Anpassung der Gewerbemiete bei Corona-Schließung oder nicht? – Jetzt muss der BGH ran!

Ob eine staatliche, coronabedingte Schließungsanordnung bei Gewerbemietobjekten zur Anpassung der Miete/Pacht berechtigt, beurteilen die Gerichte auch nach dem „Machtwort“ des Gesetzgebers unterschiedlich: Jetzt muss der BGH entscheiden, wo’s lang geht!

Hintergrund

Wenn aufgrund einer staatlichen Schließungsanordnung ein Gewerbetreibender sein Ladengeschäft nicht mehr öffnen darf und deshalb keinen Umsatz erzielt, ist zwangsläufig auch das Mietverhältnis zwischen Vermieter und Mieter betroffen. Nachdem bislang die Gerichte sehr unterschiedlich beurteilt haben, ob in solchen Fällen staatlicher Anordnungen die Miete/Pacht wegen Mietmangels (§ 536 BGB) oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage angepasst werden muss, hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 22.12.2020 (BGBl 2020 S. 3328, 3332) eingegriffen, das rückwirkend für alle Miet-/Pachtverhältnisse gilt, die seit Frühjahr 2020 von Corona-Schließungsanordnungen betroffen sind.

Störung der Geschäftsgrundlage vom Gesetzgeber konkretisiert

Durch Änderung des Art. 240 EGBGB, § 7 wird jetzt bei § 313 BGB vermutet, dass sich mit den Auswirkungen der behördlichen Pandemiemaßnahmen ein Umstand wesentlich geändert hat, der zur Grundlage des Mietverhältnisses geworden ist. Die Vermutungsregelung umfasst das 1. Element des § 313 BGB (Änderung wesentlicher Umstände). Das zweite. Element (Abweichende Regelung bei Kenntnis der Parteien) und das dritte Element (Unzumutbarkeit für eine der Parteien am Vertrag festzuhalten) bleiben von der gesetzlichen Regelung unberührt und sind im Einzelfall vom Mieter darzulegen und zu beweisen. Auch die Rechtsfolge (Stundung; Anpassung Mietzins; Minderung) ist nicht geregelt und gibt weiter Anlass zu gerichtlicher Auseinandersetzung. Gerichtliche Streitigkeiten sind vor den Zivilgerichten vorrangig zu behandeln, § 44 EGZPO.

Oberlandesgerichte urteilen unterschiedlich

Das OLG Dresden (24.2.2021 – 5 U 1782/20) hat jetzt einem Mieter Recht gegeben und entschieden, dass eine Reduzierung der Kaltmiete um 50% gerechtfertigt sei, weil keine der Parteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen habe. Deshalb sei es angemessen, dieses Pandemie-Risiko hälftig zu teilen.

Das OLG Karlsruhe (v. 24.02.2021 – 7 U 109/20) hat demgegenüber dem Vermieter Recht gegeben: Mieterinnen und Mietern sei es nur dann wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage unzumutbar, den vollständigen Mietzins zu zahlen, wenn die Inanspruchnahme ihre Existenz vernichten oder ihr wirtschaftliches Fortkommen zumindest schwerwiegend beeinträchtigen würde und auch die Interessenlage des Vermietenden eine Vertragsanpassung erlaube – auch bei Corona! Als mögliche Kompensationen seien etwa Onlinehandel, öffentliche Leistungen (wie Corona-Finanzhilfen), ersparte Aufwendungen bei Kurzarbeit oder Nutzung fortbestehender Vermögenswerte durch weiterhin verkaufbare Ware zu berücksichtigen.

Konsequenz: Jetzt muss der BGH ran!

Wenn zwei Obergerichte unterschiedlicher Ansicht sind und weitere dazu kommen könnten, muss der BGH ran und entscheiden, wo`s lang geht; das ist jetzt in den nicht rechtskräftigen Verfahren zu erwarten. Dabei wird der BGH Gelegenheit haben, klarzustellen, dass bei der Vermutungsregelung des § 313 BGB andere als die drei oben genannten Kriterien bei der Rechtsfindung nichts zu suchen haben. Wollte man etwa maßgeblich sein lassen, ob und wieviel und für welchen Zeitraum eine der Vertragsparteien (oder gar beide) staatliche Corona-Zuschüsse in Anspruch genommen haben, die doch die finanzielle hüben wie drüben gelindert haben, kommen die Gerichte bei ihren Entscheidungen in Teufels Küche.

Was lernen wir aber für die Zukunft daraus? Bei Neuverträgen sollte eine „Corona- bzw. Pandemieklausel“, egal in welcher Form, spätestens jetzt in jedem Gewerbemietvertrag vereinbart werden, um künftigen Auseinandersetzungen von vornherein aus dem Weg zu gehen.

Weitere Informationen:


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