Das Kindergeldrecht kann ziemlich kompliziert sein. Umso mehr gilt dies bei Fällen mit Auslandsbezug, etwa wenn es um das so genannte Differenzkindergeld geht. Das heißt: Wenn Eltern für ihr Kind – auch – Kindergeld oder ähnliche Zahlungen aus einem anderen Land erhalten, so soll das deutsche Kindergeld nicht zusätzlich gezahlt werden. Sind die Leistungen aus dem Ausland geringer als das deutsche Kindergeld, wird gegebenenfalls ein Teilkindergeld gezahlt – das so genannte Differenzkindergeld. Zu Einzelheiten kann unter anderem auf Abschnitt A 29 der Dienstanweisung Kindergeld verwiesen werden.
Nun hat das FG Köln entschieden, dass die Familienkasse das Kindergeld für ein in Deutschland lebendes Kind aber in voller Höhe auszahlen muss, wenn sie keine Auskunft der ausländischen Verbindungsstelle darüber erhält, ob für das Kind Ansprüche auf Familienleistungen nach ausländischem Recht bestehen (FG Köln, Urteil vom 23.5.2025, 14 K 950/22).
Der Sachverhalt:
Der Einfachheit halber erlaube ich mir, aus der Pressemitteilung vom 27.10.2025 des FG Köln zu zitieren. Die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, beantragte bei der Familienkasse Kindergeld für das bei ihr lebende Kind, das ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Vater des Kindes ist ein Angehöriger der britischen Armee. Die Familienkasse zahlte lediglich einen Unterschiedsbetrag zum britischen Kindergeld („Child benefit“) aus, da sie davon ausging, dass für den Kindsvater ein vorrangiger Anspruch auf britische Familienleistungen bestehe. Auskunftsersuchen der Familienkasse an die britische Verbindungsstelle blieben für die von der Klage erfassten Kindergeldmonate unbeantwortet. Die Klage auf Zahlung des vollen Kindergelds hatte Erfolg.
Die Begründung:
Von der Klägerin könne nicht verlangt werden, weitere Auskunftsersuchen abzuwarten und damit eine faktisch endgültige Kürzung der Familienleistungen hinzunehmen. Die Anspruchsvoraussetzungen nach nationalem Recht lägen unstreitig vor. Die nach Europarecht nachrangig zuständige Familienkasse müsse Kindergeld nach nationalen Vorschriften in voller Höhe zahlen, wenn aufgrund fehlender Mitwirkung des ausländischen Trägers nicht zweifelsfrei geklärt werden könne, ob ein den deutschen Kindergeldanspruch ausschließender Anspruch auf ausländische Familienleistungen bestehe.
Es wurde die Revision zugelassen, die auch bereits unter dem Az. III R 28/25 vorliegt.
Denkanstoß:
Das Urteil ist zu begrüßen. Es reiht sich in andere FG-Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit ein, in denen die Rechte der Eltern im Zusammenspiel mit den Familienkassen gestärkt worden sind. Insofern kann auf folgende Blog-Beiträge verwiesen werden:
- Feststellungsklage bei vorläufiger Einstellung der Kindergeldzahlung zulässig?
- Ermittlungspflicht und der Grundsatz von Treu und Glauben – endlich ´mal eine positive Entscheidung
Allerdings liegen auch hier jeweils die Revisionen vor – die Familienkassen sind insoweit hartnäckig. Man darf gespannt sein, ob und inwieweit auch der BFH die Verfahrensrechte von Eltern stärkt oder ob er den Familienkassen beipflichtet.
Kurz noch ein Hinweis zu Großbritannien: Trotz dessen Austritt aus der EU sind bestimmte europäische Verordnungen aufgrund des entsprechend geschlossenen Austrittsabkommens weiterhin auf Sachverhalte zwischen Großbritannien und der EU anwendbar. Das betrifft auch die Koordinierung der Ansprüche auf Familienleistungen. Der Datenaustausch zwischen den Trägern ist weiterhin vorgesehen, und Großbritannien nimmt am elektronischen Austausch von Sozialversicherungsdaten teil – so das FG Köln in seiner erwähnten Pressemitteilung.
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