Aufreger des Monats Dezember 2017

Bislang war ich der Auffassung, dass für Verfügungen und Erlasse der Finanzverwaltung die Oberfinanzdirektionen, die Landesfinanzministerien und das Bundesfinanzministerium zuständig sind. Hin und wieder sind auch die Verlautbarungen des Bundeszentralamts für Steuern wichtig. Heimlich aber leise schiebt sich eine weitere Institution in der Vordergrund, die offenbar bundesweit großen Rückhalt in der Finanzverwaltung genießt.

Es handelt sich um das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung Bonn. Dieses gibt die „Bonner BP-Nachrichten“ heraus. Nun ist es lobenswert, dass Finanzbeamte ihre Kollegen schulen und sich die Mühe machen, offenbar in ihrer Freizeit wirklich lesenswerte Beiträge zu verfassen.

In letzter Zeit musste ich allerdings eine verstärkte Tendenz erkennen, diese Beiträge in Betriebsprüfungs- bzw. Rechtsbehelfsverfahren zu zitieren ­– und zwar in einer Art und Weise, als würde es sich dabei um Verfügungen des Dienstherrn handeln. Jüngst durfte ich ein Verfahren führen, in dem ein ­– aus meiner Sicht eindeutiges – BMF-Schreiben nicht angewendet worden ist. Die Finanzverwaltung begründete ihre Auffassung damit, dass das BMF-Schreiben in den „Bonner BP-Nachrichten“ für den entsprechenden Sachverhalt als nicht einschlägig bezeichnet worden ist. Das macht dann doch sprachlos.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Dies ist keine Kritik an den Autoren der „Bonner BP-Nachrichten.“ Und selbstverständlich steht es der Finanzverwaltung zu, auch langjährig vertretene Auffassungen zu überarbeiten und gegebenenfalls zu verwerfen. Ich habe allerdings kein Verständnis, wenn sich einzelne Finanzämter nach außen hin auf die „Bonner BP-Nachrichten“ oder andere interne Meinungsäußerungen berufen, die offenbar im Widerspruch zu offiziellen Verlautbarungen stehen.

Ich hatte kürzlich im Übrigen die Gelegenheit, mit einem namhaften Steuerjuristen über das Thema „Verfügungen nur für den Dienstgebrauch“ zu sprechen. Er hält diese für rechtswidrig, da sie unter anderem gegen das gesetzlich verankerte Informationsrecht der Presse verstoßen würden. Ich bin geneigt, ihm zuzustimmen.

3 Gedanken zu “Aufreger des Monats Dezember 2017

  1. Die Aussage, das BMF-Schreiben sei für den entsprechenden Sachverhalt nicht einschlägig, bedeutet doch völlig offensichtlich gerade nicht, sich zu dem BMF-Schreiben in Widerspruch zu setzen (sondern eben nur, dass die „offizielle Verlautbarung“ sich zu dem konkreten Sachverhalt bei genauer Betrachtung gar nicht verhält).

  2. Natürlich haben Sie recht, solange das BMF-Schreiben tatsächlich nicht einschlägig ist oder sich interpretieren lässt. Ich möchte hier aber eine gewisse Tendenz aufzeigen, wonach die Anwendbarkeit von BMF-Schreiben mit sehr merkwürdigen Argumenten angezweifelt wird.

    Aktuelles Beispiel: In einem BMF-Schreiben zum Thema „Kostendeckelung“ heißt es wörtlich „Die Gesamtkosten im Wirtschaftsjahr betragen …“. Argumentation eines Finanzamts (unter Bezugnahme auf die Bonner BP-Nachrichten): Man könne eine Leasingsonderzahlung bei 4/3 Rechnern über die Laufzeit des Leasingvertrages verteilen. Das BMF-Schreiben spreche zwar von Gesamtkosten im Wirtschaftsjahr. Wenn man aber eine Zahlung von 21.000 Euro auf drei Jahre verteilt, seien halt 7.000 Euro Gesamtkosten im Wirtschaftsjahr angefallen.

  3. Die Verwaltung übt die Auslegung nach „Gutsherrenart“; evtl. ist dies auch in der Fortbildung entsprechend programmiert.
    Da die Schwierigkeiten mit Finanzämtern u. a. immer nach Abschluss der Ausbildung der FHS oder HS für Finanzanwärter beginnen.

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