Auftragsvergabe: Wird das Bundestariftreuegesetz zu einem Vergabehindernis?

Öffentliche Aufträge des Bundes sollen nur noch an Unternehmen gehen, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Dafür hat das Kabinett hat am 6.8.2025 den Entwurf für ein Bundestariftreuegesetz (BTTG) beschlossen. Was ist davon zu halten?

Hintergrund

Aktuell sind tarifgebundene Unternehmen im Wettbewerb oft benachteiligt: Sie kommen bei Vergaben häufig nicht zum Zug oder bewerben sich erst gar nicht. Denn nicht tarifgebundene Konkurrenten können ihre Waren und Dienstleistungen aufgrund geringerer Personalkosten meist günstiger anbieten. Das beschränkt den Wettbewerb. Deshalb sollen Unternehmen ihren Beschäftigten nach dem jetzigen BTTG-Entwurf künftig tarifvertragliche Arbeitsbedingungen gewähren müssen, wenn sie Aufträge des Bundes ausführen. Das betrifft beispielsweise die Entlohnung, Urlaubsansprüche oder Regelungen zu Ruhezeiten. Ein entsprechender Kabinettsbeschluss vom 27.11.2024 unter der Ampelregierung wurde im Bundestag nicht mehr behandelt und konnte deshalb in der 20. Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden.

Eckpunkte des geplanten Bundesgesetzes

Das neue Gesetz soll für Vergaben auf Bundesebene ab 50.000 Euro gelten. Bürokratie, Nachweispflichten und Kontrollen sollen auf ein absolutes Minimum begrenzt werden. Der Entwurf sieht vor, dass das Tariftreueversprechen als einfache, unbürokratische Erklärung im Vergabeverfahren abgegeben werden soll.

Erste Bewertung

Richtig ist: Die Zahl der tarifgebundenen Betriebe und der Beschäftigten, für die ein Tarifvertrag gilt, ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Früher waren drei von vier Arbeitsplätzen tarifgebunden; heute ist es nur noch jeder zweite. Dies kann sich nachteilig auf Löhne und Arbeitsbedingungen auswirken. Ein BTTG auf Bundesebene könnte auch zu mehr Einheitlichkeit in den föderalen Regelungswerken zur öffentlichen Auftragsvergabe bewirken. Denn die meisten Länder – mit Ausnahme von Bayern und Sachsen – haben auf Länderebene bereits ähnliche Regelungen.

Allerdings ist fraglich, ob das geplante Gesetz tatsächlich zu einer Stärkung der Tarifbindung führt. Denn die Erfahrungen mit bereits bestehenden Landestariftreuegesetzen zeigen, dass die Tarifbindung nicht unbedingt zunimmt – im Gegenteil. Wirtschaftsverbände befürchten zudem, dass ein Bundestariftreuegesetz zu mehr Bürokratie und höheren Kosten für Unternehmen, insbesondere für KMU, führt, die sich um öffentliche Aufträge bewerben.

Zusätzliche Nachweispflichten und Anforderungen könnten KMU überfordern, die oft nicht tarifgebunden sind. Und fraglich ist, ob die angedachte Wertgrenze von 50.000 Euro zu mehr Tarifbindung und Lohngerechtigkeit führt; denn schon heute liegt eine Vielzahl öffentlicher Auftragsvergaben des Bundes unterhalb dieser Wertgrenze. Deswegen werden wir mit Spannung verfolgen, wie sich der Gesetzentwurf im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch entwickelt.

Weitere Informationen:

Ein Beitrag von:

  • Prof. Dr. jur. Ralf Jahn

    • Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
    • ehem. Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
    • ehem. Honorarprofessor an der Universität Würzburg

    Warum blogge ich hier?
    Mein erster Blog bietet die Möglichkeit, das Thema der Pflicht der „Pflichtmitgliedschaft in Kammern“ „anzustoßen“ und in die Diskussion zu bringen. Bei genauem Hinsehen sichert der „Kammerzwang“ nämlich Freiheitsrechte durch die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Partizipation.

Kommentare zu diesem Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 1 = 1

ARCHIV

Archive