Das Wachstum ist im Keller, eine erdrückende (Steuer-)Bürokratie hat sich übers Land gelegt. Der Wunsch nach durchgreifenden Reformen wird immer lauter, jedoch findet die Politik kaum die Kraft, wirkliche strukturelle Neuerungen auf den Weg zu bringen. Zu groß sind offenbar immer wieder die Fliehkräfte und Widerstände innerhalb der Koalitionen auf Bundesebene und zwischen Bund und Ländern. Auch der aktuelle Koalitionsvertrag stellt über die bereits umgesetzte Senkung des Körperschaftsteuersatzes hinaus keine weitreichenden Steuerreformen in Aussicht. Und das obwohl zwei Expertenkommissionen des BMF erst im vergangenen Jahr ihre in der Fachwelt sehr positiv aufgegriffenen Berichte vorgelegt hatten. Die Politik müsste lediglich „einfach mal machen“.
Neue Wege in der Steuergesetzgebung
Um die offenbar bestehende Reformblockade zu lösen, sollte die Politik bereit sein, über neue Wege nachzudenken. Eine Option könnte die in der deutschen Steuergesetzgebung bislang kaum verwendete „Sunset Legislation“ sein. Darunter versteht man ein nur befristetes Inkraftsetzen von Regelungen. Eine Neuregelung bekommt sozusagen ein Verfallsdatum, so dass Finanzverwaltung und Steuerpflichtige Erfahrungen mit einer Regelung erwerben können. Es steht aber von Anfang an fest, dass der jeweilige Paragraf wieder aus dem Gesetz verschwindet, sofern er sich nicht als tauglich erweist und sich keine politischen Mehrheiten für eine Verlängerung/Entfristung finden. Ein solches Verfallsdatum kann die Bereitschaft erhöhen, Regelungen trotz Bedenken auszuprobieren, minimiert aber zugleich das Risiko, dass eine Regelung mit unerwartet negativen Effekten länger als nötig in Kraft bleibt.
Gesetzgebungstechnisch ist dies kein Hexenwerk. So stellt das von BMJ veröffentlichte Handbuch der Rechtsförmlichkeit ab Rn. 450 eine ausführliche Anleitung zur nötigen Gesetzgebungsmechanik zur Verfügung, auch wenn auf die Verwendung der angelsächsischen Begrifflichkeit verzichtet wird.
Alternative Prüfungsmethoden, AfA und Verluste als Beispiel
Eines der raren deutschen Beispiele findet sich unter der Überschrift „Erprobung alternativer Prüfungsmethoden“ in Artikel 97 § 38 EGAO. Nach der Regelung kann die Finanzverwaltung einem Steuerpflichtigen künftige Prüfungserleichterungen zusagen, wenn er über ein für gut befundenes steuerliches Kontrollsystem verfügt. Die Ende 2022 im Rahmen der Reform der Betriebsprüfung eingeführte Regelung tritt, sofern der Gesetzgeber nicht nach erfolgter Evaluierung ausdrücklich anders entscheidet, zum 01.01.2030 wieder außer Kraft.
Häufiger anzutreffen sind in Deutschland Befristungen, die hauptsächlich haushalterischen Überlegungen entspringen, wie z.B. die regelmäßig befristete Einführung der degressiven AfA, die mit dem Wachstumschancengesetz umgesetzte vorübergehende Anhebung der Prozentgrenze beim Verlustabzug oder die mit den Corona-Steuerhilfegesetzen erhöhten Grenzen beim Verlustrücktrag. Auch wenn bei solchen Regelungen a priori aus Sicht der Wirtschaft feststeht, dass sie besser gleich dauerhaft eingeführt werden, kann eine Befristung sinnvoll sein, wenn z.B. eine degressive AfA sonst im Bundesrat nicht durchsetzbar wäre oder wenn beim Fiskus z.B. Untersicherheit besteht, in welchem Umfang bestehende Verluste fiskalisch wirksam werden.
Ein idealer Anwendungsfall für Sunset Legislation wären demnach neuartige Regelungen, die auf aktuelle Probleme eingehen und bei denen strittig ist, ob sie in der Praxis gut angekommen werden oder eher Mitnahmeeffekte o.ä. erzeugen.
Ein aktuelles Beispiel, wo dies Sinn ergeben könnte, wäre das von der Koalition geplante Arbeitnehmerpaket. Dies folgt im zweiten Teil dieses Beitrags, der in Kürze erscheint.