Abschlussprüfung und Steuerberatung

Im Zusammenhang mit der Insolvenz der German Pellets war kürzlich in der Tagespresse zu lesen, deren Abschlussprüfer stünde im Fokus der Staatsanwaltschaft. Auch wenn die Berichterstattung nicht ganz klar war, soll die Staatsanwaltschaft bezüglich des Abschlussprüfers mit Blick auf einen etwaigen Verdacht auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermitteln. Naturgemäß kann und soll in diesem Blog hierzu keine auf den Fall bezogene konkrete Diskussion erfolgen. Dennoch wirft die Berichterstattung einige grundsätzliche Fragen auf.

Nach der Berichterstattung soll der Abschlussprüfer neben der Durchführung der gesetzlichen Abschlussprüfungen der Gesellschaft das Privatflugzeug des Firmengründers „verwaltet“ haben, als Vorstand einer Stiftung des Firmengründers tätig geworden sein und wohl auch von einer Transaktion betroffen sein, bei der „durch interne Abrechnungen Erträge von rund zwölf Millionen Euro generiert“ worden sein sollen. „Daraus hätten … Umsatz und Kapitalertragsteuer abgeführt werden müssen.“

Die Unabhängigkeit bzw. Unbefangenheit ist einer der wichtigsten Grundsätze der Abschlussprüfung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 WPO). Gerade im Zusammenhang mit der neuen Abschlussprüfungsverordnung war eine heftige Diskussion zu beobachten und haben sich neue Regelungen ergeben. Die Unabhängigkeit kann man systematisch in eine innere (=Unbefangenheit) und eine äußere trennen. Letztere, mit der sich der Gesetzgeber beschäftigt, ist dann gegeben, wenn keine Besorgnis der Befangenheit etwa wegen Beziehungen geschäftlicher, finanzieller oder persönlicher Art besteht (§ 319 Abs. 2 HGB, § 49 WPO). Dabei kommt es auf den Blick eines Außenstehenden an. Nur wenn er den Abschlussprüfer für unabhängig bei der Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit des Abschlusses hält, vertraut er seinem Urteil und die Abschlussprüfung kann ihre Funktion erfüllen.

Um eine griffige Abgrenzung zu erreichen, unterstellt der Gesetzgeber in bestimmten Fällen die Besorgnis der Befangenheit und schließt die Übernahme eines Abschlussprüfungsmandats aus, bspw. (§§ 319, 319a HGB):

  • Der Wirtschaftsprüfer hält Anteile am zu prüfenden Unternehmen
  • Der Wirtschaftprüfer ist gesetzlicher Vertreter, Aufsichtsrat oder Arbeitnehmer des zu prüfenden Unternehmens
  • Der Wirtschaftsprüfer hat an der Aufstellung des Abschlusses mitgewirkt (Selbstprüfungsverbot)
  • Der Wirtschaftsprüfer überschreitet vorgegebene Umsatzgrenzen mit dem Mandanten.

Darüber hinaus ist bei kapitalmarktorientierten Unternehmen eine „Abkühlungsperiode“ vor einem Wechsel zum Mandanten zu beachten (§ 43 Abs. 3 WPO). Nur für die Prüfung kapitalmarktorientierter Unternehmen darf zudem über die Prüfungstätigkeit hinaus keine Rechts- oder Steuerberatungsleistungen erbracht worden sein, die über das Aufzeigen von Gestaltungsalternativen hinausgegangen ist und die sich auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage in dem zu prüfenden Jahresabschluss unmittelbar und nicht nur unwesentlich auswirkt und es besteht ein Zwang zur sogenannten internen Rotation (§ 319a Abs. 1 Nr. 2, 4 HGB). Für andere Mandanten gelten diese Einschränkungen nicht.

Die neue europäische Abschlussprüfungsverordnung nimmt einige der Gedanken des § 319a HGB für die Prüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse auf und schafft ein Verbot zur Erbringung von bestimmten Nichtprüfungsleistungen, unter anderem von Steuerberatungsleistungen im Zusammenhang mit:

  • Erstellung von Steuererklärungen
  • Lohnsteuer
  • Zöllen
  • Ermittlung von staatlichen Beihilfen und steuerlichen Anreizen, es sei denn, die Unterstützung durch den Abschlussprüfer oder die Prüfungsgesellschaft bei solchen Leistungen ist gesetzlich vorgeschrieben
  • Unterstützung hinsichtlich Steuerprüfungen durch die Steuerbehörden, es sei denn, die Unterstützung durch den Abschlussprüfer oder die Prüfungsgesellschaft bei diesen Prüfungen ist gesetzlich vorgeschrieben
  • Berechnung der direkten und indirekten Steuern sowie latenter Steuern
  • Erbringung von Steuerberatungsleistungen (Wortlaut!).

Darüber hinaus beabsichtigt der deutsche Gesetzgeber u.a. die „aggressive Steuergestaltung“ zu berücksichtigen (§ 319a Abs. 1 Nr. 2 HGB idF AReG-RegE): „wenn die Erbringung der Steuerberatungsleistungen im zu prüfenden Geschäftsjahr den für steuerliche Zwecke zu ermittelnden Gewinn im Inland erheblich gekürzt hat oder ein erheblicher Teil des Gewinns ins Ausland verlagert worden ist, ohne dass eine über die steuerliche Vorteilserlangung hinausgehende wirtschaftliche Notwendigkeit für das Unternehmen besteht“.

Soweit ersichtlich wird es für Prüfungen von Mandanten außerhalb von Unternehmen von öffentlichem Interesse auch künftig keine besonderen Einschränkungen zur Übernahme von Steuerberatungsleistungen geben. Das war dem Berufsstand wichtig. Überzeugen kann das aber nicht. Steuerliche Gestaltungen können Auswirkungen auf den handelsbilanziellen Abschluss haben. Mithin stellt sich hier schon die Frage der Verletzung des Selbstprüfungsverbots. Bei der Steuerberatung ist eine möglichst vollständige Nutzung der Spielräume bis hin in Grenzbereiche notwendig. Dabei kann sich auch schnell die Frage nicht nur einer bilanzsteuerrechtlichen Zulässigkeit stellen, sondern auch der handelsbilanziellen. Ist der Prüfer dann wirklich frei, die handelsbilanzielle Abbildung einer von ihm in den Grenzbereich beratenen Gestaltung unbefangen zu beurteilen? Vermischt die gleichzeitige Erbringung von Steuerberatungsleistungen und Prüfungsleistungen nicht die Funktion des Prüfers als hoheitlich verliehener Aufgabe mit der Funktion des reinen Dienstleisters – oder sollen hier etwa chinese walls im Kopf des Prüfers abhelfen? Nur in besonderen Ausnahmefällen wird hier, auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, bisher ein Problem gesehen. Man könnte das noch weiter führen, das Problem sollte aber mit den aufgeworfen Fragen schon deutlich geworden sein.

Für die Prüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse kommt die Abgrenzungsproblematik hinzu, wann welche Steuerberatungsleistung zulässig ist. Das wird eine spannende Aufgabe für das Risk Management der betroffenen Prüfer.

Vor diesem Hintergrund scheint mir – als Vertreter einer Minderheitsmeinung – eine klare Lösung im Sinne eines vollständigen Verbots von u.a. Steuerberatungsleistungen für sämtliche Prüfungsmandanten eine saubere, einfach zu handhabende und vor allem vertrauenserweckende Lösung aus der Sicht der externen Adressaten des Bestätigungsvermerks. Ohne das uneingeschränkte Vertrauen der Adressaten in das Urteil des Abschlussprüfers wird die ganze Institution überflüssig. Auf den eingangs beschriebenen Fall bezogen, müsste sich eigentlich jeder Abschlussadressat die Frage selbst beantworten, ob der von der Presse berichtete Umfang der Nichtprüfungsleistungen die Vertrauenswürdigkeit des Bestätigungsvermerks des Abschlussprüfers einschränkt. Vor dem Hintergrund fehlender Kenntnis von den einzelnen Nichtprüfungsleistungen bleibt den Adressaten eine solch schwere Entscheidung aber „zum Glück erspart“.

Weitere Informationen:

Staatsanwalt ermittelt nun gegen Wirtschaftsprüfer, Handelsblatt online v. 11.3.2016

VERORDNUNG (EU) Nr. 537/2014 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 16. April 2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission, Amtsblatt der Europäischen Union v. 27.5.2014, L 158/77

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