Gebt in der Steuergesetzgebung der Sunset Legislation eine Chance! (Teil 2)

Um die offenbar bestehende Reformblockade zu lösen, sollte die Politik bereit sein, über neue Wege nachzudenken. Eine Option könnte die in der deutschen Steuergesetzgebung bislang kaum verwendete „Sunset Legislation“ sein. Im ersten Teil dieses Beitrags wurde als Anwendungsbereich beispielhaft alternative Prüfungsmethoden, AfA und Verluste genannt. Hier im zweiten Teil folgt ein weiterer Anwendungsfall, der sich für Sunset Legislation anbietet.

Nächster Anwendungsfall Arbeitnehmerpaket?

Ein aktuelles Beispiel, wo dies Sinn ergeben könnte, wäre das von der Koalition geplante Arbeitnehmerpaket (Aktivrente, steuerfreie Überstundenzuschläge und Teilzeitaufstockungsprämie). Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände und Lohnsteuerhilfevereine haben gleichermaßen zu verschiedensten Detailproblemen Bedenken vorgetragen. Hinzu kommt die Gefahr, dass die Koalition ggf. auf Drängen der Finanzverwaltung die Regelungen von Anfang an mit Missbrauchsvermeidungsvorschriften überfrachtet. In dieser Situation könnte die Koalition eine möglichst unkompliziert gehaltene Regelung testweise ausrollen und die Steuerpflichtigen „einfach mal machen“ lassen. Wenn sich in ein paar Jahren herausstellt, dass lediglich Mitnahmeeffekte realisiert wurden, könnte eine „Sunset Clause“ den Versuch automatisch beenden. Sind die Maßnahmen erfolgreich, beschließt der Gesetzgeber die Entfristung.

Auf diese Weise hätte man auch die teils exzessive Anti-Missbrauchsgesetzgebung der vergangenen Jahre entschärfen können. Man stelle sich vor, das Steueroasen-Abwehrgesetz, die Lizenzschranke oder auf EU-Ebene z.B. die Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen wären mit einem Verfallsdatum an den Start gegangen. Das Steuerrecht würde auf diese Weise automatisch von Dysfunktionalem bereinigt.

Positive Auswirkungen auf die Gesetzgebung?

Abschließend sei auf einen weiteren Vorteil hingewiesen, auch wenn dieser ein klein wenig despektierlich klingen mag: Auch die Ressourcen des (Steuer-)Gesetzgebers sind endlich. Laut Datenhandbuch des Deutschen Bundestages [1] ist die Anzahl der von Bundesregierung und den Fraktionen (inkl. Opposition) eingebrachten Gesetze (für sämtliche Politikbereiche) im Zeitablauf relativ konstant. Von 1990 bis 2021 waren es pro Legislaturperiode immer ca. 700 bis 900 Verfahren. Der Einsatz von Verfallsdaten würde den Gesamtumfang der Gesetzgebung wohl nicht ausweiten können, da der Gesetzgeber ohnehin an seiner Kapazitätsgrenze arbeitet. Je mehr aber der Gesetzgeber damit beschäftigt ist, die Fortsetzung von auslaufenden Regelungen zu prüfen und darauf zu reagieren, desto weniger Zeit bleibt ihm, sich das nächste Bürokratiemonster auszudenken. Das pausenlose Erschaffen neuer Gesetze würde teilweise durch eine regelmäßige Überprüfung des bestehenden Rechts ersetzt.

Die Kehrseite wäre freilich die Möglichkeit, dass auch rundherum wünschenswerte Dinge wie die aktuelle Körperschaftsteuersenkung künftig befristet werden und allgemein mehr Rechtsunsicherheit entsteht. Sunset Legislation ist also kein Allheilmittel. Aber angesichts des hohen Reformdrucks, der sich überall angestaut hat, könnte das Instrument helfen, die eine oder andere Blockade zu lösen.

[1] Datenhandbuch des Deutschen Bundestages, Kapitel 10.1, eigene Berechnungen. https://www.bundestag.de/resource/blob/196202/Kapitel_10_01_Statistik_zur_Gesetzgebung.pdf

 

Ein Beitrag von:

  • Roland Nonnenmacher

    Head of Tax Policy Germany bei EY

    Warum blogge ich hier?
    Der NWB-Expertenblog ist die ideale Möglichkeit, sich zu aktuellen steuerpolitischen und -rechtlichen Themen zu Wort zu melden und Diskussionen anzustoßen.

Kommentare zu diesem Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

34 − = 32

ARCHIV

Archive