgte Veränderung der Verwaltungsstruktur der Wohnungseigentümergemeinschaft hat dazu geführt, dass Ansprüche der Wohnungseigentümer, die nach altem Recht gegen den Verwalter oder die übrigen Wohnungseigentümer bestanden, nunmehr gegen den Verband zu richten sind (BGH v. 7.5.2021 – V ZR 299/19, NJW-RR 2021, 1170 Rn. 19). Eine Übergangsvorschrift für vor dem 1.12.2020 laufende Verfahren enthält das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz nicht, so dass seitdem 1.12.2020 die Passivlegitimation fehlen kann.

Wenn in einem solchen Übergangsfall die WEG ihre Zustimmung zu einem Parteiwechsel verweigert, ist dies im Hinblick auf die enge Verbindung, die die übrigen Wohnungseigentümer, der Verwalter bzw. die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu dem Rechtsstreit haben, regelmäßig mangels schutzwürdigen Interesses als rechtsmissbräuchlich anzusehen (BGH v.7.5.2021 – V ZR 299/19, NJW-RR 2021, 1170 Rn. 19; BGH v. 8.7.2022 – V ZR 202/21, NJW 2022, 3003).

Einordnung und praktische Folgen für WEG-Mitglieder

Das BGH-Urteil knüpft nahtlos an die jüngste BGH-Rechtsprechung (BGH v. 19.4.2024 – V ZR 167/23) Anspruch auf Erstellung der Jahresrechnung) an und zeigt abermals: Nach dem seit dem 1.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht richtet sich der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers entgegen der früheren Rechtslage nicht mehr gegen den Verwalter, sondern gegen die WEG. Grund ist, dass auch der Anspruch auf Einhaltung des Verwaltervertrages zur ordnungsmäßigen Verwaltung gehört, auf die der Wohnungseigentümer gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG einen Anspruch hat und deshalb gegen die WEG zu richten ist.

Entsprechende Änderungen bei der Passivlegitimation gelten aber auch in anderen WEG-Bereichen:

  • So war nach bisherigem Recht die Beschlussersetzungsklage gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten, während jetzt nach § 44 Abs. 1 WEG gegen die WEG zu klagen ist (BGH v. 8.7.2022 – V ZR 202/21, NJW 2022, 3003, Rn. 40).
  • Für die Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer war bislang der Verwalter zuständig. Da aber nach dem neuen Recht die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums sowohl im Außenverhältnis als auch im Innenverhältnis ausschließlich der WEG obliegt (§ 18 Abs. 1 WEG), ist nunmehr diese für die Umsetzung der Beschlüsse passivlegitimiert (BGH v. 16.12.2022 – V ZR 263/21, NJW-RR 2023, 226 Rn. 26).
  • Sieht die Gemeinschaftsordnung vor, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung des Verwalters bedarf (vgl. § 12 Abs. 1 WEG), ist seit dem 1.12.2020 eine Klage auf Zustimmung stets gegen die WEG zu richten (BGH v. 21.7.2023 – V ZR 90/22, NJW-RR 2023, 3654 Rn. 9)
  • Der Anspruch eines Wohnungseigentümers, eine Jahresabrechnung bzw. entsprechende Einzelabrechnungen zu erstellen, war nach früherem (bis 30.11.2020 geltenden) Recht gegen den Verwalter für einen solchen Anspruch geltend zu machen (BGH v. 1.6.2012 – V ZR 171/11, NJW 2012, 2797 Rn. 14). Seit 1.12.2020 ist der Anspruch aber gegen die WEG-Gemeinschaft geltend zu machen (BGH v.19.4.2024 – V ZR 167/23).

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