Adler Group 2024: Zwischen Bilanzglanz und operativer Delle

Die Adler Group will zurück in die Spur: Nach Turbulenzen, Abwertungen und Vorwürfen der Bilanzmanipulation stellt der Geschäftsbericht 2024 neue Stabilität in Aussicht. Die Eigenkapitalquote steigt, der Verschuldungsgrad sinkt – und erstmals seit Jahren wurde der Abschluss wieder mit einem uneingeschränkten Testat versehen. Doch beim Blick auf die Ertragslage zeigt sich: Von echter Erholung ist das operative Geschäft weit entfernt. Ein Neustart mit Schönheitsfehlern?

Bilanz-Workout mit Nebenwirkungen

Die Bilanz der Adler Group hat eine Frischzellenkur hinter sich. Das Eigenkapital kletterte von 0,1 Mrd. € auf rund 2,2 Mrd. €, die Eigenkapitalquote stieg von 1,5 % auf 28,1 %. Möglich machte das ein umfangreiches Restrukturierungspaket, inklusive Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital und Verkäufen. Der Verschuldungsgrad sank erheblich, auch der LTV-Wert – also das Verhältnis von Schulden zum Portfoliowert – liegt mit 62,6 % erstmals wieder unterhalb kritischer Schwellen.

Besonders bemerkenswert: Zum ersten Mal seit dem Prüfungsstreit 2021 wurde der Abschluss mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen – von Ebner Stolz. Damit ist ein zentrales Reputationsrisiko formal ausgeräumt. In der Kommunikation wird das Testat deutlich betont – fast als Symbol einer wiederhergestellten Glaubwürdigkeit.

Doch die operative Realität erzählt eine andere Geschichte. Das Konzernergebnis ist weiterhin tiefrot. Allein in den ersten neun Monaten 2024 belief sich der Verlust auf 348 Mio. €, auch der FFO I war mit – 88 Mio. € negativ. Der FFO I ist der verlässliche Überschuss aus der Vermietung – eine Art Mietgewinn, der unabhängig von Bewertungseffekten oder einmaligen Einnahmen ist. Ursachen für den negativen FFO I sind vor allem hohe Zinsaufwendungen und erneute Wertminderungen auf das Immobilienportfolio. Der Rückgang der Mieterlöse – infolge des Portfolioabbaus – wurde durch die flächenbereinigten Mieterhöhungen (+4,1 %) nicht ausgeglichen. Die Zinslast lastet schwer: Mehr als 350 Mio. € jährlich muss Adler inzwischen für die Refinanzierung aufbringen.

Die Kapitalflussrechnung macht deutlich, wo es klemmt: Der operative Cashflow ist negativ, Liquidität wird fast ausschließlich über Desinvestitionen generiert. Zwar belaufen sich die Zahlungsmittel am Stichtag auf 398 Mio. €, doch ohne weiteren Mittelzufluss droht schnell erneut Engpass.

Und mein Senf dazu

Die Adler Group hat geliefert – zumindest auf dem Papier. Die Bilanz sieht deutlich stabiler aus, das Testat ist zurück, der LTV (Beleihungsquote) wieder tragbar. Doch wirtschaftlich ist das Fundament noch nicht saniert. Die operative Ertragsschwäche und der anhaltend negative Cashflow werfen die Frage auf, wie nachhaltig die Sanierung wirklich ist.

Klar: Ein uneingeschränktes Testat ist wichtig – gerade nach den Diskussionen der letzten Jahre. Doch es ersetzt keine tragfähige operative Strategie. Und wenn man den Geschäftsbericht genauer liest, merkt man: Die Adler Group ist noch lange nicht über den Berg. Die Restrukturierung war ein Befreiungsschlag – aber keiner ohne Nebenwirkungen.


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Ein Beitrag von:

  • Dr. Carola Rinker

    • Diplom-Volkswirtin und Unternehmensberaterin
    • Erstellung von (Gerichts-)Gutachten, Stellungnahmen und Analysen zu Bilanzierungssachverhalten
    • Fachbuchautorin
    • Anhörung als Sachverständige im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Wirecard Skandal des Deutschen Bundestages und im Finanzausschuss zum FISG
    • Mehr unter carolarinker.de

    Warum blogge ich hier?
    Aus Interesse an den Themen. Aus Spaß. Aus Netzwerk-Gründen. Als Ergänzung zu meiner Arbeit als Unternehmensberaterin und meinen Lehrveranstaltungen ist das Bloggen wunderbar geeignet. Ein Blog bietet die Möglichkeit, sich in einzelne Themen zu vertiefen – und sich anschließend mit Lesern darüber auszutauschen. Da jedes Jahr neue Jahresabschlüsse von Unternehmen vorgelegt werden und sich die Regeln der Bilanzierung ständig ändern, wird mir der Stoff nie ausgehen.

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